Moshe Zuckermann wurde als Sohn polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender in Israel geboren und wuchs in Tel Aviv auf. Er studierte in Frankfurt am Main, kehrte danach wieder nach Israel zurück, wo er am Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas der Universität Tel Aviv lehrte. Von Februar 2000 bis 2005 leitete er das Institut für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv. 2006/2007 war er Gastprofessor am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) der Universität Luzern.
Zahlreiche Publikationen, u.a. Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit (2018); Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt (2014); „Antisemit!“ Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument – Sechzig Jahre Israel (2010); Gedenken und Kulturindustrie. Ein Essay zur neuen deutschen Normalität (1999); Zweierlei Holocaust. Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands (1998); Wagner, ein deutsches Ärgernis (2020).
Moshe Zuckermann
Das Trauma des »Königsmordes«
Französische Revolution
und deutsche Geschichtsschreibung
im Vormärz
E-Book (ePub)
© CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021
Alle Rechte vorbehalten.
Covergestaltung: nach Entwürfen von MetaDesign, Berlin
Signet: Dorothee Wallner nach Caspar Neher «Europa» (1945)
ePub:
ISBN 978-3-86393-581-8
Auch als gedrucktes Buch erhältlich:
Neuausgabe © CEP Europäische Verlagsanstalt GmbH, Hamburg 2021
Print: ISBN 978-3-86393-121-6
Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter www.europaeische-verlagsanstalt.de
Meiner Mutter
Vorwort
Einleitung
Teil I:
Die Rezeption der Französischen Revolution und die deutsche politische Kultur
1. Kapitel: Die Geschichtsschreibung der Französischen Revolution
2. Kapitel: Die Französische Revolution im Spiegel der Kode-Matrix
3. Kapitel: Die Modifikation der Kode-Matrix in der deutschen Rezeption der Französischen Revolution
Teil II:
Die Rezeption der Französischen Revolution in der deutschen Geschichtsschreibung des Vormärz
Vorwort
4. Kapitel: Allgemeine Beurteilung der Revolution
5. Kapitel: Prozeß und Hinrichtung Ludwigs XVI.
6. Kapitel: Schlüsselgestalten der Revolution: Mirabeau
7. Kapitel: Girondisten und Jakobiner
8. Kapitel: Schlüsselgestalten der Revolution: Marat – Danton – Robespierre
Nachwort
Anhang
Anmerkungen
Bibliographie
Was bedeutet es, wenn man beschließt, ein im Jahr 1989 erschienenes Buch über dreißig Jahre später erneut zu veröffentlichen? Mehrere Antworten sind auf diese Frage möglich. Das Buch kann zum „Klassiker“ avanciert sein, zum unübergehbaren Teil eines kulturellen Kanons, dem man eine neue Auflage widmet. Es kann auch – damit möglicherweise verschwistert – ein kommerzieller „Dauerbrenner“ sein, den man zwischendurch mal „auffrischen“ muss. Es mag ein an sich wertvolles Werk sein, welches man gleichwohl überarbeiten bzw. ergänzen oder „auf den neuesten Stand“ seines Sujets bringen muss. Die ersten beiden Antworten treffen auf den vorliegenden Band nicht zu – weder „Klassiker“ noch „kommerzieller Dauerbrenner“ –, was die dritte Möglichkeit anbelangt, steht mir als Autor kein Urteil darüber zu. Stattdessen soll hier eine Rechenschaft darüber abgelegt werden, worum es in diesem Buch ging und was sich seit seiner Publikation im Bereich des in ihm erörterten Themenkreises wissenschaftlich zugetragen hat.
Das Buch erschien, wie gesagt, 1989, dem zweihundertsten Jubiläumsjahr der großen Französischen Revolution, in welchem auch die Berliner Mauer fiel; ein Jahr später erfolgte der staatsoffizielle Zusammenbruch der Sowjetunion. Das darf insofern für signifikant erachtet werden, als die gesinnungsmäßige Emphase des Buches sich am marxistischen Strang der Revolutionsgeschichtsschreibung orientierte (Mathiez, Lefebvre, Soboul), mithin die emanzipatorische Ausrichtung der Revolution als Paradigma der Moderne herauszustellen trachtete. Aber mit dem Zerfall des „real existierenden Sozialismus“ (der ja keiner gewesen war) wurde nun dieses Paradigma gleichsam durch die Realgeschichte infrage gestellt, ja von Grund auf erschüttert. Das will wohlverstanden sein: Die Ziele der bürgerlichen französischen Revolution galten mir, dem Marxisten, nur als historische Vorstufe dessen, worum es der Moderne zu gehen hatte: um die gesellschaftliche Befreiung des Menschen, wie sie sich im Marx’ schen Denken als Sozialismus/Kommunisus darstellte. Konnte dies aber zur Zeit der Niederschrift dieses Buches realiter überhaupt antizipiert werden? Natürlich nicht. Dies bedarf aber der Erläuterung.
Ernst Bloch sagte einmal in einem Vortrag: „Sowjetischen Marxisten wurde Marx zum Platoniker, lässt sich sagen, mit einer solchen Reinheit der Idee, und bloß der Idee, dass einem schlecht werden könnte vor solchem Idealismus unter der Maske von Materialismus, von Praxis.“ Eine bittere Erkenntnis des bekennenden Marxisten. Denn was könnte man Marxisten Schlimmeres nachsagen, als dass sie sich dem philosophischen Idealismus – also der Vorstellung, dass Ideen die historische Realität der Gesellschaft bestimmen und nicht die materiellen Grundlagen des jeweiligen sozialen Seins – verschrieben hätten. Zwar ist klar, dass zwischen dem materiellen Sein und dem Bewusstsein ein dialektisches Verhältnis besteht, mithin sich Sein und Bewusstsein stets wechselseitig durchwirken, aber als nachgerade axiomatisch gilt Marxisten der berühmte Satz von Karl Marx: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ Und wenn der philosophische Idealist Hegel von einer gegensätzlichen Reihenfolge von Wirkung und Ursache ausgeht, so wendet sich Marx gerade darin dezidiert dagegen.
Es musste, so besehen, den Marxisten Bloch in der Tat betroffen machen, dass im östlichen Kommunismus gerade im Namen des Marxismus der Überbau (verkürzt ausgedrückt: die Sphäre der Ideen) von der Basis (der materiellen Sphäre menschlichen Seins und Handelns) losgelöst wurde. Der Grund hierfür lag nicht in subjektiv bösartiger Intention, sondern rührte von einem objektiven Strukturproblem her. Bloch hat dies genau erkannt: „Das kann mit dem Boden zusammenhängen, einem Boden, der durch keine bürgerliche Revolution genährt war, der seit der Teilung des ost- und weströmischen Reiches im Jahre 396 immer ferner rückte, der keine Scholastik kennt, keine Renaissance, keine Probleme der Reformation, keine Aufklärung, kein 1789. Auf den Zarismus wurde unvermittelt das kühnste, modernste, zukunftshaltigste Projekt aufgesetzt: der Marxismus, die proletarische Revolution. Hier wurde ein Dach auf den Boden gesetzt, die erste Etage und die zweite fehlen völlig: wo sind da Zimmer und Räume möglich? War es da nicht ganz gesetzmäßig, um einen üblichen Ausdruck der vulgären und schematischen Orthodoxie zu gebrauchen, dass sich Theorie in dieser Praxis bis zur Unkenntlichkeit verändern musste? Wäre dasselbe in einem westeuropäischen Land eingetreten?“
Was sich viele Feinde des Sozialismus nicht klarmachen, wenn sie den Untergang des Sowjetkommunismus schadenfroh als historische Entscheidung im Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus feiern, mithin daraus auch eine historiosophische Schlussfolgerung und endgültige Entscheidung gezogen haben wollen, ist, dass dieser Einwand Blochs sich gerade auf Wesentliches in Marxens Denken berufen darf. Denn – lapidar ausgedrückt – hätte der schiere Gedanke, dass die proletarische Revolution gerade im zaristischen Russland ausbrechen werde, Marx gewiss entsetzt. Das sei kurz erörtert.
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