Hinweis
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben stellen nur eine inhaltliche Erklärung für den Staatshaftungsanspruch dar, nicht hingegen eine konkrete Anspruchsgrundlage. Konkrete Anspruchsgrundlagen sind nur die unter Rn. 3dargestellten konkreten Institute des Staatshaftungsrechts.
[1]
Maurer § 25 Rn. 9; Zippelius/Würtenberger S. 385.
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen
C. Inhalt und Umfang des Anspruchs
D. Prozessuale Fragen
E. Exkurs: Haftung öffentlich Bediensteter bei privatrechtlicher Betätigung
F. Übersicht zur Haftung eines Amtswalters hinsichtlich seiner hoheitlichen bzw. privatrechtlichen Tätigkeit
G. Übungsfall Nr. 1
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Der Anspruch aus Amtshaftung lässt sich nach dem folgenden Schema prüfen:
Amtshaftungsanspruch
I. Beamter/Amtswalter
Haftungsrechtlicher Beamtenbegriff Rn. 20 ff.
Private, die mit der Aufgabenwahrnehmung betraut werden Rn. 24 ff.
II. Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit
Innerer und äußerer Zusammenhang Rn. 29 ff.
Nicht bei Gelegenheit Rn. 29 ff.
III. Amtspflichtverletzung
Verkehrssicherungspflicht Rn. 35 f.
rechtsw. bestandskr. VA als Amtspflichtverletzung? Rn. 43 ff.
Weisung/Verwaltungsvorschrift Rn. 38 ff.
IV. Gegenüber einem Dritten (Drittbezogenheit)
Normatives Unrecht Rn. 55 ff.
Hoheitsträger als Dritte Rn. 65 ff.
V. Verschulden
Fehlerhafte Rechtsanwendung Rn. 74 ff.
Fehlerhaftes Verhalten von Gemeinderatsmitgliedern Rn. 78
VI. Kausaler Schaden
VII. Haftungsausschluss und -beschränkungen
Subsidiaritätsklausel
Richterspruchprivileg
Versäumnis von Rechtsmitteln
Mitverschulden
VIII. Verjährung
IX. Anspruchsgegner
X. Rechtsweg
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG› A. Einführung
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG› A. Einführung› I. Inhalt des Anspruchs
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Die Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG deckt die Folgen rechtswidrigen und schuldhaften Verwaltungshandelns ab und begründet einen Schadensersatzanspruch.
Der Amtshaftungsanspruch ist das zentrale Institut des Staatshaftungsrechts. Er verfügt aufgrund des § 839 BGB und Art. 34 GG über eine klare Prüfungsstruktur. Die Amtshaftung beinhaltet zunächst die persönliche Haftung der für den Staat handelnden und zu diesem Zwecke vom Staat bestellten Person – Amtswalter. Diese Haftung wird dann gemäß Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet.
Für eine logische Sekunde haftet der Amtswalter also selbst und wird anschließend durch den Staat entlastet. Das Fehlverhalten des Amtswalters gilt damit nicht als staatliches Fehlverhalten. Der Staat übernimmt lediglich die Schuld des Amtswalters.[1] Er tritt als Schutzschild an die Stelle des eigentlich Haftenden und leistet dem betroffenen Bürger Schadensersatz.
Bei der Amtshaftung handelt es sich mithin nicht um eine unmittelbare, sondern lediglich um eine mittelbare Staatshaftung.[2]
Diese Konstruktion hat Konsequenzen: sie verlangt als Voraussetzung das Merkmal Verschulden und begrenzt den Inhalt der Haftung grundsätzlich auf Geldersatz.
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG› A. Einführung› II. Historische Entwicklung
II. Historische Entwicklung
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Struktur, Inhalt und Funktion dieser Konstruktion der Amtshaftung lassen sich nur historisch erklären.[3]
Ihren Ausgangspunkt findet sie in der Mandatstheorie, nach der zwischen dem Landesherrn und dem einzelnen Staatsdiener ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen wird. Dieser Vertrag überträgt bestimmte hoheitliche Aufgaben zur rechtmäßigen Erfüllung auf den Amtswalter. Rechtmäßiges Amtswalterhandeln wird sodann dem Staat zugerechnet, rechtswidriges Handeln führt hingegen zu einer persönlichen Haftung des Amtswalters.
Die Mandatstheorie fand ihren Niederschlag in §§ 88, 89 II 10 Preußisches ALR[4] und Eingang in § 839 BGB.
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Neben dieser Eigenhaftung des Amtsträgers für hoheitliches Handeln, sieht das BGB in §§ 823, 31, 89 eine unmittelbare Haftung des Staates vor, wenn er privatrechtlich handelt.[5]
Bereits zur Zeit des Inkrafttretens des BGB wurde eine unmittelbare Haftung des Staates auch für das Fehlverhalten seiner Amtsträger gefordert, die sich aber wegen fehlender Kompetenz des Gesetzgebers auf nationaler Ebene nicht umsetzen ließ.
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Die Überleitung der Haftung auf den Staat und damit die mittelbare Staatshaftung wurde für die gesamte hoheitliche Verwaltung mit Art. 131 WRV etabliert. Art. 34 GG setzt diese Konstruktion ohne grundsätzliche inhaltliche Änderung bis heute fort.[6]
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Die Haftungsübernahme des Staates erfolgte aus zwei Gründen. Zum einen dient sie dem geschädigten Bürger, der mit dem Staat einen leistungsfähigen Schuldner als Anspruchsgegner erhält. Sie setzt damit rechtsstaatliche und bei Grundrechtsverletzungen auch grundrechtliche Schutzpflichten um. Zum anderen, aber erst in zweiter Linie, bezweckt sie den Schutz des Amtswalters. Er soll frei von drohenden persönlichen Haftungsrisiken seine Aufgabe entschluss- und handlungsfreudig erfüllen. Auf diese Weise wird mittelbar die Verwaltungseffizienz gefördert.[7]
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG› A. Einführung› III. Anspruchsgrundlage
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§ 839 BGB und Art. 34 GG sind untrennbar miteinander verbunden, aber nicht identisch. § 839 BGB bezieht sich auf das hoheitliche und privatrechtliche Handeln des Amtswalters. Art. 34 GG ist dagegen enger und betrifft allein den hoheitlichen Bereich des Staatshandelns.
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§ 839 BGB spricht personal nur von Beamten, während Art. 34 GG den Personenkreis über den Begriff „jemand“ erweitert.
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Beide Normen ergänzen und beschränken sich zugleich. Sie bilden deshalb eine einheitliche Anspruchsgrundlage.
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Das Verhältnis der beiden Normen zueinander wird unterschiedlich beurteilt. Aus rechtshistorischer Sicht kann in § 839 BGB die haftungsbegründende Norm und in Art. 34 GG die haftungsverlagernde Vorschrift gesehen werden.[8] Wird auf den rechtsdogmatischen Aspekt abgestellt, so ist Art. 34 GG die eigentliche Anspruchsnorm, die durch § 839 BGB ausgestaltet wird.[9]
JURIQ-Klausurtipp
In einer Klausur sind beide Zitierweisen zulässig: § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB. Entscheiden Sie sich für eine Schreibweise und halten Sie diese während der Klausur durch.
Auf die Diskussion über eine korrekte rechtsdogmatische Zuordnung ist dabei zu verzichten.
Die einheitliche Anspruchsgrundlage hat zur Folge, dass eine zweistufige Prüfung (1. Liegen die Voraussetzungen des § 839 BGB vor? und 2. Greift die Haftungsübernahme nach Art. 34 GG ein?) unterbleiben sollte.
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Die Amtshaftung umfasst ausschließlich die Haftung für rechtswidrig öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln.
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Eine Verdrängung dieser Haftung ist durch Sonderregelungen ausnahmsweise möglich. Sie schließt die Prüfung des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG von vornherein aus, wenn mit der Sonderregelung ein spezielles geschlossenes deliktisches Haftungssystem besteht.[10] Das ist für den Bereich der Notarhaftung mit § 19 BNotO z.B. der Fall.
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