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Das nirvana des Buddhisten und das moksa des Advaitin sind dasselbe. Sie stimmen mit einer Verwirklichung überein, in der man sich nicht länger als Individualität mit diesem Namen und in jener Gestalt empfindet, sondern als unendliches, ewiges Selbst, raumlos (selbst im Raum), zeitlos (selbst in der Zeit). Beachte, dass man in diesem Zustand sehr wohl zu handeln vermag und ihn nicht nur über den samadhi-Zustand erreicht.
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Das nirvana des Buddha ist das gleiche wie das brahma nirvana der Gita. Nur beschreibt es die Gita als nirvana in Brahman, während der Buddha es vorzog, dem, worin das nirvana stattfand, keinen Namen zu geben und nichts darüber auszusagen. Einige spätere buddhistische Schulen definierten es als sunya, die Leere, eine Entsprechung des chinesischen Tao, das als ein Nichts, das Alles ist, beschrieben wird.
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Es gibt viele Arten von Buddhismus, und die gänzlich nihilistische ist nur eine davon. Die meisten Buddhisten anerkennen ein Bleibendes jenseits des Bereiches von karma und der samskaras. Selbst das sunya der Sunyapanthis wird wie das Tao des Lao Tse als ein Nichts beschrieben, welches Alles ist. Auch ein dem Mental übergeordneter Zustand wird anerkannt, den man mit Hilfe einer strengen Bewusstseins-Disziplin zu erreichen versucht, die als Spiritualität bezeichnet werden kann.
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Der Eine [der Buddhisten] wird auf verschiedene Weise gedeutet. Ich habe gerade irgendwo gelesen, dass der buddhistische Eine ein Über-Buddha sei, von dem alle Buddhas stammen – doch scheint mir dies ein Wiederaufwärmen des Buddhismus in Ausdrücken des Vedanta zu sein, die einem modernen Geist entstammen. Das Bleibende des Buddhismus wurde immer als überkosmisch und unsagbar angesehen – das ist der Grund, warum der Buddha es nie zu erklären versuchte; denn wie könnte man, logisch betrachtet, über das Unsagbare etwas aussagen? Es hat mit dem Kosmos, der aus samskaras und karma besteht, wirklich nichts zu tun.
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Die Eindrücke, wenn man sich der Unendlichkeit annähert oder darin eingeht, sind nicht immer ganz die gleichen; viel hängt von dem Weg ab, den das Mental wählt. Sie wird von einigen als eine Unendlichkeit über ihnen empfunden, von anderen als umhüllende Unendlichkeit, in welche das Mental (als eine Energie) eintaucht, indem es seine Begrenzungen verliert. Einige empfinden diese Absorption der Mental-Energie im Unendlichen nicht, sondern ein völliges Untätig-Werden; andere empfinden sie als einen Sprung oder ein Verschwinden der Energie in das reine Dasein. Einige fühlen die Unendlichkeit zunächst als ein weites Dasein, in das alles sinkt oder verschwindet, andere – wie du es beschreibst – als einen unendlichen Ozean aus Licht über ihnen, andere wiederum als einen unendlichen Ozean aus Macht über ihnen. Wenn gewisse buddhistische Schulen sie in ihrer Erfahrung als grenzenloses sunya fühlten, so sehen sie wiederum die Vedanta-Anhänger als unbedingtes Selbst-Bestehen, eigenschaftslos und absolut. Kein Zweifel, in den verschiedenen Philosophien wurden verschiedenartige Erfahrungen niedergelegt, und jede hielt ihre Auffassung für die allein gültige; doch hinter jeder Auffassung stand eine Erfahrung. Was du als eine vollkommen leer gewordene Substanz des Mentals beschreibst, ohne Energie oder Licht, vollkommen träge, ist der Zustand eines neutralen Friedens, einer leeren Stille, die ein Stadium der Befreiung sein kann oder ist. Dann jedoch kann man fühlen, wie sie sich mit unendlichem Dasein füllt, mit Bewusstsein (das Energie in sich birgt) und schließlich mit Ananda.
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Die Stelle 4aus „The Yoga and lts Obiects“ ist vom Standpunkt des spiritualisierten Mentals aus geschrieben, das sich der höchsten Wahrheit direkt nähert, ohne die Ebene des Supramentals zu durchqueren oder sich in ihr aufzulösen. Das Mental spiritualisiert sich, indem es sein eigenes Wirken und Gestalten abstreift und alles auf ein reines Dasein zurückführt, sad atman, aus dem alle Dinge und Tätigkeiten hervorgehen und das alles stützt. Wenn es darüber hinausgehen will, geschieht es durch eine weitere Negation, wobei es zu einem asat, Nicht-Sein, gelangt, welches die Verneinung dieses gesamten Daseins ist und dennoch etwas Unbegreifliches für das Mental, die Rede oder die sich ausdrückende Erfahrung bleibt. Es ist das schweigende Unerkennbare, das tuiya oder eigenschaftslose und beziehungslose Absolute des monistischen Vedanta, das sunyam der nihilistischen Buddhisten, das Tao oder allgegenwärtige und transzendente Nichts der Chinesen, das undefinierbare und unsagbare Bleibende des Mahayana-Buddhismus. Auch viele christliche Mystiker sprechen von der Notwendigkeit eines vollkommenen Nichtwissens, um zur höchsten Erfahrung zu gelangen, und sprechen zudem von der göttlichen Finsternis; sie meinen das Ablegen allen mentalen Wissens, das Mental leer zu machen und es in das Nichtmanifeste zu versenken, das param avyaktam. All dies ist der Weg des Mentals, sich dem Höchsten anzunähern, denn jenseits des avyaktam, des Nichtmanifesten, jenseits der Finsternis, tamasah parastat, ist der Höchste, der Purushottama der Gita, der Parapurusha der Upanishaden. Er ist adityavarna – von der Farbe der Sonne –, im Gegensatz zur Finsternis des Nichtmanifesten; dies ist eine Metapher, doch wiederum keine reine Metapher, denn es ist auch ein Symbol, das visuell von der suksma drsti, der inneren Schau, gesehen wird; und es ist wiederum mehr als nur ein Symbol, nämlich eine Tatsache spiritueller Erfahrung. Die Sonne im Yoga ist das Symbol des Supramentals und das Supramental ist die erste Macht des Höchsten, der man jenseits der Grenze begegnet, an der die Erfahrung des spiritualisierten Mentals aufhört und das unmodifizierte göttliche Bewusstsein beginnt, der Bereich der höchsten Natur, para prakriti. Es ist jenes Licht, von dem die vedischen Mystiker eine Ahnung hatten, und es ist das Gegenteil jener dazwischenliegenden Finsternis christlicher Mystiker, denn das Supramental ist nur Licht und keine Finsternis. Für das Mental ist der Höchste avyaktat param avyaktam, doch wenn wir dem Weg zum Supramental folgen, sehen wir, dass er eher aus einer zunehmenden Bejahung als aus einer zunehmenden Verneinung besteht.
Licht wird im Yoga mit dem inneren Auge gesehen, doch auch mit dem äußeren; es gibt aber viele Arten von Licht; nicht alle sind und nicht alle kommen vom höchsten Licht, param jyotih.
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Das Universum ist nur eine teilweise Manifestation, und Brahman als seine Grundlage ist das sat. Doch es gibt auch das Nichtmanifeste, jenseits der Manifestation, was nicht in der Grundlage der Manifestation enthalten ist. Die Buddhisten und andere bildeten daraus ihre Auffassung des asat als dem höchsten Ding.
Eine andere Bedeutung ist: sat = das Ewige, asat = das Vergängliche und Unwirkliche.
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Das Gefühl des Selbstes als einer weiten, friedvollen Leere, einem Freiwerden vom Dasein, wie wir es kennen, ist etwas, das man immer erreichen kann, ob man Buddhist ist oder nicht. Es ist der negative Aspekt von nirvana – für das Mental ist es etwas ganz Natürliches, wenn es der negativen Bewegung des Sich-Zurückziehens folgt, um zuerst dorthin zu gelangen; und wenn du dich daran klammerst und dich weigerst weiterzugehen, wenn du mit diesem befreiten Nicht-Sein zufrieden bist, dann wirst du wie die Buddhisten folgern, dass sunya die ewige Wahrheit ist. Lao Tse war scharfsinniger, als er davon als dem Nichts, das Alles ist, sprach. Natürlich haben viele die positive Erfahrung des atman zuerst, nicht als einer Leere, sondern als reines, beziehungsloses Dasein oder als das eine Seiende.
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Sie [welche die nirvana-Erfahrung erlangen] haben nicht die Empfindung, als hätten sie irgendein Dasein. Im buddhistischen nirvana verliert man die Empfindung davon überhaupt, es gibt nur eine unendliche Null ohne Form. Im Advaita nirvana wird allein ein Weites Dasein gefühlt, und nirgendwo ist ein für sich bestehendes Wesen erkennbar. Es gibt natürlich Formen, doch sind es eben nur Formen, keine getrennten Wesen. Das Mental ist still, das Denken hat aufgehört – Begierden, Leidenschaften, vitale Regungen gibt es nicht. Es gibt ein Bewusstsein, doch nur ein formloses, elementares Bewusstsein ohne Grenzen. Der Körper bewegt sich und handelt, doch man empfindet den Körper nicht. Manchmal ist allein das Bewusstsein des reinen Daseins vorhanden, manchmal nur ein reines Bewusstsein, manchmal ist alles ein grenzenloser Ananda. Ob das Übrige tatsächlich aufgelöst oder nur zugedeckt wird, sei dahingestellt, doch auf jeden Fall ist die Erfahrung die einer Auflösung.
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