Aber solche Tage sollten die Ausnahme sein, und mein Wunsch für Sie und mich ist es, dass es uns immer besser gelingt, mit uns selbst „rund“ zu sein. Im Folgenden einige Impulse, wie uns das besser gelingen kann.
Vor allem: geliebt!
Es gibt ein Grundgefühl, ein Grundwissen, das eigentlich zu uns Menschen gehört, weil wir in dieses Gefühl hineingeschaffen und hineingeboren wurden. Es ist die ganz tiefe Gewissheit, von Gott, unserem Schöpfer, gewollt und geliebt zu sein, und bei ihm, wie ein Kind bei seinen liebenden Eltern, geborgen zu sein. Leider haben wir dieses Grundgefühl verloren, weil uns entweder das Wissen um Gott und der Glauben an ihn abhanden gekommen sind oder wir ein sehr verzerrtes Bild von diesem Gott haben. Wenn er für uns überhaupt noch existiert, dann allenfalls als theoretisches Gedankengebäude oder humorloser Aufpasser, der uns Menschen mit erhobenem Zeigefinger ein moralisch korrektes, dafür aber langweiliges und farbloses Leben „verpassen“ will.
Aber wenn wir die Bibel als Grundlage für unser Wissen über Gott nehmen, dann wird sehr schnell deutlich, dass es diesem Gott keinesfalls vorrangig um ein mustergültiges Leben seiner Geschöpfe geht, sondern um etwas ganz anderes. Seine wichtigste Botschaft an uns Menschen lautet: „Ich habe jeden Einzelnen von euch geschaffen, ihr seid mir sehr wertvoll, und ich liebe euch von ganzem Herzen. Ich möchte euch in meiner Nähe haben und wünsche mir, dass euer Leben gelingt, dass es farbenfroh und voller Daseinslust ist und dass all das Gute, was ich euch mitgegeben habe, zur vollen Entfaltung kommt!“
Diese Liebeserklärung Gottes gilt auch für Sie ganz persönlich! Gott, der Sie geschaffen hat, macht um Ihr Ich mit Ihrer Persönlichkeit, mit Ihren Begabungen und mit Ihrer Biografie eine dicke Schleife und hängt ein Kärtchen dran mit der Aufschrift: Geliebt, gewollt und sehr wertvoll. Achtung – zerbrechlich!
Lassen Sie sich niemals und von niemandem irgendetwas anderes einreden!
Ihre Person gibt es in dieser einzigartigen Zusammensetzung auf der ganzen Welt nicht noch einmal, und was Sie sehen, wenn Sie auf sich selbst blicken, ist genau so von Gott geliebt. Und zwar bedingungslos. Bedingungslos heißt, dass Gott nicht nur das Gute an Ihnen liebt und den „Rest“ Ihrer Person ablehnt. Nein, Gott liebt uns all inklusive , mit unseren Schwächen, Ecken, Kanten und mit allem Versagen. Das begeistert mich immer wieder.
Das Wissen um diese Liebe ist die beste Voraussetzung, um immer mehr in ein Leben im Einklang mit sich selbst hineinzuwachsen.
Den Schmerz in eine Perle verwandeln
Vielleicht können Sie sich meiner Begeisterung über den Gedanken „Ich bin geliebt“ nicht anschließen, weil in Ihrem Leben Dinge geschehen sind, die diese Liebe äußerst fragwürdig erscheinen lassen. Ich hatte ja kurz etwas von meiner persönlichen Geschichte angedeutet, die phasenweise alles andere als ein Zuckerschlecken war. Solche äußerst schmerzhaften und unverständlichen Zeiten oder Erlebnisse kennen wahrscheinlich die meisten von uns: Plötzlich trifft uns eine schwere Krankheit, wir verlieren unsere Arbeitsstelle oder haben große Probleme am Arbeitsplatz, die Partnerschaft gerät in eine Krise, eines unserer Kinder schert aus und macht große Probleme, ein Elternteil, der Partner oder sogar ein Kind stirbt oder irgendein anderes, nicht vorhersehbares Unglück trifft uns und wir geraten völlig unverschuldet in große Not.
Unser Ich kann durch solche Einbrüche ganz schön ins Schleudern kommen. Und dann fragen wir zu Recht: „Wenn Gott mich liebt, geschaffen und gewollt hat, warum wird mir dann so etwas im Leben zugemutet?“
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich auf diese Frage keine Antwort habe. Jedenfalls keine, die wirklich erklärt und zufriedenstellt. Leiderfahrungen in unserem Leben umgibt immer ein gewisses Mysterium. Schnelle und leichte Antworten sind angesichts der Not mancher Menschen mehr als unangebracht! Manchmal ist es besser zu schweigen oder zuzugeben, dass es Dinge gibt, die wir nicht verstehen und nicht erklären können.
Aber ich habe eines verstanden: Gott ist nicht ein ferner Gott, der irgendwo im Himmel sitzt und teilnahmslos die Strippen zieht, sondern er ist ein Gott, der uns im Leid ganz nahe ist. So nahe, dass er in Jesus auf die Erde gekommen ist und unter uns gelebt hat, um unser Leben und Sterben mit zu durchleben und zu durchleiden. Damit hat er mit seiner Liebe zu uns wirklich ernst gemacht!
Dieser Gedanke kann helfen, aber das letzte „Warum?“ sicher nicht erklären. Weil ich diese Antwort zumindest im Moment nicht finde, aber ein tiefes Vertrauen zu diesem liebenden Gott in mir trage, habe ich irgendwann aufgehört zu fragen: „Warum?“ und angefangen, auch zu dem Schmerz in meinem Leben Ja zu sagen, ihn einfach als zu mir gehörend zu akzeptieren. Sie gehören eben auch zu meinem Ich: die schweren Zeiten, die Krisen und das Unvermögen. In diesem Prozess des Ja-Sagens habe ich dann etwas ganz Erstaunliches entdeckt: Gott kann diesen Schmerz in eine Perle verwandeln.
Die Perle in einer Auster, die wir so sehr schätzen, ist eigentlich aus einer Verletzung entstanden. Irgendein Fremdkörper ist in die Muschel eingedrungen und hat sich in das Fleisch hineingebohrt. Die Auster versucht nun nicht, den Fremdkörper mit aller Macht wieder loszuwerden, sondern sie umschließt ihn, nimmt ihn in sich auf und verwandelt ihn in eine Perle. Ohne dass sie selbst es weiß, ist aus dem Schmerz und der Verletzung etwas sehr Kostbares geworden.
Könnte das vielleicht ein Weg sein, mit den Härten des Lebens, die wir nicht verstehen, umzugehen? Unverständliches nicht abzuwehren, sondern als Bestandteil unseres Ichs zu akzeptieren und zu integrieren? Über schwere Zeiten nicht zu verbittern und hart zu werden, sondern Ja zu sagen? Möglicherweise erleben wir dann, dass unser Leben auch mit – oder gerade wegen – dieser Wunde zu etwas Besonderem heranreift.
Ich glaube, wenn diese Verwandlung vom Schmerz zur Perle gelingt, dann sind wir auf dem Weg zu einem Leben im Einklang mit uns selbst schon sehr weit!
An Schwächen arbeiten
Aber auf dem Weg dorthin geht es auch darum, an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Ja zu sagen zu sich selbst und an sich zu arbeiten schließen einander nicht aus. Ich liebe meine Kinder, sage Ja zu ihnen und habe sie trotzdem erzogen (oder habe es zumindest versucht!).
Als Erwachsene müssen wir uns diese Erziehungsarbeit selbst angedeihen lassen. Wenn wir also merken, dass wir durch bestimmte Anteile in unserem Ich immer wieder stolpern, uns selbst schaden oder andere Menschen verletzen, wird es Zeit, hier einmal genauer hinzuschauen.
Dabei ist es hilfreich, das Thema, um das es geht, so genau wie möglich zu bestimmen und zu benennen. Was ist es genau, was mir da immer wieder zu schaffen macht? Wenn es Altlasten aus der eigenen Biografie sind, wird es nötig sein, das eine oder andere noch einmal anzuschauen und aufzuarbeiten. In den meisten Fällen brauchen wir dafür kompetente Hilfe von außen, aber diese Arbeit lohnt sich allemal.
Sind es Störfaktoren aus unserer Persönlichkeit, werden wir nicht umhinkommen, uns mit einiger Disziplin ein verändertes Verhalten anzueignen. Das kostet Überwindung, denn das, was wir da einüben wollen, geht uns nicht so leicht von der Hand. Ja, häufig ist dieses Neue das Gegenteil von dem, was von unserem Naturell her in uns angelegt ist.
Sie sind vielleicht ein „typischer“ Sanguiniker und merken, dass Sie zwar sehr initiativ und begeisterungsfähig sind, aber dass es bei Ihnen immer wieder an Durchhaltevermögen und Verbindlichkeit fehlt. Dadurch bleibt vieles auf der Strecke, was Sie anfangs voller Elan angepackt haben, und auch andere leiden unter Ihrer Unzuverlässigkeit. Dann gilt es zum Beispiel, die Fähigkeit zu trainieren, dranzubleiben und eine Arbeit auch dann von Anfang bis Ende durchzuführen, wenn der erste Schwung Sie verlassen hat.
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