STEVEN HAYES
University of Nevada
Was ist in der zweiten Version neu?
Wenn Sie die erste Ausgabe von ACT leicht gemacht (Harris, 2011) schon haben, fragen Sie sich wahrscheinlich: Lohnt es sich wirklich, für die zweite Ausgabe Geld auszugeben? Wenn Sie mich fragen, wäre meine Antwort: »Ja, auf jeden Fall. Sie ist ihren Preis wert und wahrscheinlich der klügste Kauf, den Sie dieses Jahr machen.« Natürlich könnte meine Meinung ein bisschen parteiisch sein, darum fasse ich hier die Hauptunterschiede zwischen der ersten und der zweiten Ausgabe kurz zusammen, um Ihnen bei dieser schwierigen Entscheidung zu helfen:
A. Eine große Menge neuen Materials, unter anderem zur Technik der Exposition, zu Beziehungsthemen, zu flexiblem Denken, zum Nutzen der Kraft der Emotionen, zu positiver Selbstzuwendung, zu Scham, zum Überwinden von Hoffnungslosigkeit und sehr viel anderem. Tatsächlich ist über 60 Prozent des Buches neu und das Übrige wurde beträchtlich überarbeitet. In den zehn Jahren seit dem Erscheinen der ersten Auflage habe ich sowohl die Weise, wie ich ACT anwende, als auch, wie ich sie lehre, radikal verändert. (Eigentlich wollte ich sogar ein von Grund auf neues Lehrbuch schreiben, mit dem Titel »ACT noch leichter gemacht,« aber der Verlag hat mir das ausgeredet.) In dieser zweiten Auflage finden Sie also viele neue Übungen, Metaphern, Werkzeuge und Hilfsmittel, Techniken, Transkripte von Therapiesitzungen, schlechte Witze und so weiter (oder coole Abkürzungen wie »AMS 2«).
B. Der Punkt der Entscheidung: Dies ist das einfachste, leichteste und wirksamste Hilfsmittel, das ich kenne, um Leuten zu helfen, ACT schnell und wirksam zu lernen und anzuwenden. Seit 2015 ist er zum wichtigsten Werkzeug in allen meinen Workshops und in den Ausbildungskursen geworden, die ich online anbiete. Zurzeit schreibe ich alle meine Bücher so um, dass dieses Hilfsmittel im Mittelpunkt steht. Falls Sie es also nicht schon wissen, bin ich sicher, dass Sie bald sehen, wie wirksam es ist. Und wenn Sie es wissen, dann bin ich sicher, dass Sie noch viel mehr darüber erfahren werden, wie Sie es anwenden können, damit es seine größte Wirkung entfalten kann. Andererseits ist es aber kein unabdingbares Werkzeug. Auf keinen Fall sollte jemand meinen, der Punkt der Entscheidung müsste unbedingt benutzt werden, um ACT gut anzuwenden. Zwar taucht er in ziemlich vielen Kapiteln auf, aber ich beschreibe auch sehr viele Alternativen.
Sind Sie dabei? Wenn nicht: kein Problem. Ich habe getan, was ich konnte. Wenn aber ja … »Good on ya!« – wie wir in Australien sagen. Ich bin sicher, dass Sie es nicht bereuen werden.
So arbeiten Sie mit diesem Buch
Sind Sie mit ACT noch nicht vertraut, empfehle ich Ihnen dringend, das Buch komplett von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen, bevor Sie mit dieser Therapieform zu arbeiten beginnen. Da alle sechs Kernprozesse der ACT eng miteinander verflochten sind, könnte es Sie verwirren und in die falsche Richtung führen, wenn Sie nicht über Kenntnisse des Modells und das Zusammenspiel seiner verschiedenen Elemente verfügen.
Sobald Sie sich in der Lage fühlen, ACT bei Ihren Klientinnen und Klienten anzuwenden, können Sie entweder dieses Buch als Leitfaden nutzen oder ein ACT-Fachbuch mit protokollierten Sitzungen verwenden, das Sie von Sitzung zu Sitzung mit ausführlichen Erläuterungen begleitet.
DAS ZUSÄTZLICHE MATERIAL
Beim Verfassen dieses Buches war das Schwerste die Entscheidung, was wegzulassen war. Als ich diese zweite Fassung beendet hatte, hatte ich die Beschränkung auf 40.000 Worte, die ich mir vorgenommen hatte, tatsächlich überschritten. Aber statt dieses ganze Material zu verwerfen, habe ich es in einem kostenlosen E-Book mit dem Titel ACT Made Simple: The Extra Bits gesammelt. Man kann es unter www.actmindfully.com.au unter dem Reiter »Free Stuff« kostenlos herunterladen (englischsprachig). Dort findet man Material, das ich in jedes Kapitel einfügen wollte, für das es aber keinen Platz gab: Fragen und Antworten, Fallstricke und Tipps, zusätzliche Anleitungen für Übungen und Metaphern und Tonaufnahmen zum Download. Außerdem enthält das E-Book auch alle Arbeitsblätter (englischsprachig), die in diesem Handbuch erwähnt oder vorgestellt werden.
ABSCHNITTE MIT AUFGABEN
Die Abschnitte mit der Überschrift »Aufgaben« enthalten Vorschläge für etwas, was Sie tun können, um Ihre Kompetenzen in ACT zu verbessern. Dieses Buch nur zu lesen, reicht bei Weitem nicht aus, um ACT zu lernen. Man muss die Übungen auch aktiv praktizieren. Schließlich kann man auch Autofahren nicht allein durch Lesen lernen. Man muss sich wirklich in ein Auto setzen, das Lenkrad in die Hände nehmen und eine Spritztour machen. Ich werde Ihnen also wiederholt empfehlen, neue Techniken zu Hause und in einer Sitzung aktiv zu üben. Sie finden diese Abschnitte in vielen, aber nicht in allen Kapiteln. Aber auch dann, wenn sie nicht in dieser Form im Text stehen, hoffe ich, dass Sie für sich und mit sich selbst die Arbeit mit ACT vertiefen: Arbeitsblätter ausfüllen, Skripte noch mal durchsehen, mit einer imaginären Klientin Interventionen proben, Techniken an Ihnen selbst ausprobieren – und es dann alles wirklich mit Klienten in der Sitzung anwenden.
WAS SIE MITNEHMEN KÖNNEN
Am Ende jedes Kapitels finden Sie einen Abschnitt mit der Überschrift »Was Sie mitnehmen können«. Er enthält eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte oder Aussagen des Kapitels.
DIE STRUKTUR DIESES BUCHES
Dieses Buch besteht aus vier Teilen. In Teil 1, »Was ist ACT?« (Kapitel 1 bis 4) gibt es einen Überblick über das ACT-Modell und die Theorie, die ihm zugrunde liegt. Dann, in Teil 2, »Anfangen« (Kapitel 5 bis 7) werden die Grundlagen dessen behandelt, was man braucht, um anzufangen, unter anderem, wie man als Therapeutin oder Therapeut erfahrungsorientiert arbeitet, informierten Konsens erhält und die fortlaufenden Sitzungen strukturiert.
In Teil 3, »Der Kern der Sache« (Kapitel 8 bis 29), gehen wir Schritt für Schritt die sechs Kernprozesse der ACT durch und besprechen, wie man sie auf eine weite Bandbreite therapeutischer Themen anwendet. Die Betonung liegt in jedem Kapitel auf Einfachheit und der praktischen Anwendbarkeit, damit Sie sofort anfangen können, mit diesem Ansatz zu arbeiten. (Aber denken Sie daran: Anfängerinnen bzw. Anfänger sollten erst das ganze Buch lesen, von Anfang bis Ende, bevor sie mit ACT arbeiten.)
In Teil 4, »Einen Knopf dran machen« (Kapitel 30 bis 32), behandeln wir eine Reihe wichtiger Themen, darunter die Verbesserung der Beziehung von Klient(-in) und Therapeut(-in), allgemeine Fallstricke für Therapeutinnen, Überwinden von Barrieren und Widerständen gegen Veränderung, das Kreisen um die sechs Kernprozesse der ACT und die nächste Station Ihres Weges als ACT-Therapeutin oder -Therapeut.
ALLES ANPASSEN UND ABÄNDERN
In meiner Anfangszeit als ACT-Therapeut habe ich einen großen Fehler gemacht: Ich habe versucht, ACT wortwörtlich anzuwenden, genauso wie es in den Lehrbüchern beschrieben wird. Das war nicht besonders gut für mich, denn wie ich von Natur aus spreche, unterscheidet sich sehr von den Skripten, die ich in den Büchern fand. Dann nahm ich an einem Workshop mit Steve Hayes, dem Begründer der ACT, teil und habe einen anderen großen Fehler gemacht: Ich war von seinem einzigartigen Stil, therapeutisch zu arbeiten, so beeindruckt, dass ich versuchte, ihn zu kopieren. Das funktionierte auch nicht allzu gut. Das Problem war, dass ich nicht authentisch war. Ich war einfach eine schlechte Kopie von Steve.
Eines Tages hörte ich dann dieses Zitat von Oscar Wilde: »Sei du selbst. Alle anderen Rollen sind bereits besetzt.« Und da hatte ich eine Eingebung. Ich ließ die Vorlagen liegen, hörte auf, ACT-Gurus nachzumachen, und fand meine eigene Weise, mit ACT zu arbeiten. Ich entwickelte meinen eigenen Stil und meine eigene Weise zu reden, eine Art, die sich natürlich anfühlte und auch den KlientInnen entgegenkam, mit denen ich arbeitete. Da wurde ACT für mich wahrhaft lebendig. Ich empfehle Ihnen also nachdrücklich, es genauso zu machen. Seien Sie sie selbst. Lassen Sie beim Durcharbeiten dieses Buches Ihre Kreativität spielen. Fühlen Sie sich frei, die hier vorgestellten Werkzeuge und Techniken anzupassen, zu modifizieren und neu zu erfinden (solange Sie dem ACT-Modell treu bleiben), damit sie Ihrem persönlichen Stil entsprechen. Wandeln Sie Metaphern, Texte, Arbeitsblätter oder Übungen so ab, dass die Worte für Sie stimmen. Und wenn Sie bessere oder andere Metaphern kennen, die denselben Zweck erfüllen, dann können Sie selbstverständlich auch diese verwenden. Das ACT-Modell bietet einen enormen Spielraum für Kreativität und Innovation, den Sie voll und ganz ausschöpfen dürfen.
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