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Die Außenwirtschaftstheorie befasst sich in der Regel allerdings nicht mit der Verteilung der Gewinneaus dem internationalen Handel innerhalb eines Landes. Der Wohlfahrtsgewinn durch Handel wirkt sich nicht in allen Sektoren der Volkswirtschaft gleich aus, sondern einige Sektoren profitieren mehr von einer Teilnahme am Handel als andere. Die Teilnahme am Welthandel kann auch zu Einkommensverlusten führen, wenn einheimische Produktion durch ausländische Konkurrenz verdrängt wird. Internationaler Handel teilt eine Gesellschaft häufig in Gewinner und Verlierer.
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In der Wohlfahrtsökonomie wird vertreten, dass es auf die tatsächlichen Effekte nicht entscheidend ankommt. Viel eher sei darauf abzustellen, ob die Gewinne, die auf internationalem Handel beruhen, die Verluste ausgleichen, so dass es zu einer Kompensierung der Verliererdurch die Gewinner kommen könnte (sog. Kaldor-Hicks Kriterium). Solange dies der Fall sei, sei die Teilnahme am Handel gesamtwirtschaftlich sinnvoll. Ob ein Ausgleich tatsächlich stattfindet, spielt dagegen für dieses Kriterium keine Rolle. Insofern führt auch die Möglichkeit von wirtschaftlichen Verlusten für Teile der Volkswirtschaft bzw. der Gesellschaft nicht zu einer Einschränkung der grundsätzlich positiven Bewertung des internationalen Handels durch die Außenwirtschaftstheorie.
[1]
Zum Folgenden Rose/Sauernheimer , Theorie der Außenwirtschaft, 14. Aufl., 2006; Dieckheuer , Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 5. Aufl., 2001; Koch , Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., 2006.
[2]
Siehe dazu ausführlich Chang, Kicking Away the Ladder – Development Strategy in Historical Perspective, 2002.
Teil 2 Welthandelsrecht› II. Theorie des Außenhandels und der Handelspolitik› 3. Theorie und politische Ökonomie der Handelspolitik
3. Theorie und politische Ökonomie der Handelspolitik
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Während die Außenwirtschaftstheorie nach den Bedingungen und Voraussetzungen von internationalen Handelsbeziehungen fragt, untersucht die Theorie der Handelspolitik die wirtschaftlichen Auswirkungen einzelner außenhandelspolitischer Instrumente.[1] Dabei können vier Typen von Instrumenten unterschieden werden, deren Auswirkungen auf Konsumenten, inländische und ausländische Produzenten und den öffentlichen Haushalt untersucht werden. Die Kategorisierung und die daraus folgende Bewertung sind auch für die rechtliche Einordnung dieser Instrumente von Bedeutung.
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ZölleEin Zoll ist eine Geldabgabe, die an den Grenzübertritt einer Ware gebunden ist. Sie wird als Stückzoll, d.h. pro Einheit einer bestimmten Ware (z.B. 5 € pro Tonne) oder als Wertzoll (Zoll ad valorem, z.B. 5 % des Verkaufspreises) erhoben. Zölle bedeuten Einkommensverluste für Konsumenten, da der Zoll über den Verkaufspreis auf die Konsumenten abgewälzt wird. Zölle führen auch zu sog. Rentengewinnen[2] für inländische Produzenten,deren Produkte mit dem importierten Gut konkurrieren. Die inländischen Produzenten können ihre Preise den Preisen der durch den Zoll verteuerten ausländischen Produkte anpassen und erhalten so eine höhere Gewinnmarge als ausländische Produzenten. Positiv ist zu berücksichtigen, dass Zölle eine wichtige Einnahmequelle für den Staatdarstellen. Dies gilt insbesondere für Entwicklungsländer, da Zölle im Vergleich zu Steuern nur Kontrollen an den Außengrenzen, aber keine Verwaltung innerhalb des Lands erfordern und damit wesentlich leichter einzutreiben sind. |
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Importquoten (Importkontingente)Bei einer Importquote legt der Staat fest, dass nur eine bestimmte Menge einer Ware importiert werden darf und verteilt Importlizenzen an inländische Importeure. Inländische Produzenten und solche Importeure, die eine Lizenz erhalten haben, erlangen so Rentengewinne. Konsumenten erleiden ebenso wie bei Zöllen Einkommensverluste, da inländische Produzenten nur geringer Konkurrenz ausgesetzt sind und so ihre Produkte über dem Weltmarktpreis verkaufen können. Anders als bei Zöllen erhält der Staataber keine Einnahmen. |
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Freiwillige SelbstbeschränkungenUnternehmen bzw. Staaten verpflichten sich freiwillig, nur eine bestimmte Menge eines Gutes zu exportieren. Diese Selbstverpflichtungen beruhen jedoch nur selten auf echten freiwilligen Beschränkungen, sondern oft auf Druck von Handelspartnern oder auf unverbindlichen Vereinbarungen zwischen den Handelspartnern. Die im Ausgangsfall zu Abschnitt I des vorherigen Kapitels erwähnte Vereinbarung zwischen China und der EU stellt eine Form der „freiwilligen Selbstbeschränkung“ dar.[3] Freiwillige Selbstbeschränkungen ermöglichen keine Einnahmen für den Staat und führen zu Verlusten für die Konsumentenwegen mangelnder Konkurrenz. Lediglich die inländischen Produzenten und die ausländischen Produzenten, die ihre Waren weiterhin exportieren können, erhalten Rentengewinne. |
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Subventionen für inländische Produzenten und ProdukteEine Subvention ist eine geldwerte Leistung an einen Produzenten oder Konsumenten. Subventionen haben nach der Theorie der Handelspolitik nur wenig negative Auswirkungen, da sie zwar zu Verlusten für den Staat, dafür aber zu Gewinnen für die unterstützten Produzenten und zu Gewinnen für die Konsumenten führen. Nur mittelbar werden ausländische Produzenten, die durch die Subventionen stärkerer Konkurrenz ausgesetzt sind, benachteiligt. Daher hält die Theorie der Handelspolitik Subventionen für das am besten geeignete Instrument zur Förderung der einheimischen Wirtschaft. Allerdings können Exportsubventionenoder Subventionen für eigentlich nicht konkurrenzfähige Betriebe die Preise künstlich niedrig halten, wodurch die Wettbewerbsbedingungen verzerrt werden. Zu beachten ist auch, dass Subventionen in erster Linie Industriestaaten zur Verfügung stehen, da sie über entsprechende Haushaltsmittel verfügen. Entwicklungsländer können von Subventionen aus finanziellen Gründen häufig keinen Gebrauch machen und greifen schon deswegen häufiger auf Zölle und Importquoten zurück. |
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Aus ökonomischer Sicht lassen sich die handelspolitischen Instrumentenach ihrer Effizienz und dem Grad ihrer Auswirkung auf Konsumenten und Produzenten wie folgt bewerten: Am wenigsten ineffizient sind Subventionen, ihnen folgen Zölle, dann Importquoten und schließlich freiwillige Selbstbeschränkungen.
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Ausgehend von dieser Bewertung der außenwirtschaftspolitischen Instrumente untersucht die politische Ökonomie der Handelspolitik, warum sich Regierungen für bestimmte handelspolitische Instrumente entscheiden, obwohl diese aus ökonomischer Sicht nicht optimal sind. Dabei bewertet die politische Ökonomie der Handelspolitik entsprechend den Methoden der „public choice“ politische Entscheidungen nach den Grundsätzen der ökonomischen Nutzenmaximierung. Politische Entscheidungen ergehen danach auf der Grundlage, welche Gruppe sich am besten für ihre eigenen Interessen stark machen kann ( Lobbying). Produzenten können sich regelmäßig besser organisieren als Konsumenten, da ihre Gruppe überschaubarer ist und die Auswirkungen des Handels für sie direkter spürbar sind. Daher besteht bei den Regierungen grundsätzlich eine Neigung zu ineffizienten Handelsbeschränkungenund zu Protektionismus.
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