Was sind also sinnstiftende Maßnahmen, welche die Identifikation nachhaltig erhöhen? Dazu ist es notwendig, die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe genauer zu hinterfragen. In der Babyboomer-Generation wurde die Sinnfrage, warum man arbeitet, mit der Aussage, „um Geld zu verdienen und damit den Lebensunterhalt zu bestreiten“, meist schon zufriedenstellend beantwortet. Bei den Millennials, der Generation der Erben, reicht das monatliche Gehalt bei Weitem nicht aus, um Bestleistungen abzurufen. Auf die verschiedenen Möglichkeiten, Mitarbeiter intrinsisch zu motivieren und ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, werde ich im Kapitel „Führen nach dem L.I.K.E.-Prinzip“ konkreter eingehen.
Ist die Identifikation des Mitarbeiters für das Unternehmen oder für seine Tätigkeit hoch genug, nimmt sich der Mitarbeiter selbst als Teil der Firma wahr. Es entsteht ein Wir-Gefühl, die Ich-AG wird zur Wir-AG, geprägt von einem starken Miteinander und einer überdurchschnittlich hohen Bindung zum Betrieb. Gelingt es außerdem, dass die Belegschaft die Ziele des Unternehmens übernimmt und zu ihren persönlichen Zielen macht, entsteht hohes Engagement bei gleichzeitig hohem Verantwortungsbewusstsein. Aus einem Team wird ein Dreamteam, das sich gegenseitig motiviert und zu Bestleistungen anspornt.
Im Vordergrund steht die Identifikation mit der Aufgabe und nicht so sehr mit dem Arbeitgeber. Auch wenn es auf den ersten Blick kongruent erscheinen mag, so besteht dennoch ein erheblicher Unterschied darin, ob sich ein Mitarbeiter nur mit seiner Aufgabe oder mit dem Unternehmen als Ganzes identifiziert. Ist jemand aufgrund seiner hohen sozialen Kompetenz im Pflegedienst tätig, kann es durchaus sein, dass er für seinen Beruf eine echte Leidenschaft entwickelt, insbesondere wenn er von seinen Patienten eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Das heißt aber noch lange nicht, dass er sich mit der Krankenanstalt oder mit den Zielen dieses Gesundheitsträgers vollumfänglich identifiziert. Patienten kann er in einer anderen Pflegeeinrichtung ebenfalls zufriedenstellen und ein Wechsel zum Mitbewerber ist rasch vollzogen, wenn ihm dieser ein attraktiveres Gehalt oder flexiblere Arbeitszeiten bietet. Mitarbeiter können ihren Traumjob gefunden haben, ohne dass sie eine Bindung zum Arbeitgeber entwickeln. Ein Versäumnis der Führungskräfte, das teuer werden kann.
Hat eine hohe Identifikation ausschließlich Vorteile? Der „War for Talents“ ist voll im Gang. Das Buhlen um die Gunst der hellsten Köpfe ist überall spürbar. In manchen technischen Berufen werden bereits für Lehrlinge aufgrund des akuten Facharbeitermangels Einstiegsprämien bezahlt. Sich als attraktiver Arbeitgeber am Markt zu präsentieren, ist zur Überlebensfrage geworden. Ganz neue Geschäftsmodelle wie zum Beispiel „Great place to work“ sind daraus entstanden, und Internetplattformen wie Kununu erfreuen sich größter Beliebtheit. Wir sprechen in der Zwischenzeit von einem Arbeitnehmer Markt, wo sich gut ausgebildete Mitarbeiter ihren Arbeitgeber aussuchen können. Im Future Dom der Fill Gesellschaft m.b.H. in Gurten versammeln sich jährlich beim Employer Branding Forum über 400 Firmenchefs und Personalisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum, um zu erfahren, was die neuesten Trends im Bereich Arbeitgebermarke sind. Vom professionellen Onboarding der Mitarbeiter über zeitgemäße Entlohnungsmodelle mit Incentives bis hin zur perfekten IT-gestützten Kommunikation und reizvollen Zusatzleistungen kann man hier erkunden, was von Talenten am Arbeitsmarkt gerade besonders gefragt ist. Employer Branding ist wohldurchdacht: Die Vorteile einer vollumfänglichen Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sind enorm und vielfältig:
− Fluktuationsrate sinkt
Einen gut ausgebildeten Mitarbeiter zu ersetzen, kostet dem Unternehmen durchschnittlich ein Jahresgehalt. Darin sind aber eine Menge indirekter Kosten (Kundenverlust, Know-how- Verlust, Teamspirit etc.) noch gar nicht eingerechnet. Eine geringe Fluktuationsrate ist immer auch ein Indikator für ein gutes Betriebsklima.
− hohes Commitment
Ist die Identifikation dem Unternehmen gegenüber hoch, steigt auch das Commitment für die Leistungsbereitschaft. Der Wille, die „Extrameile“ zu gehen, ist wesentlich größer. Und oft ist es gerade diese Extrameile, die es braucht, um sich vom Mitbewerber abzuheben und sich am Markt durchzusetzen.
− starker Teamgeist
Mit der Freude am Tun, weil die Arbeit sinnstiftend ist, entsteht ein guter Geist. Das Denken in Lösungen und nicht in Problemen wird gefördert, es entsteht ein Nährboden für gegenseitige Wertschätzung. Einzelne Mitarbeiter wachsen über sich hinaus und kommen in den sogenannten „Flow“. Springt dieser auf die Kollegen über, entsteht ein „kollektiver Flow“ und aus einem Team wird ein Dreamteam.
Spannend ist natürlich auch, sich die Kehrseite der Medaille, die möglichen Nachteile einer hohen Identifikation, anzusehen. Der Fokus der Forschung lag in der Vergangenheit naturgemäß besonders darin, die Vorteile einer hohen Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen abzubilden. In der Tat konnten über diverse Studien aber auch nachvollziehbare Nachteile entlarvt werden:
− mangelnde Flexibilität
Es wurde nachgewiesen, dass in Betrieben mit hoher Identifikation die Bereitschaft zur Veränderung geringer war. Nachdem doch „alles so bleiben soll, wie es ist“, leidet die Innovationskraft. Neue Ideen von außen werden zunächst eher kritisch betrachtet. Weit weg von radikaler Offenheit, welche von den Zukunftsforschern so gepriesen wird, damit die Fragen der Zukunft gelöst werden können.
− geringere Selbstreflexion
Der kritische Blick auf die „heile“ Welt und das konsequente Hinterfragen des eigenen Tuns fehlt in Organisationen mit einem hohen Identifikationsgrad deutlich mehr. Ein hohes Harmoniebedürfnis und die Angst vor Kritik lähmen den Drang, sich stetig weiterzuentwickeln. Weitreichende Fehler von Vorgesetzten werden von der Belegschaft kommentarlos mitgetragen und akzeptiert, auch wenn daraus Nachteile für die Mitarbeiter entstehen könnten.
− Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
Stehen die Unternehmensziele allzu sehr im Mittelpunkt und werden die eigenen Bedürfnisse bis hin zur Selbstaufgabe vernachlässigt, kann dies die innere Balance zum Kippen bringen. Der gesunde Ausgleich zwischen der Verantwortung im Beruf und im Privat- beziehungsweise Familienleben fehlt. Anstatt für die Vision des Unternehmens zu brennen, brennt man selbst innerlich aus.Der Unternehmenserfolg geht auf Kosten der eigenen Gesundheit und der Qualität der Beziehungen. Mittel- und langfristig kommt dies dem Unternehmen teuer zu stehen. Das umsichtige Unternehmen schaut auch auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter.
FAZIT:Den Grad der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gut auszupendeln, zählt zu den herausforderndsten Aufgaben der Unternehmensführung.
Neben den von der Harvard Business School als besonders relevant gewerteten Kompetenzen einer Führungskraft, der Intuition und der Meditation, gibt es natürlich eine Reihe anderer Fähigkeiten, die auf den persönlichen oder beruflichen Erfolg abzielen.
Der Begriff Kompetenz leitet sich vom Lateinischen „competo“ ab, das „zu etwas fähig sein“, „erstreben“, „zusammentreffen“, aber auch „wetteifern“ bedeutet. Traut man jemandem bestimmte Fähigkeiten zu, die in seiner Person zusammentreffen, hält man ihn für kompetent. Kompetenz schafft also Vertrauen. Und Vertrauen ist ein Wert, der auf der Werteskala potenzieller Kunden sehr weit oben steht. Vertrauen gibt einem ein gutes Gefühl. Und genau dieses Gefühl, diesen emotionalen Wert, kann das Internet nicht vermitteln. Gefühle wie Vertrauen, Wertschätzung, Respekt, Achtsamkeit und letztendlich auch Liebe können nicht virtuell vermittelt werden. Das World Wide Web liefert uns unbegrenzt Informationen zu allen nur erdenklichen Themen. Wir können im Netz studieren und vergleichen, wir können recherchieren und überprüfen, und doch treffen wir unsere Entscheidungen zu einem großen Anteil aus einem Gefühl heraus. Die Emotionen sind es, die uns treiben, Reize vermitteln und uns Handeln lassen. Deshalb werden künftig auch die weichen Seiten der Kompetenz, eben die soziale und emotionale Kompetenz, immer mehr gefragt sein.
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