1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Und ich erkannte, dass sie einen Mechanismus für Intention ausgemacht hatten:
Sie hatten gezeigt, dass Atome, die grundlegenden Bausteine der Materie, durch nicht-lokale Einwirkung beeinflussbar sind. Große Dinge wie Kristalle hielten sich nicht an die Spielregeln der großen Welt, sondern an die anarchischen Regeln der Quantenwelt, indem sie ohne erkennbaren Grund unsichtbar verbunden blieben.
Nachdem Sai ihre Erkenntnisse aufgeschrieben hatte, feilte Rosenbaum noch ein wenig an der Sprache und schickte den Artikel 2002 an Nature, eine Zeitschrift, die für ihre konservative Einstellung und ihre exakten Begutachtungen bekannt ist. Vier Monate nach den Anregungen der Rezensenten veröffentlichte Sai Ghosh ihren Aufsatz schließlich im weltweit bedeutendsten Wissenschaftsjournal, ein beachtliches Kunststück für eine 26-jährige Doktorandin. 10
Einer ihrer Rezensenten, Vlatko Vedral, nahm das Experiment mit einer Mischung aus Interesse und Frustration zur Kenntnis. 11Als Jugoslawe, der am Imperial College in London studiert hatte, während in seiner Heimat der Bürgerkrieg tobte und das Land anschließend auseinanderbrach, hatte sich Vedral in seiner Wahlheimat ausgezeichnet und war ausgewählt worden, die Quanteninformationswissenschaft an der University of Leeds zu leiten. Vedral, groß und von seiner Erscheinung her einem Löwen ähnelnd, gehörte einer kleinen Wiener Gruppe an, die in der Quantenphysik an vorderster Front arbeitet, auch an der Verschränkung.
Vedral hatte als Erster theoretisch die Wirkung vorhergesagt, die Ghosh und Rosenbaum schließlich drei Jahre später gefunden hatten. Er hatte den Artikel 2001 bei Nature eingereicht, aber die Zeitschrift hatte ihn abgelehnt, da ihr Experimente lieber waren als Theorie. Schließlich gelang es Vedral, seinen Artikel in der renommierten physikalischen Fachzeitschrift Physical Reviews Letters zu veröffentlichen. 12Nachdem Nature entschieden hatte, Ghoshs Untersuchung zu publizieren, boten ihm die Herausgeber eine versöhnliche Geste an. Sie ließen ihn den Aufsatz rezensieren und boten ihm in derselben Ausgabe die Gelegenheit, seine Meinung zu den Erkenntnissen zu äußern.
In dem Artikel gestattete sich Vedral zu spekulieren. Die Quantenphysik gelte als die präziseste Methode, die beschreibe, wie aus Atomen Moleküle werden, so schrieb er, und da die ganze Chemie auf der Beziehung der Moleküle zueinander basiere und die Chemie wiederum die Grundlage der Biologie darstelle, könne die Magie der Verschränkung tatsächlich der Schlüssel für das Leben selbst sein. 13
V. Vedral und zahlreiche andere Wissenschaftler in seinem Kreis glaubten nicht, dass diese Wirkung nur bei Holmium auftritt. Unsere wenig entwickelte Technologie ist das Hauptproblem dabei, Verschränkung aufzudecken. Diese Wirkung lässt sich momentan nur isolieren und beobachten, wenn man Atome in einer so kalten Umgebung verlangsamt, dass sie sich kaum mehr bewegen. Dennoch hatten mehrere Physiker Verschränkung der Materie bei 200° Kelvin oder – 100° Fahrenheit [das sind ca. – 73° Celsius, Anm. d. Übers.] beobachtet – eine Temperatur, die an einigen der kältesten Stellen auch auf der Erde vorkommt.
Andere Forscher haben mathematisch nachgewiesen, dass die Atome und Moleküle überall, selbst in unserem Körper, instantan, also zeitgleich, und unablässig Informationen austauschen. Thomas Durt von der Vrije Universiteit in Brüssel demonstrierte anhand eleganter mathematischer Formulierungen, dass fast alle Quantenwechselwirkungen Verschränkung hervorrufen, unabhängig von der inneren und äußeren Umgebung. Selbst Photonen, die winzigsten Lichtpartikel, die von den Sternen ausströmen, sind mit jedem Atom verbunden, dem sie auf ihrem Weg zur Erde begegnen. 14Verschränkung bei normalen Temperaturen scheint ein natürlicher Zustand des Universums zu sein, auch in unserem Körper. Jede Interaktion zwischen den einzelnen Elektronen in uns führt zu Verschränkung. Nach Benni Reznik, einem theoretischen Physiker an der Universität von Tel Aviv, sind wir von wogendem leerem Raum mit verschränkten Teilchen umgeben. 15
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Der englische Mathematiker Paul Dirac, ein Begründer der Quantenfeldtheorie, postulierte als Erster, dass es so etwas wie das Nichts oder leeren Raum nicht gebe. Selbst wenn man alle Materie und Energie aus dem Universum herauskippte und den „leeren“ Raum zwischen den Sternen untersuchte, würde man eine „Unterwelt“ finden, in der es vor subatomarer Aktivität wimmelt.
In der Welt der klassischen Physik bezeichnet ein Feld einen Einflussbereich, in dem zwei oder mehr Punkte durch eine Kraft verbunden sind, etwa Schwerkraft oder Elektromagnetismus. Doch in der Quantenwelt entstehen Felder durch Energieaustausch. Nach Heisenbergs Unschärferelation besteht ein Grund dafür, dass man Quanten letztlich nicht erkennen kann, darin, dass ihre Energie in einem dynamischen Muster immer wieder neu verteilt wird.
Das Nullpunkt-Feld
Subatomare Teilchen werden zwar häufig als winzige Billardkugeln bezeichnet, jedoch ähneln sie mehr kleinen Päckchen vibrierender Wellen, die Energie hin- und herreichen, wie in einem endlosen Basketballspiel. Alle Elementarteilchen beeinflussen sich gegenseitig, indem sie über zeitweilig existierende oder „virtuelle“ Quanten Energie austauschen. Diese erscheinen, so glaubt man, aus dem Nichts, verbinden sich in einem einzigen Augenblick miteinander, heben sich gegenseitig auf und erzeugen dadurch zufällige Energieschwankungen ohne offensichtliche Ursache. Virtuelle Teilchen oder negative Energiezustände nehmen keine physische Form an, deshalb können wir sie nicht direkt beobachten. Selbst „nachweisbare“ Teilchen sind nicht mehr als kleine Energieknoten, die kurz auftauchen und dann wieder in das darunter liegende Energiefeld verschwinden.
Dieses Hin und Her, das damit also einen gigantischen energetischen Grundpegel bildet, ist allgemein als Nullpunkt-Feld bekannt. Das Feld wird deshalb „Nullpunkt“ genannt, weil selbst am Temperaturnullpunkt, wenn theoretisch alle Materie ihre Bewegung einstellt, diese winzigen Fluktuationen noch nachweisbar sind. Selbst an der kältesten Stelle des Universums kommt die subatomare Materie niemals zur Ruhe, sondern setzt ihren kleinen „Energietango“ fort. 16
Die Energie, die bei jedem Hin und Her zwischen Teilchen entsteht, ist unvorstellbar gering – gerade mal ein halbes Photon. Doch zählte man alle Tauschvorgänge zwischen den subatomaren Teilchen im Universum zusammen, so ergäbe sich ein unerschöpflicher Energievorrat unermesslichen Ausmaßes, der die ganze Energie in der Materie um den Faktor 10 40(eine 1 gefolgt von 40 Nullen) übertrifft. 17Richard Feynman selbst bemerkte einmal, dass die Energie in einem Kubikmeter Raum ausreichen würde, um alle Ozeane der Erde zum Kochen zu bringen. 18
Nach Heisenbergs Entdeckungen zur Nullpunkt-Energie haben die meisten Mainstream-Physiker die Zahlen, die für die Nullpunkt-Energie stehen, aus ihren Gleichungen gestrichen. Sie nahmen an, dass das Nullpunkt-Feld nichts ändere und man daher gefahrlos „wieder zur Tagesordnung zurückkehren“ könne, da es in der Materie stets vorhanden und allgegenwärtig ist. Doch während der Ölkrise 1973, als man nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen suchte, begann der amerikanische Physiker Hal Puthoff auszurechnen, wie man die reichlich vorhandene Energie des leeren Raumes für Transportzwecke auf der Erde und zu fernen Galaxien nutzen könne; inspiriert wurde er dabei von dem Russen Andrej Sacharow.
Puthoff untersuchte das Nullpunkt-Feld über 30 Jahre lang. Mit einigen Kollegen hatte er nachgewiesen, dass dieser konstante Energieaustausch aller subatomaren Materie mit dem Nullpunkt-Feld für die Stabilität des Wasserstoffatoms verantwortlich ist – und damit folglich für die Stabilität aller Materie. 19Entfernte man das Nullpunkt-Feld, dann würde alle Materie in sich selbst zusammenfallen. Er zeigte auch, dass die Nullpunkt-Energie zwei Grundeigenschaften der Materie erklärt: Trägheit und Schwerkraft. 20Puthoff arbeitete auch an einem Projekt, das von Lockheed Martin und verschiedenen amerikanischen Universitäten mit vielen Millionen finanziert wurde; damit wollte man die Nullpunkt-Energie für die Raumfahrt nutzbar machen – ein Programm, das 2006 an die Öffentlichkeit gelangte.
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