Maria Grazia Gullo - Massimo Longo
Der Sichelmond
Die Hüter von Campoverde
Übersetzt von Firmina Anna Pagano
Copyright © 2018 M.G. Gullo – M. Longo
Titelbild und Illustrationen realisiert und herausgegeben von Massimo Longo
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel Eins Er ist glitschig wie ein Fisch, wenn ich versuche, ihn zu umarmen... |
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Kapitel Zwei Er setzte ihm mit einem eisigen Geflüster nach |
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Kapitel Drei Als sie sein Entsetzen bemerkte, fing sie an zu lachen. |
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Kapitel Vier Wie ein böses Omen, hauchte sie ihm Worte in einer fremden Sprache ins Ohr |
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Kapitel Fünf Von Angesicht zu Angesicht mit etwas Ungeheuerlichem |
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Kapitel Sechs Sein Verstand wurde von diesen Sprechgesängen überschwemmt |
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Kapitel Sieben Unverständliche Zeichen entzündeten sich beim Klang des Sprechgesangs |
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Kapitel Acht Es spiegelte dieses schaurige Bild wider. |
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Kapitel Neun Eine Wendeltreppe führte immer höher ins Unendliche |
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Kapitel Zehn Es hatte schließlich den Eindruck, mit seinen Händen den Himmel durchstoßen zu können |
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Kapitel Elf Dieser Gedanke stach hartnäckig in seine Seele |
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Kapitel Zwölf Es erinnerte an einen Knoblauch-Aufguss und roch nach Schwefel |
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Kapitel Dreizehn Sie fuhr aus dem Himmel herab und zog die schwärzesten Wolken hinter sich her |
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Kapitel Vierzehn Sie schwebte surfend auf einer Wolke herab |
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Kapitel Fünfzehn Als ob er in den Tiefen der Erde verschwinden würde |
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Kapitel Sechzehn Plötzlich war ein seltsames Geräusch, wie ein tiefes Gurgeln, zu hören |
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Kapitel Siebzehn Eleganten Schrittes trat er über die Schwelle |
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Kapitel Achtzehn Die Klauen krallten sich noch tiefer fest |
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Kapitel Neunzehn So wie bei einem Rührkuchen |
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Kapitel Zwanzig Ich nenne mich immer bei dem Namen, der mir gegeben wird |
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Prolog
„Du wirst schon sehen, es wird alles gut. Du bist jetzt ein großer Junge... Geh wieder zu den anderen Kindern, wir werden uns eines Tages wiedersehen. Versprochen!
Mit Tränen in den Augen, sah der Junge, wie sein Spielgefährte, der, seit er denken konnte, immer bei ihm gewesen war, langsam im Nichts verschwand.
Er rannte in Windeseile zu den Spielgeräten auf dem Spielplatz unter der Sonne zurück, um mit den Kindern aus der Nachbarschaft weiter zu spielen, während die Erinnerung an seinen Fantasiefreund langsam verblasste.
Nach viel Geschiebe und Geschubse stand er endlich oben auf der Rutsche. Ohne einen Moment zu zögern, stieß er sich mit aller Kraft ab und rutschte hinunter. Er war noch nicht unten angekommen, als plötzlich ein kleines blondes Mädchen vor ihm auftauchte, das sich von seiner Mutter losgerissen hatte. Er konnte nicht bremsen und prallte mit voller Wucht gegen das Kind.
Das kleine Mädchen verlor sein Gleichgewicht und schlug mit dem Kopf auf die Bordsteinkante, die um die Rutsche herum angelegt war.
Er versuchte, zu dem kleinen Mädchen zu gelangen, um sich zu vergewissern, dass ihm nichts geschehen war, wurde aber von der Mutter, die hastig herbeieilte, grob zur Seite gestoßen. In Sekundenschnelle, so schien es ihm, hatte sich eine Schar von Großeltern und Müttern um die arme Frau herum aufgebaut.
Während er versuchte, aus diesem Wald von Erwachsenenbeine heraus zu kommen, hörte er nur den einen Satz:
„Sie ist bewusstlos! Wir brauchen einen Krankenwagen!“
Diese Worte dröhnten in seinen Ohren, Angst stieg in ihm hoch. Er floh in das Waldstück hinter dem Spielplatz.
Plötzlich wurde alles um ihn herum dunkel. Ein eisiger Wind trug eigenartige Laute durch die Luft und zusammen mit den Worten, die er kurz zuvor gehört hatte, erklangen nun auch Verse, die er nur schwer verstehen konnte. Sie kamen aus einer Baumgruppe, aus der ein langer Schatten auftauchte. Die Stimme wurde immer eindringlicher und drang aus verschiedenen Richtungen auf ihn ein. Jetzt war sie nahe und kam immer näher, bis sie ihm schließlich die folgenden Worte in die Ohren flüsterte:
„Damnabilis ies iom, mirdo cavus mirdo, cessa verunt ies iom, mirdo oblivio ement, mors damnabils ies iom, ospes araneus ies iom…“
Er hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest, um es nicht zu hören, aber es war zwecklos. Schließlich fiel er auf die Knie und seine Augen füllten sich mit Leere ...
„Damnabilis ies iom, mirdo cavus mirdo, cessa verunt ies iom, mirdo oblivio ement, mors damnabils ies iom, ospes araneus ies iom…“
Kapitel Eins
Er ist glitschig wie ein Fisch, wenn ich versuche, ihn zu umarmen
„Helios, Helios, beeil dich! Hilf mir mit den Einkaufstüten, bevor das Gewitter losgeht!“
Helios stand regungslos in seinen ewig neuen Schuhen und schaute zu, wie sich seine Mutter abplagte.
„Helios!“ Was stehst du da wie angewurzelt rum? Nimm die hier!“ Sie packte ihn und lud ihm eine riesige Tüte mit Gemüse auf den Arm.
Helios machte keinerlei Anstalten, noch irgendetwas tun zu wollen. Er ging die Stufen zum Haus hoch, drehte sich mit dem Rücken zur Haustür, um sie aufzustoßen, und blieb stehen, um dieses verdammte, rot blinkende Licht am Aufzug anzustarren, bevor er machtlos die Treppen bis zur Wohnung hinaufstieg, die Tüte auf dem Küchentisch ablegte und sich schnurstracks in sein Zimmer zurückzog, um ausgestreckt auf seinem Bett Musik zu hören.
Als seine Mutter erschöpft oben ankam, suchte sie nach ihm.
Sie schaute in sein Zimmer und fuhr ihn an: „Was machst du da? Wir sind längst noch nicht fertig. Steh auf und hilf mir!“
„Ja, ja...ich komm ja schon“, antwortete Helios, ohne sich zu rühren, nur damit sie ihn in Ruhe ließ.
Giulia ging fort, in der Hoffnung, es könnte diesmal anders sein. Sie war verzweifelt und hatte keine Kraft mehr, ihren Sohn, der immer apathischer wurde, aufzurütteln.
Von der Wohnungstür konnte man die schnellen, energischen Schritte seiner Schwester hören, die mit fröhlicher Stimme nach ihm rief: „Helios!“ Helios! Beweg deinen Hintern aus dem Bett und komm her, um Mama zu helfen. Sie wartet unten auf dich“, rief sie, obwohl sie wusste, dass es vergebens war und nichts bringen würde.
Helios rührte sich nicht, drehte die Lautstärke seines Players auf und starrte weiter gleichgültig gegen die Decke.
Giulia, die der Zwist mit ihrem Sohn mehr mitnahm als die körperliche Anstrengung, brachte die restlichen Einkäufe zusammen mit ihrer Tochter Gaia in die Wohnung. Sie dachte unentwegt an Helios, während sie die Treppen hinaufstieg. Die Fassade des fünf Stockwerke hohen Gebäudes war weiß und orange, wie die der anderen Häuser in dieser Siedlung, die Gialingua hieß. Der Aufzug funktionierte nur alle zwei Tage mal, und aus unerfindlichen Gründen nie an den Tagen, an denen Giulia den Einkauf nach oben tragen musste. Zwanzig Familien lebten hier in ebenso vielen gegenüberliegenden Wohnungen.
„Das ist das letzte Mal, dass du dir das erlaubst!“, rief sie aus der Küche, „Wir klären die Sache später, wenn dein Vater nach Hause kommt!“
Helios hörte sie nicht einmal, er war ganz in die monotone Musik versunken, die in seine Ohren drang, ohne ihn gefühlsmäßig zu berühren. Nichts und niemand würde dieses leere und paranoide Gefühl verdrängen, das ihn umgab. Er wurde von seiner interessenlosen Welt umhüllt, wie Linus von seiner Decke. Das war nun mal Fakt, und die Welt hatte sich damit abzufinden.
Gaia war ganz anders als er: fünfzehn Jahre alt, schwarzes kurzgeschnittenes Haar und zwei quicklebendige, neugierige Augen. Ein Vierundzwanzigstundentag reichte ihr nicht aus, um allen ihren Interessen nachzugehen.
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