„Aye, Sir!“ rief Blacky zurück.
„Shane, Sam – noch nicht feuern! Wartet auf mein Zeichen!“
„Aye, aye“, ertönte das grollende Baßorgan des graubärtigen Riesen.
Für das, was auf Hasards Befehl hin geschah, hätte nichts eine dramatischere Kulisse sein können als das glutrote Zackenbild des brennenden Dorfes im zunehmenden Dunkel des Abends. Der Teniente Savero de Almenara, der Sargento, der Batak Siabu, der Feldscher der „Santa Barbara“ und die Soldaten an Land verfolgten fassungslos, wie die „Santissima Madre“ jetzt hoch an den Wind ging und auf Steuerbordbug leicht beschleunigend auf die „San Juan“ und die „Santa Barbara“ zusteuerte.
Es war eine seemännische Meisterleistung. Zwei Männer, Dan O’Flynn und Blacky, dirigierten die schwere Galeone so hart am Nordost durch die Bucht, daß der Rahsegler jeden Augenblick in den Wind zu laufen und das Großsegel zu killen drohte.
Und doch geschah es nicht. Die „Allerheiligste Mutter“ schob sich mit kräuselnder Bugwelle und etwas schräg versetzt mitten zwischen die herumschwenkende „Santa Barbara“ und die halsende „San Juan“. Es passierte in einem Moment, in dem die Besatzungen der beiden Galeonen mit dem Ladevorgang der leergeschossenen Geschütze noch vollauf beschäftigt waren.
Die „Santissima Madre“ zog elegant an den Buggeschützen der „Santa Barbara“ vorbei, befand sich jetzt fast an dem vom Seewolf bestimmten Ziel und verdeckte die „Isabella VIII.“ mit ihrem mächtigen hölzernen Leib.
Fast schien der Kapitän der „Santa Barbara“ zu erschüttert zu sein, um den Feuerbefehl zu geben.
„Feuer!“ tönte es dann jedoch von der „Santa Barbara“ herüber.
Die 9-Pfünder-Buggeschütze donnerten gleichzeitig los, aber ihre Kugeln rasierten der „Santissima Madre“ nur einen Teil des Backbordschanzkleides in Höhe des Quarterdecks weg. Dan O’Flynn duckte sich vor einem wirbelnden Balkenstück. Es taumelte über hin weg und krachte gegen die Querwand der Hütte.
Und schon war die „Santissima Madre“ am Vorsteven der „Santa Barbara“ vorbei, ging nun, während Blacky in aller Eile das Großsegel aufgeite, tatsächlich in den Wind und glitt mit verringerter Fahrt in die Schußrichtung der Backbordgeschütze der „Santa Barbara“ und der Steuerbordbatterie der „San Juan“.
An Bord der „San Juan“ wurde das Nachladen gerade zu Ende vollzogen. Einzig die Backbordkanonen der „Santa Barbara“ waren einsatzbereit – gegen das eigene Flaggschiff.
„Allmächtiger“, stöhnte der Teniente de Almenara. „Das darf doch nicht wahr sein. Der Comandante befindet sich noch an Bord der ‚Santissima Madre‘, und unsere Leute sind gezwungen, ihn mit zu töten, wenn sie …“
„Si, Teniente“, sagte der Feldscher der „Santa Barbara“. „Sie müssen die ‚Allerheiligste Mutter‘ zusammenschießen, und unser Comandante wird als Held für das Vaterland fallen.“
Der Batak hob plötzlich den unverletzten Arm und wies zur Bucht. „Da, seht doch – das Boot!“
Ja, da war es wahrhaftig, das Beiboot, das de Almenaras Boten zum Flaggschiff hatte befördern sollen. Vier Tote lagen über den Duchten. Der verwundete Mann, der wie ein Verrückter pullte, entpuppte sich als der Melder.
„El Lobo del Mar!“ schrie er wie von Sinnen. „Der Seewolf!“ Diesen Namen hatte ihm der Ausguck der „Santissima Madre“ zugerufen, bevor er im Kampf gegen die Feinde auf die Planken der Kuhl gesunken war.
„Der Seewolf.“ Der Teniente spürte, wie ihm schwindlig wurde. Spaniens meistgehaßter Feind – hier! Fast erschien es ihm zu ungeheuerlich. Dann aber faßte er sich. Er dachte an die Belohnung, die Philipp II. für die Ergreifung des Seewolfs ausgesetzt hatte.
„Zu den Waffen!“ schrie de Almenara. „Schnappt euch die Musketen, die Arkebusen, ihr Hunde! Wir müssen in den Kampf eingreifen!“
Die anderen musterten ihn etwas verständnislos von der Seite. Als de Almenara jedoch auf die Boote wies, ging ihnen auf, was er vorhatte. Weil die Reichweite der Musketen und Arkebusen von Land aus bis zu den Schiffen nicht groß genug war, wollte der Teniente allen Ernstes die Boote bemannen und zwischen die Galeonen pullen.
Dem Sargento klappte der Unterkiefer herunter. Dem Feldscher wurde es in der Kniegegend weich, und selbst der Batak, ein harter Naturmensch, verspürte Furcht vor diesem Himmelfahrtskommando.
Die „Santissima Madre“ lag inzwischen auf gleicher Höhe mit der „Santa Barbara“ und der „San Juan“. Gerade hatten die beiden Galeonen so weit gewendet, daß sie sich praktisch auf entgegengesetztem Parallelkurs zu ihrem Flaggschiff befanden.
„Feuer!“ brüllte der Kapitän der „Santa Barbara“ wieder – und die Backbordbatterie seines Dreimasters spuckte ihre tödliche Ladung aus.
Gleich darauf rasten die 17-Pfünder-Kugeln von beiden Seiten der „Santissima Madre“ los. Sam Roskill und Big Old Shane hetzten wie die Teufel über die Kuhl und zündeten eine Kanone nach der anderen.
Hasard unternahm inzwischen das gleiche auf dem unteren Geschützdeck. Er mußte abbrechen, als auf die schlecht gezielte Backbordbreitseite der „Santa Barbara“ hin jetzt eine vortrefflich gezielte Steuerbordbreitseite der „San Juan“ auf das Flaggschiff einhämmerte. Plötzlich brach die Bordwand ein, Feuer und Rauch traten durch die Bresche und mischten sich mit dem beißenden Pulverqualm der von Hasard in Betrieb gesetzten Geschütze. Ein Inferno entwickelte sich unter den niedrigen Deckenbalken. Hasard konnte in diesem Moment nur eins tun – sich hinwerfen.
Die „Santissima Madre“ schaukelte wild hin und her: Hasard befürchtete, daß sich eins der Geschütze aus den Brooktauen lösen könnte. Wenn das geschah, lief er Gefahr, zerquetscht zu werden.
Aber er hatte Glück. Der Lärm verhallte, und die „Santissima Madre“, die mit stark reduzierter Geschwindigkeit auf das Inselufer zuhielt, geriet in eine ruhigere Position zurück.
Groß klaffte das Loch in der Bordwand, aber es lief kaum Wasser durch das Leck herein, dafür saß es zu hoch. Mit einem grimmigen Ausdruck auf den Zügen richtete der Seewolf sich wieder auf. Er entfachte eine Lunte, setzte seinen Weg durch das Schiffsinnere fort, und wieder begannen die Kanonen der „Santissima Madre“ zu sprechen.
Auf der Kuhl zündeten Sam und Shane die letzten, randvoll geladenen Geschütze.
Zum exakten Zielen blieb kaum Zeit, so daß etwa die Hälfte des Beschusses wirkungslos im Wasser der Bucht verpuffte. Die anderen Kugeln jedoch saßen – sowohl auf der „Santa Barbara“ als auch auf der „San Juan“.
Die „Isabella“ war dank Hasards verwegenem Einsatz der von achtern anrückenden „San Juan“ davongesegelt und hatte alle drei Schiffe passiert. Ben Brightons Kommandorufe hallten im Einklang mit Carberrys Gebrüll. Die große Galeone ging über Stag, fuhr auf diese Art einen Kreuzschlag und steuerte mit neuem, westlichem Kurs hart an der „Santa Barbara“ vorbei auf die Insel zu.
Der Teniente Savero de Almenara und die ihm zugeteilten Männer waren gerade in die Boote geklettert und schickten sich an, loszupullen, da stiegen Feuerzungen von der heranrauschenden „Isabella“ auf.
„Brandpfeile!“ schrie der Sargento. „Die gelten uns!“
„Schweig, du Hasenfuß!“ brüllte der Teniente außer sich vor Wut zurück. Es war unvorstellbar, wie sich seine Landsleute von der um sich greifenden Panik packen ließen. „Die Pfeile zielen auf die ‚Santa Barbara‘“, schrie er wild. „Und jetzt pullt, ihr elenden Bastarde, ihr Hur …“
Das letzte Wort blieb ihm im Halse stecken, denn er stellte zu seinem Entsetzen fest, daß er sich geirrt hatte. Zischend fuhr der erste Brandpfeil auf sie nieder – auf sein Boot! Ein Fanal rammte sich wie eine himmlische Mahnung zwischen die Duchten und leckte an den Beinen von zwei Soldaten hoch. Ein mehrstimmiger Schrei gellte über die Bucht.
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