Bernabo sagte, er sei es völlig zufrieden, und obwohl die übrigen Kaufleute sich alle Mühe gaben, den Handel zu hintertreiben, weil sie sahen, dass großes Unheil daraus entstehen könne, so waren doch die beiden so erpicht darauf, dass sie ungeachtet aller Einreden der anderen ihre Wette einander schriftlich bekräftigten. Nachdem dieses geschehen war, blieb Bernabo in Paris und Ambrogiuolo ging nach Genua, wo er sich einige Tage aufhielt und sich genau nach der Wohnung und nach dem Lebenswandel der Dame erkundigte. Als er eben dasselbe von ihr hörte, was Bernabo von ihr behauptet hatte, und noch mehr dazu, so schien es ihm, dass er ein tolles Wagestück unternommen hätte, doch gelang es ihm, Bekanntschaft mit einer armen Frau zu machen, die viel in dem Hause der Dame aus- und einging und der sie sehr gewogen war. Da er diese Frau sonst zu nichts bewegen konnte, bestach er sie durch Geld, dass sie ihn in einem Kasten, den er sehr künstlich nach seiner eigenen Erfindung verfertigen ließ, nach dem Hause der Dame und in ihre eigene Kammer schaffte, indem sie die Dame bat (unter dem Vorwande, dass sie verreisen müsste), ihr die Kiste ein paar Tage aufzuheben.
Die Kiste blieb demnach in der Kammer stehen, und als es Nacht ward und die Stunde kam, da Ambrogiuolo vermutete, dass die Dame im ersten Schlaf läge, öffnete er den Deckel und schlich ganz leise heraus. Bei dem Lichte einer Kerze, die in der Kammer brannte, betrachtete er die ganze Einrichtung, die Gemälde und andere in die Augen fallende Gegenstände und prägte sie sich genau ins Gedächtnis. Hierauf nahte er sich dem Bett, und weil er fand, dass die Dame nebst einem kleinen Mädchen, das neben ihr lag, ganz fest eingeschlafen war, so schlug er die Decke zurück und hatte volle Muße, sie zu betrachten und sie nackt noch schöner zu finden als bekleidet. Er suchte lange Zeit vergeblich nach irgendeinem besonderen Zeichen an ihrem Leibe, auf das er sich berufen könnte, bis er endlich ein kleines Muttermal unter ihrer linken Brust gewahr ward, das mit fünf oder sechs goldenen Härchen umgeben war. Sobald er dies gesehen, deckte er sie sacht wieder zu, obwohl er beim Anbilde ihrer Schönheit in Versuchung geriet, sein Leben daran zu wagen und sich ihr zur Seite zu legen, allein er hatte zu viel von der Strenge ihres Wandels gehört, um dieses Wagestück zu unternehmen. Nachdem er also einen großen Teil der Nacht Zeit genug gehabt hatte, sich ungestört in der Kammer umzutun, nahm er aus einer ihrer Kisten eine Börse, ein Kleid, Ringe und Gürtel, schlich sich damit wieder in seinen Kasten, den er verschloss, und fuhr in der folgenden Nacht fort, alles auszukundschaften, ohne dass die Dame etwas davon merkte. Am dritten Tage kam die Frau, der Abrede gemäß, wieder, um ihren Kasten abzuholen und ihn dahin zu bringen, wo sie ihn hergeholt hatte, worauf Ambrogiuolo herausstieg, der Frau die versprochene Belohnung gab und sich mit den entwendeten Sachen eiligst auf den Weg nach Paris machte, wo er vor Ablauf der verabredeten Frist eintraf.
Hier rief er die Kaufleute zusammen, die bei der Unterredung und bei der Wette zugegen gewesen waren, und sagte in Bernabos Gegenwart zu ihnen, er habe die Wette gewonnen, die zwischen ihnen beiden geschlossen worden, indem er das ausgeführt habe, wozu er sich anheischig gemacht. Zum Beweise dessen beschrieb er zuerst die Lage der Kammer und die darin befindlichen Gemälde und zeigte hernach die Sachen vor, die er mitgebracht hatte und die er vorgab, von der Dame erhalten zu haben.
Bernabo gab zu, dass die Kammer so beschaffen wäre, wie er behaupte, und dass die vorgezeigten Sachen wirklich seiner Frau gehört hätten. Allein er meinte, jener könne leicht durch einen von der Dienerschaft des Hauses die Beschaffenheit des Zimmers erfahren und auf gleiche Weise die Sachen erhalten haben. Wenn er demnach nichts weiter für sich zu sagen hätte, so schienen ihm diese Beweise noch nicht hinreichend, um die Wette zu seinem Vorteil zu entscheiden. „In der Tat“, sagte Ambrogiuolo, „müsste dieses wohl hinreichend sein. Weil du aber verlangst, dass ich noch mehr sagen soll, so will ich es tun und will dir sagen, dass Madonna Ginevra, deine Frau, ein ziemlich großes Mal unter ihrer linken Brust hat, das mit einem halben Dutzend goldblonder Härchen umwachsen ist.“
Diese Worte fuhren Bernabo wie ein Dolchstich durchs Herz, und der Schmerz darüber verwandelte sein Gesicht so sehr, dass man, wenn er auch kein Wort gesagt hätte, deutlich sehen konnte, was Ambrogiuolo gesprochen habe, müsse wahr sein. Nach einer kleinen Pause sagte er: „Meine Herren, was Ambrogiuolo erzählt, ist wahr. Und da er gewonnen hat, so mag er sein Geld empfangen, wenn es ihm gefällt.“
Am folgenden Tage ward Ambrogiuolo das Geld wirklich ausbezahlt, und Bernabo entfernte sich von Paris und machte sich auf den Weg nach Genua, das Herz voll Rachgier gegen seine Frau. Als er in die Nähe von Genua kam, wollte er nicht hineingehen, sondern blieb in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Meilen in einem seiner Landhäuser und schickte einen vertrauten Diener mit zwei Pferden und mit einem Brief in die Stadt, in dem er seiner Frau seine Ankunft meldete und ihr befahl, mit dem Überbringer zu ihm zu kommen. Dem Diener aber gab er heimlich den Befehl, sobald er sich mit der Dame an einem entlegenen Orte befände, der ihm geeignet schiene, sie ohne Barmherzigkeit zu ermorden und zu ihm zurückzukehren.
Der Diener kam nach Genua und übergab den Brief. Die Dame empfing ihn mit großen Freuden, stieg mit ihm am folgenden Morgen zu Pferde und nahm den Weg nach dem Landhause. Indem sie unterwegs von mancherlei Dingen sprachen, kamen sie an ein tiefes, einsames, von hohen Felsen und Bäumen eingeschlossenes Tal, das dem Diener der Ort zu sein schien, wo er den Befehl seines Herrn am sichersten vollziehen könnte. Er zog demnach seinen Dolch, ergriff die Dame beim Arm und sagte: „Madonna, empfehlt Eure Seele Gott, Ihr müsst auf der Stelle sterben.“
Die Dame, die den gezückten Dolch sah und die schrecklichen Worte vernahm, rief voll Angst: „Um Gottes willen habe die Barmherzigkeit, ehe du mich tötest, mir zu sagen, womit ich dich beleidigt habe, dass du mich morden willst.“ „Madonna“, sprach der Diener, „mich habt Ihr nicht beleidigt. Was Ihr aber gegen Euren Gemahl müsst gesündigt haben, das weiß ich nicht. Aber er ist‘s, der mir befohlen hat, Euch ohne Barmherzigkeit auf dieser Reise ums Leben zu bringen, und wenn ich es nicht tue, so hat er mir gedroht, mich aufhängen zu lassen. Ihr wisst, wie viel ich ihm zu danken habe und dass ich ihm nichts abschlagen kann, das er von mir verlangt. Gott weiß, Ihr dauert mich. Allein ich kann‘s nicht ändern.“
„Um des Himmels willen“, bat ihn die Dame mit Tränen, „werde nicht zum Mörder an mir, einem anderen zu Gefallen, da ich dich nie beleidigt habe! Gott, der alles sieht, weiß, dass ich nie etwas begangen habe, wofür ich von meinem Gemahl einen solchen Lohn verdiente. Aber dies einmal beiseite gelassen, so kannst du doch zu gleicher Zeit Gott und deinem Herrn und mir gefällig sein, und zwar auf diese Weise: Du nimmst meine Kleider und gibst mir nur deinen Wams und einen Überrock und kehrst zurück zu deinem und meinem Herrn und sagst ihm, du habest mich umgebracht. Ich schwöre dir dagegen bei dem Leben, das du mir schenkst, mich von hier zu entfernen und so weit zu gehen, dass weder er noch du noch jemand in diesem Lande das Geringste wieder von mir erfahren soll.“
Der Diener, der ungern an ihr zum Mörder geworden wäre, ließ sich leicht zum Mitleid bewegen. Er nahm ihre Kleider, gab ihr ein schlechtes Wams und einen Überrock und ließ ihr das wenige Geld, das sie bei sich hatte. Und indem er sie nochmals bat, sich aus der Gegend zu entfernen, ließ er sie in dem Tal zu Fuß zurück und kam zu seinem Herrn, dem er versicherte, er habe seinen Befehl nicht nur ausgerichtet, sondern auch gesehen, wie die Wölfe bereits über den Leichnam hergefallen wären. Bernabo kam kurz darauf nach Genua, und als seine Tat bekannt ward, verdammte sie ein jeder.
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