Um sich zu vervollkommnen, muss man sich erst seiner selbst bewusst werden. Zum Beispiel ist es dir in deinem Leben bestimmt schon öfters passiert, dass dich jemand plötzlich fragt: „Warum hast du das getan?“, und darauf antwortest du unwillkürlich: „Ich weiß es nicht.“ Fragt dich jemand: „Woran denkst du?“, antwortest du: „Ich weiß es nicht“. „Warum bist du müde?“ – „Ich weiß es nicht“. „Warum bist du glücklich?“ – „Ich weiß es nicht“, und so weiter fort. Ich könnte fünfzig Leute nehmen und sie unvermittelt, unvorbereitet fragen: „Warum hast du das getan?“ Und sind sie innerlich nicht „wach“, so antworten sie alle: „Ich weiß es nicht.“ (Natürlich spreche ich da nicht von jenen, die eine Disziplin ausgeübt haben, sich zu erkennen und ihre Regungen bis zum Äußersten zu verfolgen. Jene können sich natürlich besinnen, sich sammeln und richtig antworten, wenn auch erst nach einer Weile.) Du kannst sehen, dass es sich so verhält, wenn du dich den Tag über gut beobachtest. Du sagst etwas und weißt gar nicht, warum du es sagst – erst nachdem die Worte deinen Mund verlassen haben, merkst du, dass es nicht eigentlich das war, was du sagen wolltest. Du besuchst zum Beispiel jemanden und nimmst dir vor, etwas ganz Bestimmtes sagen zu wollen. Stehst du aber vor dem Betreffenden, so sagst du nichts, oder andere Worte entschlüpfen deinem Mund. Bist du imstande zu sagen, inwieweit die Atmosphäre des anderen dich beeinflusst und daran gehindert hat, das zu sagen, was du dir vorgenommen hast? Wie viele sind imstande, es zu sagen? Sie erkennen gar nicht, dass der andere sich in der und der Verfassung befand und sie ihm darum nicht sagen konnten, was sie gewollt hatten. Natürlich gibt es sehr offenkundige Fälle, wo du Menschen in so schlechter Laune antriffst, dass du sie um nichts bitten kannst. Davon spreche ich nicht. Ich spreche von der klaren Wahrnehmung der gegenseitigen Beeinflussungen, nämlich was auf deine Natur einwirkt und von ihr zurückwirkt. Diese Wahrnehmung fehlt für gewöhnlich. Auf einmal fühlt man sich beispielsweise unwohl oder man fühlt sich froh, aber wie viele können sagen: „Das ist es.“? Und das ist auch schwer zu wissen. Es ist durchaus nicht leicht. Man muss schon sehr wach sein, stets in einem sehr aufmerksamen Zustand der Beobachtung.
Manche Menschen schlafen zwölf Stunden am Tag, und während der übrigen Zeit sagen sie: „Ich bin wach.“ Und manche schlafen zwanzig Stunden am Tag, und den Rest der Zeit sind sie auch nur halb wach! Um in diesem Zustand aufmerksamer Beobachtung zu sein, musst du sozusagen überall Antennen haben, die mit deinem wahren Bewusstseinszentrum in dauernder Verbindung stehen. Auf diese Weise verzeichnest du alles und ordnest alles, du lässt dich nicht mehr überraschen oder täuschen, und du kannst nichts anderes sagen als das, was du willst. Wie viele aber leben so als in ihrem Normalzustand? Genau das meine ich, wenn ich davon spreche, „bewusst zu werden“. Willst du aus den Bedingungen und Umständen, in denen du dich befindest, den größten Nutzen ziehen, so musst du völlig wach sein. Du darfst dich nicht überraschen lassen, nicht Dinge tun, ohne zu wissen warum, nicht Dinge sagen, ohne zu wissen warum. Du musst dauernd wach sein.
Du musst auch begreifen, dass du nicht ein gesondert lebendes Einzelwesen bist, sondern dass das Leben ein ständiger Austausch von Kräften ist, von Bewusstsein, von Schwingungen, von Bewegungen aller Art. Das ist wie in einer Menschenmenge: Wenn jedermann drängt, gehen alle vorwärts, und wenn alle zurückweichen, geht jedermann zurück. Dasselbe geschieht in der inneren Welt, in deinem Bewusstsein. Ständig wirken und reagieren dort Kräfte und Einflüsse auf dich, und es ist wie ein Gas in der Atmosphäre, und bist du nicht ganz und gar wach, so treten diese Dinge in dich ein, und erst wenn sie richtig in dir drin sind und dann wieder herauskommen, so als kämen sie von dir selbst, nimmst du sie wahr. Wie oft treffen Menschen solche, die nervös, wütend und schlecht gelaunt sind, und sie werden ebenfalls nervös, wütend, schlecht gelaunt, einfach so, ohne zu wissen warum. Wie kommt es, dass du gegen bestimmte Personen sehr gut spielst, während du gegen andere nicht spielen kannst? Oder diese ganz ruhigen, gar nicht bösen Menschen, die in einer zornigen Menge auf einmal zornig werden! Und niemand weiß, wer angefangen hat: Etwas ist vorbeigekommen und durch das Bewusstsein gefegt. Es gibt Menschen, die derartige Störungen auslösen können, und die anderen antworten darauf, ohne zu wissen warum. Alles ist so, von den kleinsten Dingen bis zu den größten.
Um in der Gemeinschaft seinen individualisierten Status zu bewahren, muss man sich seiner selbst absolut bewusst sein. Was für eines Selbstes? – Das Selbst, das über aller Vermischtheit steht, das heißt das, was ich die Wahrheit deines Wesens nenne. Und solange du der Wahrheit deines Wesens nicht bewusst bist, wirst du von allem möglichen bewegt, ohne es im geringsten zu bemerken. Das kollektive Denken, die kollektive Suggestion ist ein ungeheurer Einfluss, der fortwährend auf das individuelle Denken einwirkt. Und das Außergewöhnliche dabei ist, dass man es nicht bemerkt. Man meint, man denke eben „so“, tatsächlich aber denkt die Gemeinschaft „so“. Die Masse ist immer dem Einzelnen unterlegen. Nimm Menschen von gleicher Qualität, der gleichen Kategorie, nun, wenn sie allein sind, dann stehen sie mindestens zwei Grade höher als ihresgleichen in der Menge. Es gibt da eine Vermischung von Dunkelheit, von Unbewusstheit, und man gleitet zwangsläufig in diese Unbewusstheit ab. Um dem zu entgehen, gibt es nur ein Mittel: sich seiner selbst bewusst zu werden – immer bewusster und immer aufmerksamer.
Versuche folgende kleine Übung: Zu Beginn des Tages sagst du dir: „Ich werde nicht sprechen, ohne zu denken, was ich sage.“ Du glaubst, du denkst all das, was du sagst, nicht wahr? Das ist keineswegs der Fall. Du wirst feststellen, wie oft das Wort, das du nicht äußern willst, dir entschlüpfen will, und dass du dich bewusst anstrengen musst, es daran zu hindern.
Ich kannte Menschen, die sehr gewissenhaft versuchten, nicht zu lügen, aber sobald sie sich in einer Gruppe befanden, erzählten sie unwillkürlich Lügen, anstatt die Wahrheit zu sagen. Sie hatten nicht die Absicht, es zu tun, dachten noch vor einer Minute nicht, dass sie es tun würden, es kam einfach „so“. Warum? – Weil sie sich unter Lügnern befanden. Da war eine Atmosphäre der Falschheit, und sie wurden ganz schlicht von deren Krankheit angesteckt!
Nach und nach, langsam, beharrlich, indem man am Anfang gut Sorge trägt und sehr aufmerksam ist, wird man auf diese Weise bewusst, lernt, sich zu erkennen und dann auch Meister seiner selbst zu werden.
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