Er wollte es partout nicht wahrhaben, daß er noch einmal Vater wurde, wie Mary verzweifelt feststellte. Der eigensinnige Kerl stritt einfach alles ab. Es war zum Verzweifeln mit ihm. Da fiel kein liebes Wort, da war kein stolzes Lächeln. Stur und eigensinnig beharrte er darauf, daß er nicht Vater wurde.
Mary schniefte ein wenig. Sie ging nach unten in die Pantry, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, und ließ ihn allein neben der Pantry stehen.
Voller Wut nahm sie einen Kochtopf vom Haken und knallte ihn auf die Planken der kleinen Anrichte. Es schepperte und dröhnte.
Old O’Flynn blieb auf beiden Ohren taub. Er war schon wieder am Rechnen, wie viele Pfähle er brauchte.
Als Mary nach einer Weile wieder an Deck erschien, hatte sie die große Bratpfanne in der Hand, hievte eine Pütz Wasser hoch und begann die Pfanne zu schrubben. Old O’Flynn kriegte nur einen äußerst giftigen Blick ab.
Während sie emsig an der Pfanne herumschrubbte, blickte Old Donegal mißmutig über das Wasser. Seine Laune war dahin, er brummelte etwas in seine Bartstoppeln.
„Na, hast du jetzt alles überdacht?“ fragte Mary leise. „Kann man wieder mit dir reden?“
„Mit mir kann man überhaupt nicht reden“, knirschte Donegal sauer. „Schon gar nicht über Vaterfreuden und so ’n Scheiß, weil ich nämlich zu alt dazu bin.“
Mary nahm einen neuen Anlauf, aber der alte Zausel hatte jetzt ausgesprochen schlechte Laune.
Mit sanft klingender Stimme sagte sie: „Es ist aber so, Donegal. Das kommt für dich vielleicht unerwartet, und du mußt damit erst fertig werden.“
„Ich bin schon fertig!“ brüllte Old O’Flynn. „Nämlich mit Gott, der Welt und allem anderen.“
„Kann ich verstehen, überhaupt wenn ich dein Gesicht betrachte. Das sieht aus wie der erste Wagen einer Geisterbahn!“
Vorn am Bug bedauerte der Bootsmann Martin lebhaft, daß er nicht mehr weiterkonnte. Am liebsten hätte er sich verdrückt, denn jetzt ging der Zirkus offenbar wieder von vorn los. So nahm er den Schwabber und benäßte hingebungsvoll und grinsend die Galionsfigur am Bug.
Das mit der Geisterbahn ging dem Alten doch merklich auf die Nerven. Er war stocksauer, denn damit hatte ihm die Snugglemouse ein hartes Ding verpaßt.
„Vielleicht wird das auch ein Geist, von dem du dauernd quatschst!“ schrie er mit knallrotem Schädel. „Ein heiliger Geist, was? Aber was immer das auch wird, ich bin jedenfalls nicht der Vater. Weiß der Satan, wer das war!“
Mary glaubte, sich verhört zu haben. Ihr Gesicht wurde hart und wild. Jetzt verstieg sich Donegal sogar noch dazu, seine Vaterschaft zu leugnen oder anzuzweifeln. Das war zuviel des Guten. Das hätte er nie und nimmer sagen dürfen. Ihr Temperament ging mit ihr durch. Auch sie war jetzt knallrot angelaufen.
„Sag das noch einmal!“ fauchte sie wild.
„Das sag’ ich noch hundertmal!“ keifte Old O’Flynn. „Tausendmal sag’ ich das sogar – und noch mehr, wenn’s sein muß!“
„Und das ist dein voller Ernst, Mister O’Flynn?“
„Mein voller Ernst ist das.“
Da explodierte die rothaarige Frau mit der Reibeisenstimme. In wilder jäher Wut hob sie die Eisenpfanne und knallte sie Old O’Flynn kraftvoll über den Schädel.
Es donnerte so laut, als sei ein Gong geschlagen worden. Martin Correa zuckte so heftig zusammen, als hätte das Ding ihn getroffen.
„So, das ist dein Geist!“ schrie Mary.
Aber das hörte Old O’Flynn kaum noch. In seinem Schädel fand eine bestialisch laute Detonation statt, und dann flogen Millionen bunter Sternchen an ihm vorbei, eins feuriger und farbiger als das andere.
Er wankte und wackelte und setzte sich dann total benommen auf die Planken. Die Welt bestand nur noch aus einem vielfältigen Reigen buntschillernder Dinger, die ihn pausenlos umkreisten.
Mary schmiß wütend die Bratpfanne hin, schluchzte laut auf und verschwand schniefend in der Pantry. Hinter sich donnerte sie das Schott zu, daß es durch die ganze Karavelle dröhnte. Dann schloß sie auch noch ab, wobei sie wieder laut schluchzte.
Old O’Flynn hockte inzwischen wie benebelt auf den Planken und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er hörte immer noch das laute Dröhnen der Bratpfanne, und ihm war, als schlage seine bessere Ehehälfte erneut damit zu. Die ganze Welt wackelte und wankte, als er versuchte aufzustehen. Aber das war nicht ganz einfach, er griff ständig haltsuchend um sich.
Martin wollte ihm zuerst zu Hilfe eilen, aber dann ließ er es lieber bleiben. Er hatte da so seine Erfahrungen mit den O’Flynns.
Die faßten das vielleicht als Einmischung in ihr Eheleben auf, und dann donnerte ihm die resolute Mary vielleicht auch noch eine Bratpfanne auf den Schädel.
Am besten war, er tat so, als hätte er von dem ganzen Drama nichts mitgekriegt. Dann war ihm auch die Peinlichkeit erspart, als Zeuge dabeigewesen zu sein. Aber das Grinsen konnte er sich trotzdem nicht verkneifen.
War ja mal wieder ein feiner Ehekrach, dachte er, und die rothaarige Mary hatte es dem alten Rauhbein höllisch gegeben. Er hatte nur nicht genau gehört, um was es eigentlich gegangen war. Nur von „Vater“ hatte er etwas verstanden und daß alle beide außerordentlich giftig waren.
Old O’Flynn war jetzt endlich auf den Beinen. Er schwankte wie ein Rohr im Wind und griff an seinen Schädel.
Ah, da wuchs etwas unter seiner Hand, das so groß wurde wie der in seiner Phantasie wachsende Pfahlbau der Pinte. Himmel, tat das weh! Sein ganzes Gesicht war zerknittert – und dann diese Sterne! Gerade raste wieder ein Komet vorbei, der zischend ins Meer schlug.
Der Alte wackelte ächzend und wie betrunken über Deck und schwankte von einer Seite zur anderen. Er sah wirklich aus, als hätte er randvoll geladen.
Nur weg, dachte er mühsam, sonst flog ihm noch so ein Ding an den Schädel. Mary war darin recht großzügig. Auf Tortuga hatte sie ihm in Diegos Kneipe auch einen Bierhumpen auf den Schädel gedonnert, als er mit ihr anbändeln wollte.
Verflixt, die hatte vielleicht einen Schlag drauf!
Mit glasigen Augen wackelte er weiter. Er wußte kaum noch, was er tat, er wollte nur fort, zum Auslüften, damit er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
Schnaufend astete er sich voran, wo längsseits die Jolle vertäut lag. Sie verschwamm ständig vor seinen dösigen Blicken und tanzte auf und nieder.
„Halt doch mal an“, brummte er.
Er warf keinen Blick mehr zurück, aber er war immer noch stocksauer. Und wenn er mit schmerzverzerrtem Gesicht nach seinem Schädel tastete, dann wurde ihm angst und bange. Da wuchs ein Horn in die Höhe, das bis in den Himmel zu streben schien. Meilenweit mußte man das Horn sehen können.
„Verdammt, verdammt“, brummte er torkelnd. „Das hat aber gesessen. Väterchen, was?“ brabbelte er weiter. „Daß mich dieser und jener hole, zum Teufel.“
Leise ächzend und vor sich hin schimpfend, enterte er total dösig in die Jolle, ergriff die Riemen und paddelte los wie einer, der zum ersten Male eine Jolle durchs Wasser karrt.
Etwas später erreichte er das Land. Ohne rechts oder links zu blicken, verschwand Old O’Flynn im Ufergestrüpp auf der Südseite der Insel.
Seitdem blieb er für längere Zeit verschollen.
In der Pantry aber stand Mary. Sie schluchzte leise und vergoß ein paar Tränen, aber es waren Tränen der Wut und des Ärgers.
„Dieser Scheißkerl!“ schluchzte sie vor sich hin. „Der begreift überhaupt nichts. Der freut sich nicht einmal und spuckt gleich Gift und Galle, weil er Vater wird.“
Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen ab.
„Na warte, Mister O’Flynn“, flüsterte sie, „dich werde ich schon hoch auf Trab bringen, bis du jubelst, daß deine Sippe um ein weiteres O’Flynnchen vermehrt wird. Das bringe ich dir noch bei, Mister!“
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