Ehe er die Heilungsräume aufsuchte, hatten die Ärzte Todd Callaghan aus Coeur d’Alene in Idaho nur noch eine sehr geringe Lebenserwartung eingeräumt, da er an einem äußerst seltenen genetischen Defekt litt. Seit aber regelmäßig für ihn gebetet werde, sagt er, seien die Schmerzen deutlich zurückgegangen. Mehrere krebsartige Geschwüre seien vollständig verschwunden oder zumindest geschrumpft. „Es hat mein Leben total verändert. Ich weiß nicht, ob ich sonst noch am Leben wäre.“
Zur Zeit sind die Heilungsräume vier Tage in der Woche geöffnet. Die acht separaten Räume werden von jeweils drei Mitarbeitern betreut, die Besucher empfangen und für sie beten. An den Wänden hängen Berichte über Heilungen. „Wir beten für die Einzelnen so lange, wie es nötig ist“, sagt Pierce. „Viele wurden sozusagen auch schon ‚im Gehen‘ geheilt.“
2 Der Ursprung der Last: Davids Herz
Oft werde ich gefragt, wie es überhaupt dazu kam, dass ich den Ruf verspürte, die Heilungsräume wieder zu eröffnen. Ich muss dann zugeben, dass dieser Ruf eigentlich nicht in meinem eigenen Herzen begann, sondern im Herzen von David, unserem jüngsten Sohn.
Als David sieben Jahre alt war, stellten die Ärzte bei ihm eine gewisse Form von Muskelschwund (Muskeldystrophie Duchenne) fest. Bei dieser Krankheit wird das gesunde Muskelgewebe immer schwächer und auch immer weniger. Duchenne tritt dabei hauptsächlich bei Kindern auf, und die davon Betroffenen erreichen das Erwachsenenalter meist nicht. Mit zehn Jahren war David bereits an den Rollstuhl gebunden und benötigte für die meisten täglichen Verrichtungen unsere Hilfe.
Michelle und ich teilten uns die dadurch anfallende Arbeit auf. So war es zum Beispiel ihre Aufgabe, David morgens zu wecken und für die Schule vorzubereiten, während ich ihn abends zu Bett brachte. Er hatte einen elektrischen Rollstuhl, sodass er sowohl in der Schule als auch zu Hause mobil war. Nachts wechselten wir uns damit ab, alle zwei Stunden aufzustehen, um ihn neu zu lagern, damit er sich nicht wund lag. Als er sechzehn war, konnte David nur noch seinen Hände und seinen Kopf bewegen.
Je schlechter sein körperlicher Zustand wurde, desto hungriger wurde David allerdings nach Gott. Das ist besonders deshalb interessant, weil meine Frau und ich zu dieser Zeit in einer religiösen Routine steckengeblieben waren. Wir waren zwar Christen, brannten aber nicht sonderlich für den Herrn, und wir beteten auch nicht so, wie wir es hätten tun sollen. Sonntagmorgens besuchten wir regelmäßig den Gottesdienst und nahmen auch David mit, aber an weiteren Veranstaltungen hatten wir kein Interesse. Mit einem Mal aber wollte David in jeden Gottesdienst gehen. Er wollte weder den Gottesdienst am Sonntagabend noch den Jugendgottesdienst verpassen. Ich lud ihn dann immer in unseren Kleinbus und setzte ihn in der Gemeinde ab, ging aber dann einen Kaffee trinken, einkaufen oder einen Spaziergang machen, bis der Gottesdienst vorbei war. Dann holte ich ihn wieder ab, und wir fuhren nach Hause.
Davids Begeisterung für Gott nahm schließlich solche Ausmaße an, dass er mich jeden Abend in sein Zimmer rief, weil er wollte, dass ich ihm half, seine Bibel zu lesen. Ich hatte ihm einen Spezialtisch gebaut, unter den er seinen Rollstuhl fahren konnte. Sobald er bereit war, half ich ihm, seine Arme und Hände auf den Tisch zu legen. Dann platzierte ich die Bibel so zwischen seine Hände, dass er selbstständig umblättern konnte. Die nächsten Stunden saß er dann da und studierte die Bibel.
Hatte David dann zwei oder mehr Stunden in seiner Bibel gelesen, fing er an zu beten. Wir ließen seine Tür immer einen Spalt offen, damit wir ihn hören konnten, falls er etwas brauchte. Kam ich im Verlauf des Abends ab und zu auf dem Weg vom Fernseher zur Toilette an seinem Zimmer vorbei, hörte ich ihn immer wieder beten. Er betete dabei stets für andere: für Amerika, für seine Klassenkameraden, für unsere Nachbarn und für uns, seine Eltern und Geschwister. David hatte ein Herz für Menschen, die verletzt waren. Er konnte ihre Not spüren.
Immer wenn ich ihn so beten hörte, brach es mir das Herz. Weshalb kannte ich Gott nicht so, wie mein Sohn ihn kannte? Er hatte solch ein leidenschaftliches Verlangen nach den Dingen Gottes. Weshalb war es bei mir nicht so? Er hätte auch andere Dinge tun können, aber das war, was er wollte. Ja, das war sogar das Einzige , was er wollte. Gott besser kennenzulernen, war sein alleiniger Herzenswunsch. An etwas anderem hatte er keinerlei Interesse. Nicht einmal seine eigene Krankheit interessierte ihn. Sie zehrte ihn nicht auf, wie das bei vielen Kranken der Fall ist. Er war vollständig von seiner Leidenschaft für Gott in Beschlag genommen.
Wenn ich manchmal etwas später zur Arbeit ging und an seiner Schule vorbeifuhr, konnte ich David und seine Klassenkameraden auf dem Schulhof sehen. Die meisten Kinder waren mit Spielen beschäftigt, aber David saß immer allein in seinem Rollstuhl vor der Turnhalle. Der Gedanke, dass mein Sohn sich nicht an den Spielen der anderen Kinder beteiligen konnte, war für mich schwer zu ertragen. Aber aus Davids Sicht war das überhaupt nicht schlimm. Wenn er so allein für sich war, konnte er mit dem Herrn reden. Es war sehr schwierig für mich, seine Gedankengänge nachzuvollziehen, aber durch seine tiefe Hingabe an Gott wurde mein eigenes Herz überführt.
Wir hatten eine große Sonnenterrasse, die sich rings um unser Haus zog, sodass David mit seinem Rollstuhl ins Freie fahren konnte, wenn es das Wetter zuließ. Wir konnten dann hören, wie er draußen hin und her fuhr und mit Gott redete.
Eines Abends hörten meine Frau und ich ihn weinen und wir eilten zu ihm. Er kam in den Korridor gerollt. „Was ist los?“ fragten wir. Er schluchzte, er habe einen schlechten Gedanken gehabt, und es war offensichtlich, dass ihm dies das Herz gebrochen hatte. Dieses aufrichtige Bekenntnis traf mich wie ein Hammer. Ich hatte viele schlechte Gedanken, aber mein Herz war so verhärtet, dass mich das überhaupt nicht mehr berührte. David liebte Jesus so sehr, dass ihn schon ein einziger schlechter Gedanke völlig aus der Fassung brachte. Ich war über mich selbst beschämt.
Einmal fragten wir David: „Wenn du dir etwas wünschen könntest, was wäre das?“ Ich war mir sicher, er würde sagen, er würde gerne wie die anderen Kinder aufstehen, gehen und all die Dinge tun können, die sie taten. Das wäre für jeden Jungen in Davids Alter normal gewesen. Aber er antwortete nicht vorschnell. Er blickte zur Decke und verharrte so ein paar Minuten; ganz offensichtlich prüfte er seine Seele, um die richtige Antwort zu geben. Als er schließlich antwortete, waren wir beide verdutzt. „Nichts!“, sagte er.
Ich traute meinen Ohren kaum. Mein Sohn, der praktisch hilflos war und nicht mehr viel vom Leben zu erwarten hatte, verspürte keinen Mangel an irgendetwas. Wie konnte das sein? Ich dachte an alles, was ich für mich selbst wollte, und an die vielen Dinge, um die ich vielleicht gebeten hätte, hätte ich diese Gelegenheit gehabt. Aber David war so erfüllt von der Erkenntnis Jesu und seiner Liebe zu ihm, dass er sonst nichts weiter brauchte. Wie unbegreiflich!
Ab dem siebten Schuljahr handelten alle Aufsätze, die David für die Schule schrieb, von Jesus. Jesus war sein Leben, und alles, was er tat, drehte sich um den Herrn.
1989 wollte David dann eine Zeit lang jeden Abend noch etwas länger aufbleiben, weil er mehr beten wollte. Obwohl er am anderen Tag zur Schule musste, wollte er diese Zeit immer länger ausdehnen. „Kann ich nicht noch ein bisschen aufbleiben?“, bat er mich dann immer. Ich glaube, er hätte auch die ganze Nacht durch gebetet, wenn ich ihn gelassen hätte; aber eine halbe Stunde vor Mitternacht bestand ich dann darauf, er brauche auch etwas Schlaf, um am nächsten Tag zur Schule gehen zu können. Nur widerwillig gab er nach.
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