Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-910-9
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Die Letzten der „San Jacinto“
Sie wollten den Gegner überrumpeln – und bissen selbst ins Gras
Untätigkeit war nichts für die schiffbrüchigen Mannen der verschwundenen „Empress of Sea“. Sie wäre auch lebensgefährlich gewesen – angesichts eines Haufens von Galgenstricken, die scharf darauf waren, jenen Kerlen an die Kehlen zu gehen, die ihnen die Goldbarren „entsteißt“ hatten. In dieser Nacht, in der es auffrischte und der Wind auf West drehte, verblockten Nils Larsen und Sven Nyberg zusammen mit Carberry und Stenmark mittels Hartholzkeilen das Ruder der „San Jacinto“. Und am frühen Morgen passierte das nahezu Unmögliche: Die „Empress of Sea“ tauchte wieder auf. Da hielt die Old Donegal-Mannen nichts mehr auf der Insel. Bevor die Kerle von der „San Jacinto“ reagieren konnten, besetzte Old Donegals Crew die „Empress“ – und auf ging’s …
Die Hauptpersonen des Romans:
Julio Acosta– nichts hält den ehemaligen Steuermann davon ab, auf die Goldbarren der „Viento Este“ zu verzichten.
Prado– auch der ehemalige Bootsmann hat es auf die Goldbarren abgesehen.
Old Donegal Daniel O’Flynn– mit dem knorrigen Alten ist nicht gut Kirschen essen.
Edwin Carberry– der Profos will unbedingt einem Hai den Bauch aufschneiden.
Sir John– Carberrys „Krachente“ unternimmt mal wieder Erkundungsflüge.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
9. Juli 1595 – Inseln der Cat Cays.
Im Drehbassenbeschuß der auf unerklärliche Weise zurückgekehrten „Empress“ hockten die Schnapphähne unter Deck. Fast alle hatten sich nach unten verzogen.
Über ihnen krachte es immer wieder, und sie selbst waren nicht einmal in der Lage das Feuer zu erwidern.
Die „San Jacinto“ war etwa zweihundert Yards vom Uferstrand entfernt aufgebrummt und saß unverrückbar fest.
Daß sie aufgebrummt war, verdankte sie den beiden Dänen Nils Larsen und Sven Nyberg, die in einer nächtlichen Aktion zusammen mit Edwin Carberry und Stenmark das Ruder verkeilt hatten.
Jetzt saß die Galeone mit dem Bug voran auf dem Grund und reckte das Achterschiff seewärts. Achtern hatte sie keine Kanonen oder Drehbassen und somit ihren „wunden Punkt“.
Die ersten Ladungen der Drehbassen waren ins Achterkastell gekracht und hatten dort erhebliche Schäden angerichtet. Als das Achterkastell dann unter Wasser stand, setzte sich die „San Jacinto“ auch achtern auf Grund.
Der Drehbassenbeschuß harkte auch über die Decks, und da hatten sich die Kerle heulend und brüllend nach unten verzogen oder waren in wilder Panik in Deckung gerannt.
Auch das Floß, mit dem sie die Seewölfe überrumpeln wollten, war längst davongetrieben, als ein Schuß die Vorleine zerfetzte. Jetzt hatten sie kein einziges Beiboot mehr und auch kein provisorisches Floß. Sie waren auf der „San Jacinto“ gefangen wie in einer großen Mausefalle.
Der grobschlächtige Acosta hatte das bereits eingesehen und auch der Bootsmann Prado wußte, daß es hier kein Entkommen mehr gab. Ein paar andere Kerle lebten noch, in der irrsinnigen Hoffnung, es würde ein Wunder geschehen.
Doch es geschah kein Wunder.
Immer wieder zuckten sie ängstlich zusammen, wenn achteraus das Krachen der Drehbassen zu hören war.
Und jeder Schuß saß. Die Galeone war längst gerupft und glich einem Trümmerhaufen.
Das Rigg war zerfetzt und zerschossen, einige Rahen waren unter ohrenbetäubendem Krach an Deck gefallen, und noch immer war kein Ende abzusehen.
Tote und Verletzte hatte es auf der Galeone gegeben. Ein paar Kerle lagen immer noch stöhnend und ächzend herum, doch niemand kümmerte sich um sie. Jeder war sich selbst der Nächste, so lautete ihre Devise, nach der sie lebten.
Acosta, Prado und ein paar andere hatten sich nach vorn verzogen, seit das Achterschiff auf dem Grund lag. Hier vorn, wo die Galeone mit dem Bug höher lag, waren sie noch relativ sicher. Aber das Überqueren der Decks hatte zwei Opfer gefordert, die unter dem Drehbassenfeuer ihr Leben ausgehaucht hatten.
Ein weiterer Mann war stöhnend und jammernd nach vorn gekrochen. Jetzt lag er im Vordeck, preßte beide Hände auf seinen Leib und schrie.
Sie ließen ihn schreien. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit oder versuchte, zu helfen.
Achteraus war ein dumpfes Krachen und Bersten zu hören. Die Galeone erzitterte in allen Verbänden.
„Verflucht noch mal!“ brüllte Acosta in hilfloser Wut. „Die Bastarde schießen uns in Fetzen, bis nichts mehr übrig ist!“
„Hier gelangen wir nicht mehr heraus“, sagte Prado gepreßt und ebenfalls von ohnmächtiger und hilfloser Wut erfüllt. „Wir können ja nicht einmal an Deck, ohne wie die Hasen abgeknallt zu werden.“
Er starrte finster auf die paar Musketen, die sie noch hatten, mit denen sie aber nichts anfangen konnten, denn immer wieder strich ein Eisen- oder Bleihagel nach dem anderen über die Decks und richtete verheerende Schäden an.
Der schwerverletzte Kerl auf den Planken stieß einen lauten und gellenden Schrei aus, der allen durch Mark und Bein ging. Es regte sie noch zusätzlich auf, daß ihr Kumpan schrie und brüllte. Die meisten wünschten ihn zur Hölle, weil er ihnen mächtig auf die Nerven ging.
„Halt jetzt endlich dein Maul!“ brüllte Acosta unbeherrscht. „Durch dein Gebrüll wird alles nur noch schlimmer!“
„Ich muß sterben!“ schrie der Mann und wand sich wie in Krämpfen. „Helft mir doch, ihr dreckigen Halunken! Ihr könnt mich hier doch nicht so liegenlassen!“
Acosta wandte den Blick ab und gab keine Antwort. Prado und ein paar andere übersahen den schreienden Mann einfach.
Sie zuckten wie unter einem Hieb zusammen, als es einmal kurz und heftig über ihnen in der Luft rauschte. Dem Rauschen folgte ein Splittern, dann ein Knirschen und ein fürchterliches Getöse. Voller Wucht schlug eine Rah an Deck und bohrte sich in die Planken, wobei die ganze Galeone durchgeschüttelt wurde.
„Das war die Fockrah“, sagte Prado.
Der Verletzte schrie wieder gellend auf, als das Krachen vorbei war und für Augenblicke entsetzliche Stille herrschte.
Da war nur noch ein feines Knistern im Schiff zu hören. Irgendwo rauschte es auch leise. Das war in jenem Teil des Achterschiffes, wo jetzt pausenlos das Wasser eindrang.
Stumm und von Entsetzen geschüttelt, hockten auch Santos, Normando und der spitzgesichtige listige Morro da. Sie hatten erbärmliche Angst vor diesem so lange unsichtbaren Gegner, den sie erst in letzter Zeit zu sehen gekriegt hatten.
Neun Mann waren es, die auf rätselhafte und für die Schnapphähne unerklärliche Art und Weise in den Besitz einer kleinen dreimastigen bewaffneten Karavelle gelangt waren.
Diese neun Männer hatten sie tagelang zum Narren gehalten, und nie hatten sie die Kerle vorher gesehen. Sie rätselten immer noch über diese neun Teufel nach, die ihnen die fette Goldbeute abgenommen hatten.
Jetzt sah es nicht mehr danach aus, als würden sie von dem riesigen Kuchen noch ein Stück ergattern. Sie saßen in der Falle, in einer tödlichen Falle, der sie kaum noch entrinnen konnten, falls nicht doch noch das erhoffte Wunder geschah.
Als der Verletzte wieder schrie, lief Acosta vor Wut rot an.
„Ich kann das nicht mehr hören, verdammt! Fesselt und knebelt den Kerl, damit er endlich Ruhe gibt.“
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