Handbuch Jüdische Studien

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Die Jüdischen Studien umfassen alle Gebiete, die für die Erforschung der jüdischen Geschichte, Philosophie und Religion von Bedeutung sind.
Jüdische Religion und Kultur haben tiefe Spuren in der deutschen und europäischen Geschichte, Philosophie und Literatur hinterlassen. Auch waren sie beeinflusst vom wechselhaften Verhältnis der jüdischen und christlichen Religionen, das bisweilen ein tolerantes Miteinander ermöglichte, andererseits jedoch zu Verfolgung, Hass und – wie in Deutschland im 20. Jahrhundert – zum Genozid führte.
Das Handbuch versucht, entlang einzelner Begriffe wie Ritual, Aufklärung, Diaspora, Sefarad / Aschkenas oder Zionismus sowie verschiedener Forschungsgebiete wie Philosophie, Mystik, Recht oder Ökonomie, Einblicke in die Geschichte des Judentums zu geben.

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UTB 8712

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag Wien Köln Weimar - фото 1

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage

Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar

Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto

facultas · Wien

Wilhelm Fink · Paderborn

A. Francke Verlag · Tübingen

Haupt Verlag · Bern

Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn

Mohr Siebeck · Tübingen

Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel

Ferdinand Schöningh · Paderborn

Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart

UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK/Lucius · München

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol

Waxmann · Münster · New York

Christina von Braun, Micha Brumlik (Hg.)

Handbuch Jüdische Studien

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN · 2018

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Irene Bollag-Herzheimer, Basel, sowie des Selma Stern Zentrums für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (ZJS).

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über https://portal.dnb.deabrufbar.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Umschlagmotiv: El Lissitzky, „Und dann kam das Feuer und verbrannte den Stock“,

entnommen aus: Jüdischer Kulturbund Kiew, 1919; Farblithographie auf Papier,

The Jewish Museum New York, USA. Foto John Parnell.

© 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar

Lindenstraße 14, D-50674 Köln, www.boehlau-verlag.comAlle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig.

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Lektorat: Adina Stern

Korrektorat: Ulrike Weingärtner, Gründau

Satz: büro mn, Bielefeld

EPUB-Erstellung: Lumina Datamatics, Griesheim

UTB-Band-Nr. 8712 | ISBN 978-3-8252-8712-2 | eISBN 978-3-8463-8712-2

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Grundsatzfragen

Die Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft

Christina von Braun

Gab es in der griechisch-römischen Epoche ein „Judentum“?

Daniel Boyarin

Die rabbinische Literatur

Elisa Klapheck

Diaspora

Liliana Ruth Feierstein

Sephardim und Aschkenasim

Sina Rauschenbach

Das Verhältnis der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, zueinander. Ein historisch systematischer Querschnitt

Joachim Valentin

2. Theologie

Oralität und Literalität. Mündliche Überlieferung und ihre Verschriftung

Stefan Schreiner

Ritual

Charlotte Elisheva Fonrobert

Jüdische Mystik

Karl E. Grözinger

Memorialkulturen („Gedächtnis und Erinnerung“)

Rainer Kampling

Das jüdische Recht

Walter Homolka

Ökonomie

Nathan Lee Kaplan

Männlichkeit, Weiblichkeit, Körperlichkeit und Sexualität im Judentum

Tamara Or

Religiöse Strömungen im Judentum

Michael A. Meyer

3. Kultur/Moderne

Aufklärung

Julius H. Schoeps

Die „Wissenschaft des Judentums“ (WdJ)

Norbert Waszek

Jüdische Philosophie

Christoph Schulte

Jüdisches Gesetz und Staatsbürgerrecht im Übergang zur Moderne

Werner Treß

Jüdische Bildung und Erziehung

Micha Brumlik

Antijudaismus/Antisemitismus

Stefanie Schüler-Springorum

Zionismus/Antizionismus/Postzionismus

Micha Brumlik

Literatur

Irmela von der Lühe

Die bildenden Künste

Inka Bertz

Film

Gertrud Koch

Jüdisches Leben im Film

Werner Schneider-Quindeau

Jüdische Musik

Jascha Nemtsov

Glossar

Abkürzungen

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Literaturverzeichnis

Studien-, Lehr- und Forschungsbereiche

Personenregister

Einleitung

Die „Jüdischen Studien“ – ein Begriff, der in Analogie zu den Jewish Studies des anglophonen Raums entstand – umfassen die Gesamtheit aller Lehrfächer und Forschungsprojekte, die für die Erforschung der jüdischen Geschichte, Philosophie und Religion von Bedeutung sind. Sie beinhalten mithin auch Fragen des Antijudaismus, der Nichtjuden betrifft, aber die jüdische Geschichte immer wieder und tiefgehend geprägt hat. Zu den Jüdischen Studien gehören auch Gebiete wie Memorialkultur, Recht, Ökonomie und Geschlechterrollen, die allesamt in den jüdischen Traditionen spezifische Ausprägungen erfuhren. Auch das Verhältnis von Schrift und Oralität ist Teil dieses Forschungsfelds. Die gesprochene und die geschriebene Sprache hatten einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung der jüdischen Religion und Kultur. Weil zu den Jüdischen Studien auch viele „säkulare“ Gebiete gehören – wie etwa Philosophie und Literatur, Zionismus und Diaspora – haben sie sich neben der traditionellen Judaistik etabliert, die, wenn nicht ausschließlich, so doch weitgehend, von den Fragen der Religion bestimmt ist. Die Jüdischen Studien bilden gewissermaßen das Ende einer historischen Entwicklung, die mit der Haskala, der jüdischen Aufklärung, begann, sich über die – vor allem in Berlin und Breslau entwickelte – „Wissenschaft des Judentums“ fortsetzte, bevor der Nationalsozialismus dieser religiösen wie auch bekenntnisneutralen Tradition „des Jüdischen“ ein brutales Ende setzte. Die Flucht vieler deutscher intellektueller Jüdinnen und Juden in die USA, nach Palästina oder nach Lateinamerika führte in diesen Regionen zur Weiterentwicklung dieses Gedankenguts des deutschen Judentums und trug in einigen Ländern schließlich zur Entstehung der Jewish Studies bei. Die sich seit ca. 1980 allmählich auch im deutschsprachigen Raum etablierenden Jüdischen Studien stellen einen Re-Import dieses aus Deutschland und Europa vertriebenen Gedankenguts dar.

Allerdings lässt sich im Land der Täter das Wort „jüdisch“ kaum ohne den Begriff der „Shoah“ denken. Insofern eignet den Jüdischen Studien des deutschen Sprachraums eine Dimension, die auch die Reflexion über die nichtjüdische deutsche Geschichte voraussetzt – mit einem Rückblick nicht nur in die nationalsozialistische, sondern auch die davorliegende Vergangenheit. Die „Wissenschaft des Judentums“ etablierte sich in einem historischen Zeitalter, in dem an den deutschen Universitäten das Fach Geschichte seinen Einzug hielt – mit dem impliziten und oft auch expliziten „Auftrag“, ein Bewusstsein und die psychologische Basis für die „deutsche Nation“ zu schaffen. In Deutschland entwickelte sich der Nationalgedanke zunächst in akademischen Kreisen, bevor er auch bei anderen Bevölkerungsschichten Fuß fasste. Eines der Mittel, dem Nationalismus breite Zustimmung zu verschaffen, bestand darin, das „Jüdische“ zu einem Synonym für „undeutsch“ zu erklären. Gleichzeitig verlangte die Aufklärung nach Rationalität und nach neuen Kriterien der „Wissenschaftlichkeit“ in der akademischen Forschung und Lehre. Die Entstehung der „Wissenschaft des Judentums“ entsprach dem Versuch, sowohl dem Anspruch an Vernunft und Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden als auch einen Rahmen zu entwickeln, der die Bewahrung jüdischer Traditionen innerhalb eines neuen antijüdischen Nationalismus zuließ. Die modernen Jüdischen Studien versuchen, an diese Tradition anzuschließen, doch angesichts des Zivilisationsbruchs durch die Shoah kann nur von einem Versuch die Rede sein. Vor allem aber werden sie – anders als ein Teil der Jewish Studies des anglophonen Raums – notwendigerweise immer die nichtjüdische Geschichte explizit oder implizit mitreflektieren.

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