Impressum
© 1976/2014 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-389-3
Internet: www.vpm.deund E-Mail: info@vpm.de
Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Kapitel 9.
Kapitel 10.
„Was, zum Teufel, soll ich sonst saufen, wenn wir kaum noch Wasser an Bord haben?“ fragte Ed Carberry und setzte die Rumflasche ab, die Sam Roskill neidvoll betrachtete.
Auf der „Isabella VIII.“ herrschte ein Bild des Friedens. Ein handiger Wind schob den ranken Rahsegler durch eine leichte Dünung. Elegant tauchte der Bug ein und schob einen weißen Bart vor sich her. Hasard hatte alles an Zeug setzen lassen, was die überlangen Masten der Galeone zu tragen vermochten. Auch die Blinde war prall vom Wind gefüllt.
Auf dem Vordeck saß Will Thorne, der Dan O’Flynn beibrachte, wie ein Segel fachmännisch genäht wurde. Der Schimpanse Arwenack hockte daneben und sah aus seinen braunen Augen interessiert zu. Ab und zu grapschte er nach der starken Nadel, doch Will Thorne entzog sie ihm immer wieder, bis der Affe es schließlich aufgab und mit galligem Gesicht die Wanten aufententerte.
Carberry, der Profos, nahm den nächsten Zug aus der Flasche, von denen sie mehrere erbeutet hatten. Dann reichte er sie Sam Roskill.
„Aber nur einen Daumenbreit, klar?“
Roskill quetschte seinen Daumen an die Flasche, damit er ja recht breit wurde und trank ebenfalls. Ihnen gegenüber standen der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker und Al Conroy, der Waffen- und Stückmeister der „Isabella“.
Tucker starrte schon seit geraumer Zeit die Flasche an, aber nicht weil er Durst hatte. Ihn, den ewigen Tüftler und Bastler, bewegten ganz andere Gründe, die der Profos nicht durchschaute.
Widerwillig gab er die Flasche weiter an Tucker, wobei sich sein Narbengesicht grimmig verzog.
„Man sollte seinen Rum wirklich unter Wasser und ganz allein saufen“, murmelte der Profos. „Jeder glotzt einem die halbe Flasche weg, bis nichts mehr drin ist.“
Auch Ferris Tucker trank einen Schluck, betrachtete die Flasche von allen Seiten und gab sie dann unter Carberrys leisen Verwünschungen an den schwarzhaarigen Stückmeister weiter.
Vom Achterkastell sahen der Seewolf und Ben Brighton belustigt zu, wie der Flascheninhalt abnahm und der Profos sich insgeheim darüber ärgerte.
„Wird höchste Zeit, daß wir eine Insel anlaufen und Wasser finden“, sagte Hasard zu seinem ersten Offizier Ben Brighton. „Der gestrige Sturm hat vier Fässer zerschlagen, viel haben wir nicht mehr.“
Ja, daran entsann sich Ben Brighton nur noch ungern. Gestern hatten sie einen höllischen Sturm abgeritten, der sie zwei Segel gekostet hatte. Die Brecher waren über dem Schiff zusammengeschlagen wie Berge aus dunkelblauem Glas und hatten mit unvorstellbarer Wut an der Galeone gezerrt und gerissen. Aber die „Isabella“ hatte den wilden Orkan abgeritten und war Sieger geblieben. Sie war nicht umsonst das beste Schiff, das je eine englische Werft verlassen hatte.
Ben Brighton blickte auf die Seekarte und nickte.
„Gegen Mittag können wir eine der Caicos-Inseln anlaufen. Dort wird sich Wasser finden, oder wir versuchen es auf einer der kleinen Felseneilande.“
In der Kuhl blickte Ferris Tucker wieder auf die Flasche, der der Profos gerade den letzten Schluck herauskitzelte.
„Herr im Himmel“, murmelte er, „da ist doch nur ein schwacher Liter drin, der reicht doch nicht für alle.“
Er lehnte sich ans Schanzkleid, packte die Flasche mit der rechten Hand und holte zum Wurf aus.
„Halt!“ schrie Tucker. „Schmeiß sie nicht weg!“
Der Profos erstarrte mitten in der Bewegung. Er schob sein Rammkinn in Tuckers Richtung, der mit einem Stück Lunte spielte.
„Da ist nichts mehr drin“, versicherte er.
„Das kann ich mir denken, aber gib sie mir trotzdem.“
Er nahm die Flasche entgegen und ließ sich von Carberry auch noch den Korken geben. Mittlerweile hatten sich Jeff Bowie, Bob Grey, Luke Morgan und der alte Donegal Daniel O’Flynn um ihn herum in der Kuhl versammelt. Alle waren neugierig, denn Ferris Tucker hatte etwas mit der Flasche vor. Aber was, zum Teufel?
Sie sollten es gleich erfahren.
„Nur ein kleines Experiment“, erklärte Ferris. „Ich weiß allerdings nicht, ob es klappt. Ich möchte nur mal die Wirkung sehen.“
Aus seiner Werkzeugkiste holte er zwei Hände voll alter Nägel, ein paar gehackte Bleistücke und etwas Pulver.
„Was wird das, Ferris?“ wollte Al Conroy wissen.
„Das weiß ich selbst noch nicht. Mir ist gerade eine Idee gekommen. Wenn man Nägel, Blei und Pulver in die Flasche füllt, sie verkorkt und in den Korken eine Lunte schiebt, dann reißt es die Flasche doch auseinander, nicht?“
Keiner sagte ein Wort, niemand gab Antwort. Gebannt schauten sie Tucker zu, bis sich auch der Seewolf dazugesellte, der die Spielereien des Schiffszimmermannes allerdings ernster nahm als die meisten anderen. Die dachten jetzt, Tucker hecke irgendeinen Blödsinn aus und wolle sie anschließend auf den Arm nehmen.
Als er alles in die Flasche gefüllt hatte, bohrte er mit dem Marlspieker ein kleines Loch in den Korken und schob ein kurzes Stück Lunte hinein.
Danach verkorkte der die Flasche, die er abschätzend in der Hand wog. Sie hatte ein ganz beachtliches Gewicht.
„Angenommen“, sagte Tucker und grinste dabei über das ganze Gesicht, „ich lasse die Flasche an Deck stehen und zünde die Lunte an. Was glaubt ihr wohl, was dann passiert?“
„Bist du wahnsinnig, Ferris?“ sagte Carberry. „Uns fliegen die Brocken nur so um die Ohren!“
Plötzlich hatten sie alle begriffen, was Tucker wollte.
„Das wollte ich nur wissen“, erklärte der Hüne zufrieden. „Wenn euch die Brocken um die Ohren fliegen, dann würden sie doch auch jedem verdammten Piraten um die Ohren fliegen, wenn man sie auf ein Schiff schleudert. Oder etwa nicht?“
Der Seewolf sah seinen Schiffszimmermann an wie einen Geist. Er nahm die Flasche ebenfalls in die Hand und schüttelte den Kopf.
„Wie der Schuß aus einer Drehbasse“, sagte er bewundernd. „Nur ist das Format handlicher und man kann die Dinger überall mitschleppen.“
„Mensch, Ferris!“ riefen ein paar Männer begeistert. „Wie bist du nur auf die Idee gekommen?“
Tucker wandte sich verlegen ab.
„Nur so, als ich die Flasche sah. Noch haben wir es ja nicht ausprobiert, vielleicht klappt es auch gar nicht.“
Aber da geriet er an die Falschen. Al Conroy widersprach sofort sehr energisch.
„Natürlich klappt das, Ferris. Sobald die glimmende Lunte das Pulver erreicht, geht es hoch. Und da die Explosion sich nicht durch die Öffnung entladen kann, zerreißt es die Flasche, die ihren Inhalt nach allen Seiten verschleudert. Ich möchte jedenfalls nicht in der Nähe stehen, wenn sie explodiert.“
„Man müßte sie noch verbessern“, überlegte Tucker. „Die Lunte genauer berechnen, wie lange sie brennt, Stoff oder Segeltuch um die Flasche wickeln, damit sie beim Aufprall nicht gleich zersplittert.“
Der riesige Gambia-Neger Batuti trat hinzu. Seine Augen rollten wild, als er die Flasche mit ihrem Inhalt sah. Das meiste von den Gesprächen der Männer hatte er begriffen.
„Schlaues Mann, Ferris“, radebrechte er. „Großes Kopf mit viel Verstand. Batuti Flasche ausprobieren.“
„In deiner Hosentasche, was?“ sagte Tucker lachend. „Hier an Bord geht das nicht, es ist zu gefährlich.“
„Batuti schmeißen in Wasser.“
„Dann verlöscht die Lunte, Mann“, erklärte Dan. „Oder hast du schon mal gesehen, daß eine Lunte im Wasser brennt?“
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