»Das ist ja prächtig«, versetzte der Schotte, »wenn sich das alles so gut einfädelt, haben wir dort unten doch eigentlich nichts mehr zu suchen.«
Doktor Fergusson antwortete nicht; er zuckte nur verächtlich mit den Achseln.
Ein unbeschreiblicher Diener. – Er bemerkt die Trabanten des Jupiters. – Dick und Joe im Streit. – Zweifel und Glaube. – Das Wiegen. – Joe. – Wellington. – Er erhält eine halbe Krone.
D
oktor Fergusson hatte einen ganz unglaublich eifrigen Bedienten, der auf den Namen Joe hörte: eine vortreffliche Natur und seinem Herrn mit Leib und Seele ergeben. Er pflegte sogar seine Befehle schon mit richtigem Verständnis auszuführen, noch ehe jener sie ausgesprochen hatte, und war niemals mürrisch oder verdrießlich, sondern ein stets gut gelaunter Caleb; man hätte sich einen vorzüglicheren Diener überhaupt nicht denken können. Fergusson konnte sich, was die Einzelheiten seiner Existenz betraf, vollständig auf ihn verlassen. Ja, es war ein ausgezeichneter, ein braver Joe! Ein Diener, der das Mittagessen anordnet, der den Geschmack seines Herrn zu dem Seinigen gemacht hat, der den Koffer packt und weder Strümpfe noch Hemden vergisst und der die Schlüssel und Geheimnisse des Herrn unter seinen Händen hat, ohne jemals irgendwelchen Missbrauch damit zu treiben. Aber was war der Doktor auch für ein Mann in den Augen unseres würdigen Joe! Mit welcher Achtung und welchem Vertrauen nahm er seines Herrn Ratschläge an! Wenn Fergusson einmal gesprochen hatte, konnte nur ein Tor etwas dagegen einwenden! Alles, was er dachte, war richtig, alles, was er sagte, vernünftig, alles, was er unternahm, möglich, und alles, was er vollendete, bewundernswert. Man hätte Joe in Stücke zerhauen können, eine Prozedur, die jedenfalls nur mit dem größten Widerstreben vollzogen worden wäre – nie würde er seine Meinung hinsichtlich des Doktors, seines Herrn, geändert haben. Wenn demnach Fergusson den Plan aussprach, Afrika durch die Lüfte zu bereisen, so war dies für Joe eine abgemachte Sache. Hindernisse gab es von dem Augenblick, in welchem der Doktor die Unternehmung beschlossen hatte, nicht mehr, und dass er, der treue Diener, seinen Herrn begleiten würde, unterlag für ihn nicht dem geringsten Zweifel, obgleich noch nie die Rede davon gewesen war. Es sollte ihm übrigens vorbehalten sein, durch seine Einsicht und erstaunliche Gewandtheit seinem Herrn die größten Dienste zu leisten. Wenn man für die Affen im Zoologischen Garten einen Turnlehrer gesucht hätte, so wäre er der richtige Mann dafür gewesen; denn springen, klettern, fliegen und tausend unmögliche Kunststücke ausführen war für ihn eine Kleinigkeit. Wenn Fergusson der Kopf und Kennedy der Arm bei der Expedition war, so sollte Joe die Hand sein. Er hatte seinen Herrn schon auf mehreren Reisen begleitet und war im Besitz einiger oberflächlicher Kenntnisse, die er sich auf seine Weise nach und nach angeeignet hatte. Aber seine Hauptstärke bestand in einer herrlichen Lebensweisheit, einem angenehmen Optimismus. Er fand alles leicht, logisch, natürlich und kannte demzufolge das Bedürfnis zu fluchen oder sich zu beklagen kaum dem Namen nach. Unter anderen schätzenswerten Eigenschaften besaß er auch ein vortreffliches Auge, eine fast wunderbar anmutende Weitsichtigkeit. Er teilte mit Moestlin, dem Lehrer Keplers, die seltene Fähigkeit, mit unbewaffnetem Auge die Trabanten des Jupiters zu unterscheiden, und in der Gruppe der Plejaden vierzehn Sterne zu zählen, von denen die letzten neunter Größe sind. Er war deshalb nicht etwa stolzer oder hochmütiger, im Gegenteil! Er grüßte schon aus weiter Ferne und wusste sich bei geeigneten Gelegenheiten seiner Augen sehr gut zu bedienen. Bei dem Vertrauen, das Joe in den Doktor setzte, darf man nicht über die Streitigkeiten erstaunen, die sich unaufhörlich, natürlich mit Beachtung des schuldigen Respekts, zwischen Kennedy und dem würdigen Diener entspannen. Der eine zweifelte, der andere glaubte; der eine repräsentierte die hellsehende Klugheit, der andere das blinde Vertrauen; der Doktor aber hielt die Mitte zwischen Zweifel und Glauben, womit ich sagen will, dass er sich weder von dem einen noch von dem andern beeinflussen ließ.
»Nun, Herr Kennedy?«, begann Joe eines Tages.
»Was willst du, mein guter Junge?«
»Jetzt kommt der Augenblick bald heran; es scheint, als wenn wir demnächst nach dem Monde abfahren würden.«
»Du meinst damit wahrscheinlich das Mondland; es liegt zwar nicht ganz so weit ab, aber beruhige dich, die Gefahr ist noch immer groß genug.«
»Gefahr? Von Gefahr ist keine Rede bei einem Mann wie Doktor Fergusson.«
»Ich will dir deine glückliche Täuschung nicht rauben, mein lieber Joe, aber was er da zu unternehmen gedenkt, ist ganz einfach die Unternehmung eines Verrückten. Es wird übrigens keinesfalls zu dieser Reise kommen.«
»Keinesfalls zur Reise kommen? Dann haben Sie also nicht den Ballon gesehen, der in der Werkstatt der Herren Mitchell in Borough[2] angefertigt wird?«
»Ich werde mich wohl hüten, ihn mir anzusehen.«
»Da büßen Sie wirklich einen schönen Anblick ein, Herr Kennedy; es ist ein herrliches Gerät! Und die hübsche Form, die reizende Gondel! Wie wohl werden wir uns darin fühlen!«
»Du denkst also im Ernst daran, deinen Herrn zu begleiten?«
»Das versteht sich! Ohne allen Zweifel!«, versetzte Joe. »Ich begleite ihn, wohin er will. Das fehlte noch! Ich soll ihn wohl allein reisen lassen, nachdem ich bis jetzt mit ihm zusammen die Welt durcheilt habe! Wer würde ihm denn helfen, wenn er ermüdet ist, wer ihm eine starke Hand reichen, wenn er über einen Abgrund springen will? Wer sollte ihn pflegen, wenn er etwa gar krank würde? Nein, Herr Dick, Joe wird immer auf seinem Posten sein.«
»Wackerer Junge«, rief der Schotte.
»Übrigens kommen Sie mit uns, Herr Kennedy«, fügte Joe hinzu.
»Natürlich«, sagte Kennedy, »ich begleite euch, um Samuel noch bis zum letzten Augenblick von der Ausführung einer solchen Torheit abzuraten. Ich werde ihm sogar nach Sansibar folgen, um das Meinige zu tun, damit dieser unsinnige Plan nicht zur Ausführung gelange.«
»Allen Respekt vor Ihnen, Herr Kennedy, aber Sie werden ihn auch nicht um ein Haar breit von seinem Vorhaben abbringen. Mein Herr ist nicht so hirnverbrannt, wie Sie meinen. Wenn er etwas unternehmen will, sinnt er lange zuvor darüber nach, und wenn dann sein Entschluss gefasst ist, kann ihn kein Teufel davon abbringen.«
»Das werden wir sehen!«
»Schmeicheln Sie sich nicht mit dieser Hoffnung. Übrigens liegt sehr viel daran, dass Sie mitkommen. Für einen so ausgezeichneten Jäger wie Sie ist Afrika ein herrliches Land. Sie würden keine Ursache haben, Ihre Reise zu bereuen.«
»Ich werde sie auch nicht bereuen, besonders wenn dieser Starrkopf sich überzeugen lässt und dableibt.«
»Beiläufig«, äußerte Joe, »Sie wissen doch, dass heute das Wiegen vorgenommen wird.«
»Wovon sprichst du?«
»Nun, der Herr Doktor, Sie und ich, wir sollen alle drei gewogen werden.«
»Wie Jockeys!«
»Jawohl; aber haben Sie keine Bange: Abmagerungsversuche werden nicht an Ihnen gemacht, wenn Sie zu schwer sind. Man wird Sie so nehmen, wie Sie sind.«
»Ich werde mich unter keiner Bedingung dazu hergeben, darauf verlass dich!«, sagte der Schotte sehr entschieden.
»Aber, Herr Kennedy, ich glaube, es ist für seine Maschine notwendig.«
»Er kann sehen, wie er seine Maschine ohne das fertig bekommt.«
»Wenn wir nun aber aus Mangel an genauen Berechnungen nicht aufsteigen können?«
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