Ich schlendere ins Schlafzimmer und nehme ein Hemd aus meinem Schrank, dazu ein Jackett. Möbius nannte studierte und emanzipierte Weibsleute noch spöttisch »Gehirndamen«. Nun haben die »Gehirndamen« uns Kerle fest im Griff. Beim Umziehen denke ich darüber nach, was für eine Witzfigur ich bin. Statt Karla zu sagen, dass sie gelinde gesagt einen Schatten hat, kusche ich vor ihr, wie ein gut apportierender Hund. Ein Schoßhund. So einer mit einem Wollpullover für den Winter und mit einer Schleife im Haar. Einer, der bellt wie ein Babyspielzeug, auf das man drückt. Ich bin fertig umgezogen und schaue in den Spiegel. Dabei versuche ich, den Mann in mir zu sehen. Den, der rausgehen würde, Karla ein paar Takte sagt und sie einfach in die Höhle zieht. Oder an den Herd. Stattdessen sehe ich dieses resignierende Etwas. Was haben wir eigentlich mit dieser gesamten Mann- und Fraugeschichte, mit Gendermainstreaming und der übertriebenen Gleichstellungsmache erreicht? Es kommt mir im Moment so vor, als würde mit aller Macht versucht, die Ungleichheit der Geschlechter zu kaschieren. Konsequent zu Ende gedacht, müsste es bereits in Schule und Kindergarten neben der Mädchen- und Jungentoilette eine Tür mit der Aufschrift »Ich weiß es nicht!« geben. Ich glaube, die ganze Sache liegt an uns Männern. Wir müssen uns endlich rückbesinnen. Nicht auf Möbius, um Gottes willen. Ganz einfach nur auf uns. Im Gegensatz zu einem Mann weiß eine Frau, was sie will. Sie plant, sie agiert. Wir reagieren.
Ich gehe jetzt einfach raus und sage ihr meine Meinung. Sage ihr, dass sie keine neuen Klamotten braucht, dass ich ihr die, die sie jetzt anhat, vom Leib reißen und sie dann vernaschen werde. Danach werde ich sie zum Italiener ausführen. Mein Spiegelbild sieht gleich deutlich besser aus. Ich fühle mich wie ein Mann! Derart gestärkt schwinge ich die Tür zum Flur auf, bereit, mich auf meine Beute zu stürzen. Karla sitzt auf dem Sessel und aus ihren Augen treffen mich Laserblitze.
»Wie lange hat das denn gedauert? Jetzt brauchen wir auch nicht mehr los!«
Für Granatsplitter könnte ich töten
Termin beim Verleger. Er sitzt majestätisch in einem Ledersessel, zwischen uns ein überdimensionierter Schreibtisch aus Echtholz in Kolonialoptik. Hinter ihm stehen in wandhohen weißen Regalen Bücher, bei deren Zahl ich mich frage, ob er die alle gelesen hat, oder ob sie bei einem Verlagsmenschen bloße Dekoration sind. Aber der Herr Verleger hat sie wahrscheinlich alle gelesen. Manche zweimal. Bestimmt. Vielleicht kommt er endlich einmal darauf zu sprechen, dass sich meine Titel super entwickeln und er die Tantiemezahlung noch vor Weihnachten anweisen wird. Ich schaue deshalb gebannt zu ihm.
»Jischinski, Jischinski«, lässt er meinen gedoppelten Namen klangvoll im Raum verhallten. Ich habe sofort das ungute Gefühl, dass ich gleich einen Doppelten brauchen werde. Nun legt er die Hände vor sich auf den Tisch und faltet sie wie ein Gläubiger zum Gebet.
»Jischinski! Mit Ihrem Frauen- und Männerzeuch; alles gut und schön. Aber das kauft keine Sau. Die Leute haben schon genug Ärger zu Hause, einen Drachen als Frau, einen Säufer als Mann, sie sind frigide oder impotent oder beides, da braucht niemand dieses Gewäsch, das Sie auch noch mit einer pseudopsychologischen Mixtur anrühren.«
Meine Vorfreude verebbt wie die Erektion eines Impotenten. Er blättert in ein paar Seiten Papier.
»Die Verkaufszahlen unserer Bücher sind schlecht. Ach, was sage ich. Sie sind unterirdisch. Wenn wir Glück haben, können wir alles verramschen und haben wenigstens keinen Totalverlust.«
So war das nicht geplant. Gedanklich hatte ich bereits alle Weihnachtsgeschenke zusammengekauft und es blieb sogar noch etwas für mich übrig. So aber scheint die zehnprozentige Beteiligung am Verkaufspreis meiner Bücher nicht einmal für ein Marzipanbrot zu reichen.
»Und was machen wir nun?«, höre ich mich verzweifelt fragen.
Der Herr Verleger schaut aus dem Fenster, dann zu mir, danach in eine Zeitschrift, die er vor sich aufgeschlagen hat. »Haben Sie sich schon einmal die Bestsellerlisten angeschaut, Jischinski?«
»Nein. Das mache ich ganz bewusst nicht, um mich nicht unter einen kommerziellen Druck setzen zu lassen und dem Mainstream will ich auch nicht blind folgen. Ich will mit meinem Herzen schreiben.«
Er mustert mich wie etwas, das er nach einem carnivorischen Festmahl aus seinen Zahnzwischenräumen pult.
»Jischinski, sind Sie wirklich so naiv? Mit dem Herzen schreiben! Nun hören Sie doch auf! Schauen Sie sich einmal an, was wirklich gelesen wird! Erotik, Kochbücher, Krimis, phantastische Bücher und Tiere. Tiere gehen auch immer. Sie könnten mit Ihrem Psychogedöns was über die Psyche der Hunde schreiben. Oder machen Sie was im Ratgeberbereich. Sport und so. Die Leute werden immer fetter. Was aber kein Wunder ist. Erst kaufen sie sich die Kochbücher und fressen wie blöde, dann geht es in die Lifestyle- und Sportabteilung und als letzte Hoffnung bleibt die Erotik in Gedanken, die sie in einem Heim unter Fetten nicht mehr haben.«
Ich sehe durch ihn hindurch.
»Jischinski? Was ist nun mit Sport und Tieren? Haben Sie da was?«
»Ich könnte mir auch einen Hund zulegen und mit ihm Synchronschwanzwedeln üben. Wenn ich dann noch schreibe, dass mir das dabei hilft, meine Komplexe zu verarbeiten, mit Frauen zu kommunizieren, könnte das was werden.«
Der Verleger schaut nachdenklich an die Decke. »Hört sich interessant an. Können Sie auch Krimis?«
»Ich habe da schon länger eine Idee. Ein Gera-Krimi.«
»Ach du heilige Scheiße! Hören Sie bitte damit auf. Das liest kein Mensch. Ich habe mal ein Bild von der Oberbürgermeisterin gesehen, da kam mir der Jugendweihekaffee hoch. Wie heißt die gleich? Kapaun?«
»Hahn.«
»Hm. Ist ja auch egal, irgendwas ohne Eier halt. Aber die musst du in einem politischen Amt haben! Und als Schriftsteller übrigens auch, Jischinski! Und da wir gerade bei Eiern sind. Wie steht es mit Erotik oder Kochbüchern?«
»Ich glaube, dass Erotik nicht so mein Ding ist.« Während ich das sage, überlege ich, mir ein Pseudonym zuzulegen und dann richtig vom Leder zu ziehen. »Angus Cock« schreibt den Bestseller »Die Sakrale Pforte« über den schwulen Geistlichen Helmut Wimmerl, der sein Comingout während einer Trauung erfährt und sich unsterblich in den Bräutigam verliebt. Der Messdiener Fred Sauerbier wird eifersüchtig, verliebt sich auch in den Bräutigam, der aussieht wie Westerwelle und zu dritt treten sie in die FDP ein. Den Schluss sollte ich vielleicht noch überdenken, aber der Plot steht. Der Verleger inzwischen auch. Er stützt sich auf den Schreibtisch und kommt mit seinem Gesicht ganz nah zu mir. Ich kann seinen widerlichen Raucheratem riechen, während er flötet:
»Krimi geht nicht und Erotik auch nicht. Können Sie mit einem Kochbuch dienen? Macht heute eigentlich jeder Idiot. Für eine Autobiographie sind Sie noch zu jung. Außerdem haben Sie nichts zu erzählen. Also, was kochen Sie so? Oder backen Sie? Weihnachten ist ja bald.«
»Meine Mutter ist Bäckerin!«, entfährt es mir hoffnungsvoll.
»Jetzt lassen Sie aber mal Ihren Mutterkomplex beiseite und beantworten Sie mir meine Fragen.«
»Ja, ich kann backen und kochen.«
»Dann schreiben Sie was darüber. Handwerklich sauber und nachvollziehbar. Dann schauen wir mal, ob es was taugt. Mögen Sie etwas ganz besonders?«
»Ja! Für Granatsplitter könnte ich töten!«
Der Verleger sitzt nun wieder, hat sich einen Stift aus einem Köcher geangelt und kaut darauf herum.
»Jischinski, ich habe da eine Idee. Den Titel haben Sie gerade gesagt und dann machen Sie sich an ein politisches Kochbuch. Ganz aktuell, die NSA unter den Kochbüchern gewissermaßen. Rezepte für Amerikaner, die Sie auf einen Kameruner legen und schließlich backen Sie einen Granatsplitter, damit es kracht. Und wenn Sie den Granatsplitter noch im Teigmantel kreieren, haben Sie einen muslimischen Schläfer. Der Schiite sozusagen. Die Leipziger Lerche können Sie mit einem Berliner unterbuttern und so weiter.«
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