Im Hotelzimmer
KENNENGELERNT hatte ich Zad einige Wochen zuvor auf einer Tagung in den Niederlanden. Da wir vollkommen andere Forschungsgebiete bearbeiteten, waren wir erst bei der Mid Conference Excursion nach Texel – Zad liebte Inseln – ins Gespräch gekommen und gleich bei unserer Rückkehr in meinem Hotelzimmer gelandet. Ich mochte seine Art, zuzupacken, nicht lange um Erlaubnis zu fragen. Er war der erste Mann, der es ohne meine Hilfestellung geschafft hatte, in mich einzudringen. Dieser Moment der Überraschung hatte sich köstlich angefühlt … Eigentlich war Zad gar nicht mein Typ. Er war einige Jahre älter als ich, ein eher schweigsamer Zeitgenosse, mehr der Praktiker, weniger intellektuell als die zartbesaiteten, meist jüngeren Männer, die mich auf verschiedenen Abschnitten meines Lebenswegs begleitet hatten. Ich selbst war sehr kommunikativ und gewohnt, mich selbst im Bett stetig mitzuteilen, was meinen aktuellen Gefühlszustand anging. Ich gab den Männern Tipps, feuerte sie an oder hielt sie von Handlungen und Stellungen ab, die mir in dem Moment nicht lustfördernd schienen. Zad schien das nicht leiden zu können. Sanft, aber bestimmt legte er mir seine Hand vor den Mund und raunte mir, selbst schon atemlos, zu: »Sei still, fühl einfach!« Und das tat ich prompt – ich wehrte mich nicht einmal gegen seine Hand, die er einfach auf meinem Mund beließ, bis er sie benötigte, um mich in eine andere Stellung zu drehen. Seine Erregung übertrug sich wie Elektrizität auf mich, setzte mich unter Strom und ließ mich hemmungsloser werden, als ich es in einer ersten Nacht für möglich gehalten hätte. Zad packte einfach zu und warf mich herum, wie es ihm passte, und ich ließ ihn machen. Und obwohl ich wenig Augenkontakt mit ihm hatte – er bevorzugte genau wie ich die entsprechenden Stellungen, die diesen erschwerten – erlebte ich ein ungeahntes Gefühl des Verschmelzens mit diesem fast Fremden.
Eine weitere Nacht war gefolgt, diesmal in seinem Hotelzimmer.
Wir hatten auf das gemeinsame Abendessen mit den Tagungsteilnehmern verzichtet; Zad hatte stattdessen ein kleines Buffet aufs Zimmer bestellt. Es war jedoch noch nicht gebracht worden, als ich im Zimmer eintraf, was mich etwas unruhig werden ließ, denn ich hatte wirklich Hunger. Zad kündigte an, mir die Augen verbinden zu wollen. Ich lächelte, dachte ich doch, dass er ein ganz besonderes Buffet bestellt habe und nicht wolle, dass ich es sehe, wenn es hereingetragen wurde. Er zog das blaue Halstuch so fest um meinen Kopf, dass ich meine Lider, die ich in einem genießerischen Reflex geschlossen hatte, nicht mehr hätte öffnen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Er entfernte sich leise von mir, und ich fand es spannend, an einer Stelle zu bleiben und zu horchen, wo er sich befand. Ich hörte ihn eine Schublade aufziehen und darin rascheln; ich dachte an Kondome. »Zad, was hast du vor? Wir essen doch gleich?«
»Du fragst zu viel«, sagte er kühl. »Vertrau mir einfach. Du bekommst schon was zu essen, du hungriges Raubtier …«
Mir war unbehaglich dabei, so genannt zu werden; es schüchterte mich eher ein, als dass es mich anstachelte. In der Tat hatte ich mich am Vortag in meinem Hotelzimmer recht wild gebärdet. Hatte ihm das gefallen oder nicht? Was hatte er nun vor mit mir?
Endlich trat Zad wieder zu mir, umarmte mich von hinten und ließ seine Hände über meinen Körper wandern. Er öffnete meine Bluse, den Reißverschluss meiner Hose und streifte mir die Kleider ab. Ich fragte nun nicht mehr, ob wir nicht eigentlich essen wollten. Ein anderer Trieb war dabei, den der Nahrungsaufnahme zu besiegen.
Nachdem Zad meinen nassen Körper ausgiebig gestreichelt und sich von der Nässe zwischen meinen Beinen überzeugt hatte, trat er einen Schritt zurück und befahl: »Streck deine Hände vor; halte dabei die Handgelenke eng beieinander.« Ich hielt sie ihm hin, zu perplex, um etwas anderes zu tun als zu gehorchen. Allerdings drehte ich die Handflächen nach oben, da ich instinktiv erwartete, er werde etwas hineinlegen, vielleicht Knabberzeug, das er als Vorspeise in seinem Nachttisch aufbewahrt hatte. Doch Zad drehte sie so, dass meine Handflächen in einer betenden Haltung zueinander zeigten. In einem unerwarteten Tempo wickelte er ein Seil um die Gelenke; er wickelte es mehrmals, so dass ein beträchtlicher Abstand zwischen meinen Handgelenken entstand.
»Zad, ich bin beeindruckt. Aber ich habe wirklich Hunger. Willst du mich etwa füttern?«, scherzte ich.
»Kluges Mädchen«, sagte Zad mir rauer Stimme, und ich fragte mich prompt, ob ich es anregend oder abstoßend fand, wenn er mich, eine erwachsene Frau, eine Wissenschaftlerin, »Mädchen« nannte – und gar fütterte.
Sanft ergriff Zad das Seil zwischen meinen Handgelenken und drückte mir auf die Schultern, bis ich vor ihm in die Knie ging. Als ich so auf allen vieren auf dem Boden hockte, strich Zad mir über den Kopf und weiter den Rücken hinunter, als sei ich eine Katze oder ein Kaninchen; an der Poritze verharrte er. »Sehr brav, bleib so …«
Ich erschauerte und zuckte zusammen, als es noch im selben Moment an der Tür klopfte.
»Endlich – das Büffet!«, sagte Zad so entspannt und erfreut, als hätten wir bei einem Videofilm beieinander gesessen. Ebenso selbstverständlich rief er sein »Herein«.
»Soll ich ins Bad gehen?« Zad lachte, während sich bereits die Tür öffnete. Ich spürte einen Luftzug vom Flur.
»Variationen von Nordseefisch und Meeresfrüchten an marktfrischen Salaten, dazu eine französische Käseplatte mit ofenwarmem Baguette und ein kühler Riesling«, hörte ich eine junge Männerstimme flöten. Der Roomboy betrat das Zimmer, ich hörte das leise Quietschen des Servierwagens, das etwas abrupt stoppte, dann klimperte Zad provokativ mit dem Trinkgeld. Das Geräusch löste eine Gänsehaut auf meinem Rücken aus, meine Nippel richteten sich auf unter dem Blick des fremden Mannes. Ich stand so still wie die gefühlte Zeit, atmete flach. Der Augenblick zog sich unendlich hin.
Endlich reagierte der Roomboy – ich ertappte mich dabei, dass ich mir derweil seine aufgerissenen Augen beim Anblick meines nackten, blinden Körpers vorgestellt und eine seltsame Erregung empfunden hatte.
»D-d-danke! Einen sch-sch-schönen Abend wünsche ich den Herrschaften noch!« Die Tür schlug zu, wir waren wieder allein. Ich fühlte mich, als würde mir ein warmer Mantel umgelegt. Nur noch Zads Blicke tasteten meinen Körper ab. Ich überlegte, ob ich ihm eine Szene machen sollte, da er mich vor dem Hotelpersonal derart kompromittiert hatte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie der Boy dem nächstbesten Zimmermädchen auf dem Gang die unglaubliche Geschichte erzählte, wie diese beschämt kicherte und sich bereits darauf freute, eine Nachricht zur weiteren Verbreitung zu haben. Wenn wir am Morgen zum Frühstück schritten, würde die Dame an der Rezeption ihr breites Grinsen kaum verbergen können. Andererseits, dachte ich mir, wohnte ich nicht hier und reiste morgen auch schon wieder ab. Im Grunde genommen war es ohnehin nicht viel schlimmer als in der Sauna, und schließlich hatte ich nichts zu verbergen – ich war zufrieden mit meinem Körper, der seine weibliche Form und seine straffe Haut behalten hatte. Außerdem konnte ich nicht leugnen, dass mich das kleine Spiel erregt hatte.
Zad küsste mich und versöhnte mich damit vollends. Ich war bereits jetzt süchtig nach seiner Zärtlichkeit.
»Du warst brav, meine Liebe. Allerdings hast du den jungen Mann ordentlich zum Erröten gebracht …« Ich erwiderte seinen Kuss und forderte, anstatt zu schimpfen: »Jetzt habe ich aber Hunger! Darf ich die Augenbinde jetzt endlich abnehmen?«
»Oh nein, du bleibst so!«, sagte er streng. Ich hörte ihn rüber zum Servierwagen gehen, hörte Porzellan klirren, einen Korken ploppen, die Sektflasche im Kühler klirren und das Geplätscher in den Gläsern.
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