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Kryll, der junge König von Pragan ist ohne Macht. Sein Reich ist mehr oder weniger auseinandergefallen und wird von außen bedroht. Da bietet der geheimnisvolle Namenlose, eine düstere, von einer Kutte verhüllte Gestalt, die eine monströse Streitaxt mit sich führt, dem jungen König seine Hilfe an. Der Namenlose behauptet, ein Diener des Schattenlandes zu sein und verspricht ihm Hilfe durch die Schattenkrieger, deren Arme nie erlahmen. Viel zu spät bemerkt Kryll, dass er längst ein Spielball jener Kräfte geworden ist, die er selbst gerufen hat... Und so vollzieht sich im Verlauf der Handlung eine doppelte Wandlung: Kryll wird immer mehr zu einer Kreatur des Schattenlandes, während sich der Namenlose mehr und mehr seiner verschütteten Menschlichkeit erinnert.
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"Es war im Jahre 7462 nach Gründung der Stadt Ilkyn, als Kryll von Arkull den Thron von Pragan, dem großen Inselreich im Norden, bestieg. Die hohen praganischen Lords hatten Kryll auf ihrer Versammlung in Wallana zum Nachfolger ihres Königs Hangi gewählt, der in seiner Heimatstadt Thront einem Giftattentat zum Opfer gefallen war. Die Mehrzahl der Lords vermutete, dass die Drahtzieher dieses Anschlags im Königreich Remur zu suchen waren, aber dies konnte nie bewiesen werden.
Der Thron von Pragan war keine leichte Aufgabe, denn das Land war arm. Auf der von einem rauen, kalten Klima gezeichneten Insel konnte man kaum etwas anbauen. So mussten die Praganier oft Raubzüge unternehmen, welche sie vor allem nach Remur, Naru und Dagarien führten. Die praganischen Schiffe waren die Schrecken der Meere und natürlich trugen sie nicht zu guten Beziehungen mit den Nachbarländern bei..."
(Aus der GESCHICHTE DER WELT, einem Werk des Geschichtsschreibers Yulariz aus Kroz Dor)
Wild donnerte die Brandung gegen die Felsen, auf denen Burg Arkull errichtet war.
Kryll, der neue König von Pragan, hatte es abgelehnt, seine Residenz in die Landeshauptstadt Wallana zu verlegen. Er wollte auf seiner Heimatburg bleiben.
Die Sonne stand schon tief am Horizont, als die kleine Gruppe von Reitern sich der Burg näherte. Es waren alles schwerbewaffnete Krieger, die in fremdartige Gewänder gehüllt waren. Kunstvolle Ornamente zierten ihre Rüstungen.
"Herr!", sagte einer der Männer zu dem offensichtlichen Anführer der Gruppe. "Herr, der Karte nach muss dies Burg Arkull sein!"
"Ja", kam die missmutige Antwort.
"Graf Yakurul, ich schlage vor, dass wir jemanden vorausschicken, der unsere Ankunft ankündigt!"
Der Graf drehte sich zu dem Sprecher herum.
"Ich glaube kaum, dass dies nötig sein wird, Lirahat!"
"Vielleicht lauert in diesem alten Gemäuer eine Falle", erklärte Lirahat jetzt in gedämpftem Tonfall.
Die Züge Yakuruls veränderten sich.
"Niemand würde es wagen, den Botschafter und Vertrauten des Königs von Remur anzugreifen! Nicht einmal Kryll von Arkull ist so eine verwegene Tat zuzutrauen!"
"Die Praganier haben schon ganz andere Dinge gewagt! Wyllck, Kruss, Doban, Kenun - fast jede unserer großen Küstenstädte ist schon von praganischen Piraten angegriffen worden! Ihre Schiffe will man seit einiger Zeit auch an den Küsten von Kroz und Lukkare gesichtet haben. Seit auf der Hut, Herr! Die Praganier gehören zum Hinterlistigsten, was die Götter geschaffen haben!"
Yakurul schüttelte trotz allem den Kopf.
"Wir sind in Sichtweite der Burg, Lirahat. Wenn man uns etwas hätte tun wollen, dann wäre das schon längst geschehen."
Lirahat wagte es nicht, dem Grafen ein weiteres Mal zu widersprechen. Doch ihm war anzusehen, dass er mit dessen Ansichten nicht übereinstimmte.
"Die Burg sieht wirklich sehr alt aus", meinte eine der anderen Männer fast ehrfürchtig.
Und jemand anderes setzte hinzu: "Seit über 500 Jahren residieren hier die Lords von Arkull!"
Diese Burg musste wirklich schon seit Urzeiten hier stehen, dachte Yakurul.
Und doch machten ihre massiven Mauern einem sofort klar, dass sie einem Angriff ohne Weiteres standzuhalten vermochte.
Einige wenige Wachen patrouillierten hinter der Brustwehr auf und ab.
Der Reitertrupp kam jetzt den schmalen Felspfad empor, der zum Burgtor führte.
Sie erreichten den Burggraben, über den nur die im Augenblick hochgezogene Zugbrücke führte. Der Graben war nichts anderes, als eine Spalte im Fels - aber er erfüllte seinen Zweck nur zu gut.
Yakurul wagte es nicht, hinab in den Abgrund zu schauen. Stattdessen hob er den Kopf.
"Lasst die Brücke herunter und macht das Tor auf!", rief der Graf.
Eine Wache blickte über die Brüstung.
"Wer seid Ihr?"
Der Ton war misstrauisch, aber nicht unfreundlich.
"Ich bin Graf Yakurul, der Botschafter des Königs von Remur. Ich muss mit Eurem König sprechen!"
Der Wächter nickte.
"Ich werde den König fragen, ob er Euch Einlass gewährt, Graf!" Damit war er dann verschwunden.
"Vielleicht ruft er nur seine Leute zusammen, um uns gefangenzunehmen", raunte Lirahat.
"Wir müssen abwarten!", zischte der Graf ungehalten. Er klopfte den Nacken seines Pferdes. "Zu viel Misstrauen kann schaden, mein Freund!"
"Aber wenn man zu wenig davon hat, kann das zuweilen tödlich sein, Graf Yakurul", erwiderte Lirahat.
Der Graf wollte etwas entgegnen, doch kam in diesem Moment der Wächter zurück.
"Der König erlaubt Euch, in der Burg zu verweilen! Ihr seid seine Gäste! Ich werde nun die Brücke hinunterlassen!"
"Richtet Eurem König aus, wie dankbar ich ihm bin!", rief Yakurul dem Wächter zu.
Doch dieser war bereits wieder verschwunden.
Knarrend und ächzend, mit lautem Stöhnen und Quietschen, kam nun die Zugbrücke herab.
Als sie unten war, ging das Tor auf.
Yakurul erschien die Brücke als reichlich morsch und ihm war im ersten Moment nicht wohl bei dem Gedanken, sie überqueren zu müssen.
Die Brücke ächzte zwar bedenklich, als der Graf sie mit seinem Gefolge passierte, aber sie hielt.
Dann erreichten sie den Burghof, der auf Yakurul jetzt größer wirkte, als er von außen vermutet hatte.
"Jetzt werden wir sehen, ob es sich nicht doch um eine Falle handelt", wisperte Lirahat in remurischer Sprache, damit die Praganier nichts mitbekamen. Der Graf erwiderte nichts.
Merkwürdig, dachte er, von innen sieht Burg Arkull gar nicht so verfallen und ruinenhaft aus. Der äußere Anschein trog, daran gab es keinen Zweifel.
Ein Knecht half dem Grafen geschickt aus dem Sattel.
"Um Euer Pferd kümmern wir uns! Ebenso um die Pferde derer, die mit Euch gekommen sind!"
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