Die Aufgabe der Sammlung der Menschen zum Lob Gottes gilt der Kirche insgesamt. Durch die Taufe sind die Christen sakramental in das Lebensschicksal und den Auftrag Jesu hineingenommen. Deshalb haben alle Getauften existentiell Anteil an der königlichen, priesterlichen und prophetischen Würde des Sohnes Gottes. Christen sind sozusagen »Anteilseigner« an der universalen göttlichen Heilsinitiative. In paulinischer Diktion ist Jesus in der Taufe ihr Kleid geworden (Gal 3,27): Christus umkleidet die menschliche Wirklichkeit der Getauften. Wenn es wahr ist, dass Kleider Leute machen, dann nehmen die Menschen im Habit(us) der Getauften, durch ihr Tun und Lassen Christus wahr. Im Handeln der Getauften ist Christus als der gekreuzigte und auferstandene Herr gegenwärtig. Die christliche Gemeinde als die in Taufe und Firmung mit dem Geist Jesu begabte Gemeinschaft wirkt mit an der Vollendung der göttlichen Initiative zum Heil und zur Heilung der Welt. Christen sind also das priesterliche Volk Gottes in der Welt, wie die Kirche in hymnischer Gebetssprache und gleichzeitig nüchtern bekennt: »Denn Christus hat dein ganzes Volk ausgezeichnet mit der Würde seines königlichen Priestertums« (Präfation der Chrisammesse). Das hat zur Folge, dass Priestertum kein Standesprivileg ist, auf das sich jemand in eigener Person berufen könnte. Es gehört nicht exklusiv einigen wenigen Auserwählten, die zu Priestern geweiht wurden, sondern es bleibt Geschenk Gottes an sein ganzes Volk, weil Gott durch Menschen handelt. Priestertum bedeutet erst recht nicht die Auszeichnung einer Person, sondern es ist und bleibt immer »die Würde seines königlichen Priestertums«. Es geht um Jesus; denn nur er ist im eigentlichen Sinn Priester.
Priester – Zeichen für Christus
Ich bin es nicht (Joh 1,21)
Das besondere Priestertum des Dienstes, das im Sakrament der Priesterweihe übertragen wird, existiert in der Kirche, damit das Volk Gottes als Ganzes seine priesterliche Berufung verwirklichen kann. Der geweihte Priester steht dem priesterlichen Gottesvolk in einem ausdrücklichen Dienstverhältnis gegenüber. Dieser Dienst begründet das Amt und nicht umgekehrt. Das 2. Vatikanische Konzil lehrt in seiner theologischen Reflexion über die Kirche Lumen Gentium 10 ausdrücklich, dass es keinen graduell gestuften Unterschied im Sinne eines Mehr an Priesterlichkeit für den geweihten Priester gibt. Der Unterschied ist nicht quantitativ, sondern bezieht sich qualitativ auf das Wesen des priesterlichen Auftrags. Die wesentliche Differenz besteht nicht in einer Steigerung, sondern in dem eigenständigen Bezug des Weihepriestertums zum priesterlichen Dienstamt Jesu: Aufgrund der sakramentalen Weihe handelt der geweihte Priester amtlich » in persona « Christi als dem Haupt der Kirche. Der spezifische und nicht übertragbare Auftrag des Weihepriestertums gegenüber dem gemeinsamen Priestertum aller Glaubenden ist die Vergegenwärtigung des Gegenübers Jesu zu seiner Kirche als Herr. Der Priester steht für Christus, der der Kirche als Haupt vorsteht und die Menschen in diese Gemeinschaft beruft. Aus dieser Konformität mit Christus als dem Herrn ist das Weihepriestertum ein Leitungsdienst, der sichtbar darstellt, dass Gott in Jesus als dem Auferstandenen an seinem Volk bis heute handelt. Weil nur Jesus das Haupt der Kirche ist, deshalb ist dem geweihten Priester als seinem Repräsentanten der dreifache Dienst Christi anvertraut: die Leitung, die Lehre und die Heiligung. Sinnenfällig kommt das im Vorsitz bei der Feier des Dankopfers der Eucharistie durch den geweihten Priester zum Ausdruck. Weil der Glauben vom Hören kommt, können die Getauften sich nicht selbst die Gegenwart des Herrn zusprechen. Es muss der Gemeinde verbindlich zugesagt werden. Dafür steht der Dienst des Priesters. Es ist immer der Ruf des Anderen, des Gegenübers, der uns in die Freiheit Gottes führt. Christen sind buchstäblich die Herausgerufenen. Dieses Gegenüber, das uns anspricht, ist der gegenwärtige Herr im Dienst des Priesters. Er steht der christlichen Gemeinde in göttlichem Auftrag gegenüber: den Dank zu vervielfachen und das Opfer des Lobes darzubringen. Die dogmatische Konstitution des 2. Vatikanischen Konzils Lumen Gentium hält fest, dass das besondere, in der Weihe sakramental verliehene Priestertum das amtlich repräsentative »Zeichen und Werkzeug« für das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen ist. Amtliche Beauftragung existiert in der Kirche niemals für sich, sondern immer nur im Bezug zu einer Gemeinschaft des Glaubens.
Der spezifische Auftrag der geweihten Priester ist die amtliche Repräsentation oder Vergegenwärtigung der Person Christi als dem Haupt der Kirche und der Kirche als Institution und Gemeinschaft des Glaubens. Es ist nie der Priester als Funktionär, der etwas aus sich tut, sondern es ist Gott, der an und mit seinem Volk handelt. Das Weiheamt als Beauftragung, »in der Person Christi« zu handeln ( Lumen Gentium 10, Presbyterorum Ordinis 2), ist im Verständnis der Kirche immer bezogen auf den konkreten Dienst am Gottesvolk. In Verkündigung, der Heiligung und im Leitungsdienst handelt der Priester für Christus, »an seiner Statt« (2 Kor 5,11f; Lk 10,16). Im Tun des geweihten Priesters muss deutlich werden, dass Christus selbst der Hirte, Lehrer und Priester der Kirche ist und bleibt. In diesem Sinne enteignet das Sakrament der Priesterweihe eine Person und macht sie in ihrem priesterlichen Tun zum lebendigen Werkzeug, jedoch nie zu einem Delegierten oder Funktionär einer kirchlichen Autorität oder zum Mitglied einer klerikalen Kaste. Das Wesen »priesterlicher Amtsautorität« ist immer relativierend, d. h. von sich selbst weg verweisend und bezogen auf Christus und den Dienst für die Menschen. Priester sind zuerst Vikare, Platzhalter. Der Kirchenvater Ambrosius von Mailand (339–397) bezeichnet den kirchlichen Amtsträger in einer klassischen Formulierung theologisch angemessen als Stellvertreter Christi, aber vor jeglicher autoritären Amtsausübung soll er zuerst ein »Vikar der Liebe Christi« sein ( amoris Christi velut vicarius ). 5
Radikal zurückgefragt, gibt es das geweihte Priesteramt in der Kirche, weil es nach dem Zeugnis der Bibel dem göttlichen Willen entspricht und Jesus so gehandelt hat. Sowohl das Alte wie das Neue Testament berichten von ausdrücklichen Berufungen zur besonderen Nachfolge. Jesus selbst beruft entsprechend dieser biblischen Dynamik Menschen, »die er bei sich haben und die er [dann] aussenden wollte« (Mk 3,14). Das in der Einheitsübersetzung eingefügte, nicht im griechischen Text stehende »dann« sollte weggelassen werden, damit die ursprüngliche Intention der Stelle deutlicher wird. In die Nähe Jesu gerufen zu sein, bedeutet gleichzeitig und immer auch Sendung zum Dienst. Das Weiheamt als der Dienst, der alle Getauften befähigt und ermutigt, ihre je eigene Berufung zu leben, gehört wesentlich und unaufgebbar zur Kirche. Ohne geweihte Priester kann niemand Christ sein im Sinne Jesu, ohne den amtlichen priesterlichen Dienst bricht etwas Konstitutives weg. Aber die Kirche ist nicht auf die gegenwärtige Ausgestaltung dieses Dienstes festgelegt, die äußeren Formen können sich, wie in der Geschichte immer geschehen, durchaus ändern. Durch den Priester bleibt der Anspruch Jesu greifbar in der Welt lebendig.
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