Kerrie Droban - Vagos, Mongols und Outlaws

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Der Staatsanwalt bot ihm einen Deal an: reduziertes Strafmaß für nachgewiesenen Drogenschmuggel, wenn Charles Falco sich bereit erklärt, als V-Mann die für ihre Brutalität gefürchteten «Motorrad-Clubs» Vagos, Mongols und Outlaws zu unterwandern. Operation 22 Green (Vagos Motorcycle Club) und Operation Black Diamond (die Infiltrierung der Mongols und der Outlaws) waren die Decknamen für diese polizeilichen Ermittlungen. Charles Falco riskierte mehrfach sein Leben, als er über Jahre hinweg als Spion des FBI ermittelte. Es kostete ihn einen Wirbelsäulenbruch und eine zerschmetterte Schulter, gewalttätige Soziopathen hinter Gitter zu bringen. Er half entscheidend mit, Mörder zu überführen, und wäre fast selbst einem Mordanschlag zum Opfer gefallen, bevor er dann im Zeugenschutzprogramm untertauchte. Die Sicherstellung hunderter illegaler Schusswaffen, riesiger Mengen von Drogen, gestohlener Motorräder sowie 62 Festnahmen wegen Raub, Entführung und Mord sind seine Bilanz bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.Mit schockierender Offenheit schildert Charles Falco seine Erlebnisse in einer uns fremden Welt voller gewalttätiger Typen; seine Darstellung wird mit Gerichtsakten und Vernehmungsprotokollen untermauert. Detailliert recherchiert und von Kerrie Droban («Hölle auf 2 Rädern», Hannibal) packend geschrieben, fesselt dieses Buch von der ersten Seite an. Und diese Geschichte ist noch längst nicht beendet: die Ermittlungen gehen weiter, und Charles Falco wird bis heute bedroht …

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Terrible öffnete das Fenster. Der eisige Wind drang in den Wagen. Lizard beförderte etwas auf die Straße. Es landete mit einem Platschen auf dem Asphalt. Dicke Tropfen spitzten auf meine Windschutzscheibe – braun und flüssig wie …

„Scheiße!“ Terrible hielt sich Mund und Nase zu und kurbelte die Scheibe so schnell wie möglich hoch. „Diese Drecksau hat ’nen Dünnen und uns voll angeschissen!“ Ich brauchte einen Moment, um Terribles Statement zu verstehen. Das Ganze war nicht verrückt oder exzentrisch, sondern auf eine bestimmte Art und Weise ein Abbild der Realität, denn wir saßen alle in der Scheiße – und machten uns gegenseitig fertig.

картинка 15

Zu Hause angekommen, ließ ich mich ins Bett fallen und steckte mir die Ohrstöpsel rein. Wie sich herausgestellt hatte, war es viel zu anstrengend gewesen, drei oder vier Mal die Woche die 40 Meilen von Upland nach Victorville zu düsen, um mit den Vagos abzuhängen. Deshalb hatte ich mir ein billiges Apartment in der Altstadt von Victorville gemietet, in einem überwiegend von Latinos bewohnten Viertel, nahe den Kaschemmen der Vagos. Ich war kaum eingeschlafen, als ich ein aggressives Klopfen an meiner mit einer Stahlplatte gesicherten Tür hörte. Vor nicht einmal zwei Monaten hatten mir Justizbeamte einen unerwarteten Besuch abgestattet. Von da an wurde ich die Angst vor ungebetenen nächtlichen Gästen nicht mehr los.

Irritiert schlug ich die Decke zurück und zog mir ein Hemd an. Hercules flitzte blitzschnell durch die Wohnung und bellte die Lichtkegel der Scheinwerfer an, die über eine Wand huschten. Ich warf einen Blick auf die Straße und erwartete den grellen Schein der Maglites-Stabtaschenlampen der Cops. Nichts. Plötzlich stand ich voll unter Strom. Ich tapste zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Die unheimliche Stille raubte mir noch den Verstand.

Als ich mich wieder ins Bett legte, winselte Hercules. Ich konnte nicht mehr einschlafen. Dort draußen war etwas – ich sah es nur nicht! Während der nächsten zwei Stunden hörte ich nur das Pochen meines Herzens. Der Wecker klingelte um halb sieben. Ich streifte mir die Malocherklamotten über und öffnete die Tür. Uniformierte Beamte standen auf der Straße. Ein Officer kniete auf dem Asphalt und zeichnete Kreidekreise um Blutflecke.

„Was ist hier passiert?“, presste ich zwischen den Lippen hervor. Gleichzeitig fühlte ich mich erleichtert. Das hatte also nichts mit mir zu tun. Ich gehörte jetzt zu den „guten Jungs“, ein merkwürdiges Gefühl, wenn man so viele Jahre als Krimineller gelebt hatte.

„Das können Sie mir ja verraten“, erwiderte der Cop voller Sarkasmus.

„Ich habe nichts gesehen.“ Ich spürte sofort, dass er mir nicht glaubte.

„Natürlich haben Sie nichts gesehen.“ Der Beamte zeigte auf Dellen in meiner Eingangstür. „Irgendein Typ hat ein paar Kugeln in den Arsch gekriegt.“

Jetzt wurde mir alles klar! Was ich als Klopfen interpretiert hatte, waren in Wirklichkeit Schüsse gewesen!

4Abgedeckt werden dadurch Gewalttaten im Zusammenhang mit Formen der Organisierten Kriminalität, von Drogengeschäften bis hin zu Schutzgelderpressungen.

Mein erster Monat als Prospect unterschied sich nicht grundlegend von den - фото 16

Mein erster Monat als Prospect unterschied sich nicht grundlegend von den wenigen Wochen als Abhänger. Die einzige Ausnahme war, dass ich ständig zur Verfügung stehen musste. Es wurde immer schwieriger, zwischen der Welt der Vagos und dem regulären Job hin- und herzupendeln. Die Wörter „Nein“, „Auszeit“ und die Antwort „In einer Minute“ existierten bei den Vagos nicht. Als Rhinos Sklave besorgte ich ihm Lotterielose und Tacos (und das teilweise zwei oder drei Mal am Tag). Wenn ich um zwei Uhr morgens am anderen Ende der Stadt angekommen war und schon bestellte hatte, änderte er oft noch seine Wünsche. Er wollte dann Tacos ohne Salsa, Burritos ohne schwarze Bohnen und so weiter. Ohne zu murren, nahm ich seine neuen Wünsche entgegen.

Ich büßte meinen Namen ein, hörte nur noch auf „Prospect“ und wischte Hundescheiße von Twists Wohnzimmerboden. Ich drückte die Wut runter, wenn man mir befahl, eine angebissene Pizza zu verdrücken und die Bikes wieder und wieder zu putzen. Wenn es denen nicht passte, musste ich eben von vorne anfangen. Ich beobachtete Rhino, wie er aus seiner durch Drogen verursachten Starre aufwachte und gleich wieder wegnickte, und lehnte mich völlig erschöpft und ausgelaugt gegen die Wand, direkt neben den AK-47.

Wenn ich mit den anderen die abendliche Kneipentour hinter mich gebracht hatte, berichtete ich Koz von den Waffen und den Drogen, den Kampfanzügen, den Schlagringen und einer Zielscheibe, die einen Mann in Kapuzenanzug zeigte. Rhino hatte das Ding mit einem Seil um den „Hals“ an seiner Badezimmertür angebracht. Eines Nachmittags rief mich überraschend Twist an und erzählte mir von einem unerwarteten Besuch des Deputy-Sheriffs aus San Bernardino, der Rhino sprechen wolle.

„Der Typ suchte einen gewissen Dominic, einen mexikanischen Drogendealer, weil der sich nicht an Bewährungsauflagen gehalten hat. Rhino sagte ihm, dass er nicht weiß, wo er steckt.“ Trotzdem drängte sich der Deputy ins Haus.

„Das war bis unters Dach voll – Gewehre, Dope, Messer … der Kerl riet uns, den Scheiß wegzuräumen. Jemand wolle uns auf die Pelle rücken.“

Was ich nicht wusste – das ATF plante eine Razzia in Rhinos Haus. Korruption bei der Polizei war für mich nichts Neues. Trotzdem verstand ich nie, warum altgediente Deputys Kriminelle freiwillig informierten, ja sich sogar mit ihnen abgaben. Kriminelle, die sie eigentlich verhaften sollten! Die Grenze zwischen Gut und Böse hatte sich aufgelöst, war verschwommen und nicht mehr klar auszumachen. Abgesehen von der Unterstützung durch windige Cops konnten die Vagos auf Maulwürfe bei der Polizei zurückgreifen, auf Frauen etwa, die in der Poststelle und sogar in der Verwaltung arbeiteten und somit an Akten herankamen oder Gespräche belauschen konnten. Hatte Rhino womöglich auch Polizeiinformanten, die etwas über mich wussten?

Ich lebte mit einem Gefühl der ständigen Angst, das ich vor den Bikern verbarg. Jede Nacht ging ich in Gedanken meinen Tagesablauf durch. Hatte ich mich auffällig verhalten? War ich vor einer Aufgabe zurückgeschreckt? Hatte ich etwas Falsches gesagt? Im Moment musste ich sowohl Koz als auch den Vagos meine Loyalität unter Beweis stellen. Ich schwor mir, der beste Prospect aller Zeiten zu werden. Und so hing ich mit ihnen bis in die Morgenstunden in verdreckten Bars ab, grölte Madonnas „Like A Virgin“ und machte beim Wettsaufen mit, wobei ich mir manchmal fünf Krüge Bier hintereinander reinkippte.

Besonders Head Butt nutzte meine neue Position aus und ließ keine Gelegenheit verstreichen, mich auf die Probe zu stellen. Er forderte mich im Billard heraus, holte mit dem Stock aus, verpasste mir einen aufs Schienbein und kicherte wie ein Idiot, wenn ich vor Schmerzen das Gesicht verzog. Ich wusste, wie das Spiel lief, doch Head Butt hatte seine eigenen Regeln. Wenn ich die Billardkugel gekonnt in eine Tasche beförderte, beschuldigte er mich der Respektlosigkeit. Falls ich einen Stoß vermasselte, musste er mich „erziehen“.

Kaum hatte ich die Schmerzen weggesteckt, verpasste er mir mehrere Schläge an den Kopf – wie bei einem defekten Aufzieh-Spielzeug! Ihm machte das Quälen anderer Menschen großen Spaß. Oft fühlte ich mich wie ein Amateurboxer, der sich jeden Abend auf ein Match vorbereitete, keine Zeit zur Erholung hatte und seine Gegner nicht einschätzen konnte. Mal abgesehen von den seltenen Ruhepausen, in denen ich meinen Hund fütterte oder Koz Bericht erstattete, war ich Rhinos Launen ausgesetzt. Ich begleitete ihn auf seine Menschenjagden, wenn er Drogenschulden eintrieb oder sich Motorräder unter den Nagel riss. Die meisten Aktionen stellten sich jedoch als Flops heraus. Erst wurde ein großer Wirbel veranstaltete, die Spannung stieg auf den Siedepunkt, und dann kam nichts dabei heraus. Wir erreichten das Haus eines Schuldners, quatschten darüber, wie man am besten reinkäme, schwafelten weiter, verzogen uns, kamen kurz darauf wieder zurück und klopften dann ganz normal an. Rhino hatte die Ausstrahlung eines Bilderbuchgangsters. Die Androhung körperlicher Gewalt schien in Großbuchstaben in Form einer gigantischen Sprechblase über seinem Kopf zu stehen. Es dauert nie lange, bis die Opfer mit der Knete rausrückten.

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