Hasard schwang hoch. Er federte auf den helmlosen Soldaten zu, der im selben Augenblick versuchte, sein Entermesser in die Schulter des Seewolfs zu hauen. Knapp entging Hasard dem mit voller Wucht geführten Schlag, dann packte er den Gegner mit beiden Händen, riß ihn um und balgte sich am Boden mit ihm.
Der Batak Siabu hetzte geduckt an den Kämpfenden vorbei. Er hatte Otonedju entdeckt. Mit einem heiseren Laut warf er sich dem Stammesältesten entgegen. Mit dem Parang wollte er ihm jetzt zurückzahlen, was der ihm zugefügt hatte. Zwar war Siabu an der Schulter verletzt, aber mit der gesunden Hand wußte er das Kurzschwert immer noch ausgezeichnet zu führen.
Er trachtete, Otonedju den Schädel zu spalten. Vielleicht wäre es ihm tatsächlich gelungen. Otonedju stand erschüttert da und war für einen Moment unfähig, Gegenwehr zu leisten, so wenig hatte er mit einem Angriff gerechnet.
Doch Blacky stellte dem Batak ein Bein. Siabu stolperte und taumelte Dan O’Flynn entgegen. Der fackelte nicht lange und riß den rechten Fuß so weit hoch, daß die Spitze des Stiefels Siabu gegen den Hals stieß. Siabu fiel. Dan warf sich ohne zu zögern auf ihn, packte sein Handgelenk und rang mit ihm um den Parang.
Carberry fing den Feldscher ab, bevor dieser auf den Seewolf eindringen konnte, der ihm beim erbitterten Kampf mit dem Soldaten gerade den Rücken zugekehrt hielt.
Zwei Hiebe landete der Profos. Einer traf den Waffenarm des Feldschers, der andere krachte dem Mann gegen die Brust, so daß er in einem fast vollkommenen Rückwärtssalto ins Gebüsch zurückflog.
Hasard lag inzwischen unter dem helmlosen Soldaten und wehrte dessen Entermesser verzweifelt ab. Mit verzerrtem Gesicht versuchte der Spanier, es ihm ins Herz zu treiben. Hasard drückte seinen Arm jedoch unter Aufbietung aller Kräfte zur Seite. Der Soldat rutschte ab, rollte von ihm weg, verkantete dabei das Entermesser – und die scharfe Kante der Klinge traf seinen ungeschützten Halsansatz. Hasards Versuch, ihn vor dem Tod zu bewahren – zu spät.
Betroffen sah der Seewolf, wie die Gestalt des Spaniers reglos wurde. Er hatte ihn bewußtlos schlagen wollen, mehr nicht.
Dan und der Batak wälzten sich unterdessen wie zwei Raubkatzen ineinander verkeilt. Dan brachte es fertig, dem nahezu tobsüchtigen Eingeborenen den Parang zu entwinden. Sofort zuckte Siabu zurück. Er riß einen Kris aus dem Gurt, hob ihn, warf sich auf Dan – und dem blieb keine Wahl. Er mußte den Parang hochreißen, wenn er nicht sterben wollte.
Der Batak sprang in die Klinge des Parangs.
Carberry, Blacky und die anderen Seewölfe waren ins Dickicht getreten, um Dan beizustehen und um sich wieder den Feldscher der „Santa Barbara“ vorzuknöpfen.
Der Feldscher hatte sein Entermesser verloren und sah ein, daß es keinen Sinn hatte, danach zu suchen. Daß es den Batak und den Soldaten erwischt hatte, hatte er verfolgen können. Jetzt sah er, wie der Tiger von Malakka den Teniente Savero de Almenara im Zweikampf zurücktrieb. Mit einer leichten Brustverletzung strauchelte der Teniente. Er kippte rückwärts ins Mangrovengesträuch.
Der Feldscher ergriff die Flucht.
De Almenara bemerkte es. Er fing sich, fuhr herum, stürmte dem Feldscher mit eigenartig hüpfenden Bewegungen nach und stellte ihn zwischen widerspenstigen Schmarotzerpflanzen. Der Feldscher hatte sich verfangen und verlor kostbare Zeit.
„Feigling“, zischte der Teniente. „Elender Deserteur!“
Der Feldscher gab sich keinen Illusionen hin. Er wußte, daß er von de Almenara weder Verständnis noch Nachsicht zu erhoffen hatte. So griff er zum Messer, zog es aus der Lederscheide und griff an, um dem Teniente zu geben, was ihm seiner Ansicht nach gebührte.
Der Teniente war schneller.
Fluchend hieb er mit dem Säbel zu.
Hasard war neben Dan und ließ sich von ihm den Parang aushändigen. Er schlüpfte weiter durch das Dickicht und erreichte den Teniente. Gerade beobachtete er noch, wie der Feldscher blutüberströmt zusammenbrach.
„Aufhören“, sagte der Seewolf auf spanisch. „Sie Narr, ergeben Sie sich. Weg mit der Waffe!“
„El Lobo del Mar“, hauchte der Teniente im Herumschwingen fast ergriffen. Er hob wieder den Säbel. „Mir steht die Belohnung zu, die der König von Spanien und Portugal auf deinen verfluchten Kopf ausgesetzt hat.“
Zum erstenmal hörte Hasard davon, daß die Kopfprämie für seine Ergreifung tatsächlich existierte. Seine Gefühle schwankten zwischen Überraschung und Wut. Was dachten sich die Dons noch aus, um ihn zur Strecke zu bringen?
Savero de Almenara glaubte den Seewolf zögern zu sehen. Diesen günstigen Augenblick wollte er unbedingt ausnutzen. Keuchend ging er mit dem Säbel auf den verhaßten Feind los.
Hasard konterte mit dem Parang. In einer glänzenden Parade drängte er den viel längeren Säbel zurück. Der Teniente gab jedoch nicht auf. Er stürmte mit einem Aufschrei vor, um die Klinge höchst unfair in Hasards Unterleib zu stoßen.
Der Seewolf wich aus, aber de Almenara hatte zuviel Schwung. Er lief geradewegs in den Parang, den Hasard nicht mehr rechtzeitig genug wegziehen konnte.
Mit einer Verwünschung auf den Lippen zog Hasard den Parang zurück. De Almenara sank nieder, ließ den Säbel aus den Fingern gleiten und legte sich auf den Rücken, als wolle er ausruhen. Hasard beugte sich über ihn, konnte aber nichts mehr für ihn tun. Der Blick des Tenientes wurde starr, sein Herzschlag setzte aus. Seine brechenden Augen waren gen Himmel gerichtet.
„Elender Narr“, murmelte Hasard. „Warum mußte das sein?“
„Ein blindwütiger Fanatiker“, sagte Ferris Tucker hinter Hasard. „Einer wie der hätte immer wieder so gehandelt, so und nicht anders.“
Hasard nickte gedankenverloren. Dann besann er sich, richtete sich auf und kümmerte sich um seine vier Männer, denen immer noch die Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Mit dem Parang trennte er ihnen die Stricke auf.
„Rasch“, raunte er dann. „Verschwinden wir. Der Tiger und seine Leute können jeden Moment hier sein.“
„Verdammt“, stieß Carberry dumpf aus. „Ich wundere mich überhaupt, wo die Kerle bleiben.“
„Ich habe da so einen Verdacht“, meinte Dan O’Flynn.
Und Sam Roskill wisperte: „Denkt ihr das gleiche wie ich – oder wie ist das?“
Nichts konnte sie jetzt daran hindern, zu dem schmalen Pfad zurückzukehren, den die Hiebwaffen der malaiischen Piraten in den Dschungel getrieben hatten.
Der Erdboden schien die Freibeuter und die eingeborenen Fischer verschluckt zu haben. Fort waren sie – als hätte es sie nie gegeben.
„Diese Bastarde“, sagte der Profos. „Hauen einfach ab! Sehr heldenhaft haben sich diese Kerle nicht verhalten.“
Hasard rieb sich das Kinn. „Mißtrauisch, wie der Tiger von Malakka ist, hat er wieder einen Trick, eine Falle gewittert. Wäre ich derart argwöhnisch, hätte ich es wohl auch vorgezogen, das Feld zu räumen. Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, daß hier jeden Moment eine spanische Streitmacht auftaucht.“
„Darf ich ganz offen was sagen?“ fragte der Profos. Man sah ihm an, wie geladen er war.
„Nur zu, Ed“, forderte Hasard ihn auf.
„Dieser malaiische Hundesohn hat nicht alle Tassen im Schapp.“
„Wer hat das nicht?“ sagte Dan O’Flynn. Er konnte schon wieder grinsen.
„Also, einen Schlag hat der Kerl bestimmt weg“, unterstützte Blacky nun Carberrys Aussage.
„Trotzdem. Ich bin sicher, daß er weiß, was er will“, erwiderte Hasard. „Los, stehen wir nicht länger herum – kehren wir zur ‚Isabella‘ zurück, ehe die Freibeuter es sich anders überlegen.“
Zwölf Prahos – Hasard dachte die ganze Zeit über daran. Er rechnete damit, daß der Verband des Tigers die „Isabella VIII.“ überfallen würde. Als Hasard und seine sieben Männer jedoch auf den Platz gelangten, auf dem die letzten schwelenden Aschereste von der einstigen Existenz des Hüttendorfes zeugten, konnten sie zur Bucht hinunterblicken – und sie atmeten auf.
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