3.6.2 Technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Konkrete Auswahlentscheidungen müssen über die bisher diskutierten pädagogischen Kriterien hinaus weitere Aspekte in Betracht ziehen. Schulmeister (2000) verweist auf Design, Technologie, Support sowie wirtschaftliche Gesichtspunkte; Arnold (2001, 41) nennt Wirtschaftlichkeit, Performance (Reaktionszeiten, Stabilität etc.), Skalierbarkeit (Erweiterbarkeit), Integration in die bestehenden Technologien und Komfortabilität des Kursmanagements.
Die verwendete Technologie
Bei den derzeit angebotenen und etablierten Lernplattformen kann davon ausgegangen werden, dass diese bzgl. der verwendeten Technologie keine komplexen Anforderungen für die Anwender mitbringen und üblicherweise keine nennenswerten Softwareinstallationen auf der Seite der Lernenden benötigen. Zugleich passen sich die Systeme zunehmend den neuen Lerngewohnheiten an, indem sie z. B. auch den mobilen Zugriff unterstützen (Responsive Webdesign).
Andererseits sollte darauf geachtet werden, dass sich das System in die IT-Infrastruktur des Bildungsanbieters einpasst. Welche Systeme verwendet die Verwaltung und lassen sich diese mit der Lernplattform verknüpfen, um die Verwaltung der Lernenden zu optimieren? Besitzt der Anbieter eigene Server und Administratoren, die eine Wartung der Lernplattform erlauben, oder sollte auf Fremdanbieter von Lernplattformen zurückgegriffen werden? Bietet die Lernplattform ein breites Spektrum an zusätzlich nachrüstbaren Instrumenten und kann die Plattform an die eigenen Bedarfe angepasst werden? Auch der Vergleich von kommerziellen Angeboten und Open-Source-Lösungen lohnt sich. Während bei kommerziellen Anbietern oft der technische Support im Angebot enthalten ist, muss dieser häufig bei Open-Source-Lösungen von der Einrichtung selbst getragen werden. Demgegenüber stehen oft mehr Freiheiten bei der Anpassung der Lernplattform an die eigenen Bedürfnisse, Kontrolle über die Funktionalitäten der Lernplattform sowie eine große Entwicklergemeinschaft, die die Lernplattformen stets weiter optimiert und anpasst.
Diese exemplarischen Fragen skizzieren die Spannweite der technischen Dimensionen. Es kann davon ausgegangen werden, dass mittlerweile viele Bildungsanbieter eine entsprechende IT-Infrastruktur für E-Learning-Angebote besitzen. Hier lohnt es sich, Erfahrungen anderer Anbieter zu erfragen oder sich Beratungen bei entsprechenden Dienstleistern einzuholen, die sich als Support-Einrichtungen für E-Learning am Markt etabliert haben.
Wirtschaftliche Gesichtspunkte
Kosten bei der Auswahl einer Lernplattform ergeben sich nicht nur durch die Anschaffung der Hard- und Software, sondern auch durch die Lizenzbedingungen, die bei der Auswahl berücksichtigt werden müssen. Auch hier wird den Open-Source-Lösungen ein Vorteil zugesprochen, da diese kostenfrei genutzt werden können. Allerdings entstehen dem Bildungsanbieter Kosten für die Administration solcher Lösungen. Häufig nicht berücksichtigte Kosten fallen außerdem bei der Anpassung vorhandener Systeme an, der Bereitstellung notwendiger Hard- und Software und der Weiterentwicklung eines Systems.
Darüber hinaus haben sich auch Kooperationsanbieter am Markt etabliert, die Lernplattformen für das E-Learning als Serviceeinrichtung betreiben. So gibt es für Universitäten in verschiedenen Bundesländern spezielle Ansprechpartner, z. B. der Virtuelle Campus Rheinland-Pfalz ( http://www.vcrp.de) oder das Bildungsportal Sachsen ( https://bildungsportal.sachsen.de) oder für Schulen das Angebot von Lehrer-Online ( https://www.lo-net2.de). Einige dieser Anbieter bieten den Service für entsprechende Einrichtungen auch kostenfrei an.
Die diskutierten und vor dem Hintergrund der Schnittstellenoffenheit und Kompatibilität verschiedener Systeme angesprochenen Standards von E-Learning-Materialien und -Modulen (Kap. 10) sollten bei der Auswahl einer Lernplattform berücksichtigt werden. Auch die Verwaltung, Nutzung und Wiederverwertung von Lernmaterialien sowie die Einbindung verschiedener Module in die Lernplattform sollte unterstützt werden.
3.6.3 Auf Benutzerfreundlichkeit achten
Benutzerfreundlichkeit (Usability) ist ein Begriff, der aus der Softwareergonomie stammt und auf die Gebrauchsfähigkeit eines Produktes verweist. Es gibt mehrere ISO-Normen zur Benutzerfreundlichkeit: z. B. ISO 14915 (Softwareergonomie für multimediale Nutzerinterfaces), ISO 13407 (für benutzerorientierte Gestaltung interaktiver Systeme), ISO 4291 (Mensch-System-Interaktion). Häufig sind die Anforderungskataloge umfangreich und nicht einfach in eigene Projekte zu übertragen. Stapelkamp (2007) und Schweibenz/Thissen (2003) geben einen umfassenden Einblick in den Bereich der nutzerfreundlichen Gestaltung von Online-Systemen.
Für den Bereich des E-Learning sollen nachfolgend die vier Dimensionen von Benutzerfreundlichkeit vorgestellt werden (Reglin 2001):
Operability meint die Bedienbarkeit eines technischen Systems. Reglin (2001, 58) plädiert hier für die „Unaufdringlichkeit“ bei der Interfacegestaltung. So sollen „Lernsysteme ergonomisch zweckmäßig und intuitiv nutzbar“ gestaltet werden, damit „das Lernprogramm nicht ‚erster Lerngegenstand‘ wird und die Aufmerksamkeit der Lernenden sich ganz den zu erarbeitenden Inhalten widmen kann“.
Accessibility meint den Zugriff und die Verfügbarkeit von Inhalten. „Wir fragen danach, wie Lerneinheiten gegeneinander abgegrenzt und miteinander verknüpft – oder verknüpfbar – sind, ob und wie sie sich zu einem konsistenten System fügen und durch welche Verfahren ein solches Lernsystem sicherstellt, dass sicher und zielgenau auf benötigte Inhalte zugegriffen werden kann“ (ebd.).
Viability verweist auf die Art der Darbietung der zu vermittelnden Inhalte (Didaktik); Lernen wird demnach u. a. erreicht durch die Unterstützung des individuellen Lernprozesses, Lebensweltbezug, Zielorientierung, Motivation. Lernplattformen sind dazu so zu gestalten, „dass eine Anpassung an veränderte Anwendungssituationen jederzeit möglich ist. Sie messen sich, kurzum, an ihrer Tauglichkeit als Instrumente der Aneignung nützlichen Wissens“ (ebd.).
Social connectivity heißt, die Lernprozesse sollen in einem sozialen Raum eingebettet sein, denn „Lernangebote – jeder Art – (stehen) zur sozialen Umwelt der Lernenden in Beziehung, und auch das Gelingen dieser Beziehung ist wesentliches Moment ihrer (guten) Nutzbarkeit“ (ebd., 59).
Benutzerfreundlichkeit bei Lernplattformen ist für drei Gruppen wichtig:
1. |
„die Dienstleister, die den technischen Support und das einführende Training leisten, |
2. |
für die Lehrenden, die die Systeme in der Lehre nutzen wollen, |
3. |
und für die Studierenden, die damit lernen sollen“ (Schulmeister 2005a, 13). |
In einer Befragung gaben Entwickler an, dass eine Lernplattform Standards entsprechen sollte, die den Transfer von Lernobjekten, die Einfügung von Metainformationen über Lernobjekte, die Einbindung digitaler Bibliotheken unterstützen bzw. ermöglichen, die Stabilität des Systems gewährleisten und Agententechnologien enthalten, die die Erstellung von Lehrinhalten unterstützen. Lehrende wünschen sich von einer Lernplattform, dass diese flexibel genutzt werden kann, um unterschiedliche Lernszenarien zu realisieren, Multimediaelemente eingebunden sowie Lernmodule flexibel zusammengestellt und portiert werden können, der Computer als Mind Tool zur Unterstützung der Herausbildung kognitiver Strukturen nutzbar ist und die Lernplattform leicht handhabbar und offen ist. Lernende gaben an, dass sie sich von einer Lernplattform die Unterstützung der Entwicklung von Lernkompetenz, die lernergerechte Verwaltung, Betreuung, Organisation, eine Individualisierung ihrer Lernprozesse, eine Unterstützung bei der Orientierung, der Navigation und des Informationszugriffes, Transparenz des Online-Kurses und einen flexiblen Zugriff auf relevante Inhalte sowie die Unterstützung von Kommunikation und Kooperation wünschen (Tergan/Zentel 2003, 224 ff.). Die mannigfaltigen Anforderungen an eine Lernplattform im E-Learning machen deutlich, dass es nur schwer möglich ist, ein optimales, alle zufriedenstellendes System zu erstellen.
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