Aber so wenig sinnvoll es ist, diese »Affären« auszumalen, so nützlich ist es, von ihnen zu wissen, weil aus ihnen hervorgeht, dass Jane Austens Schriftstellertum nicht etwa Kompensation für einen Mangel an weiblichen Reizen war. Sie war keineswegs eine »geborene alte Jungfer«, sondern lebte wie die meisten Teenager und jungen Frauen in der Erwartung, eines Tages zu heiraten. Die ersten erhaltenen Briefe der Einundzwanzigjährigen enthalten übermütige, ironisch gefärbte Bemerkungen über ihre Flirtereien, so am 14. Januar 1796:
Sag Mary, ich überlasse ihr Mr. Heartley und seinen gesamten Besitz zu ihrem ausschließlichen zukünftigen Nutzen und Gewinn, und nicht nur ihn, sondern obendrein all meine anderen Verehrer, wo immer sie sie auftreiben kann, sogar den Kuss, den C. Powlett mir geben wollte, da ich mich von jetzt an einzig auf Mr. Tom Lefroy beschränken will, an dem mir gar nichts liegt.
An der Charakterisierung, Jane sei »der hübscheste, albernste, affektierteste Backfisch auf der Jagd nach einem Mann gewesen«, ist vielleicht durchaus etwas daran, obwohl ihre viktorianischen Nachkommen, die diese Kennzeichnung nicht gerade als Kompliment werteten, nachzuweisen versucht haben, dass die Mutter der Schriftstellerin Mary Russell Mitford, die die Bemerkung gemacht hat, nicht glaubwürdig sei, weil sie in der Nähe Steventons nur gelebt habe, bis Jane zehn Jahre alt war. Ob Jane Austen nicht schließlich doch geheiratet hätte, wenn die Aussichten ihrer Schwester nicht durch den Tod ihres Verlobten plötzlich zunichte geworden wären und sie allein im Haus der Eltern zurückgeblieben wäre, und ob eine Heirat und Kinder – nahezu ständige Schwangerschaften waren damals bei dem Stand der Geburtenkontrolle eher die Regel – ihre literarischen Ambitionen nicht gehindert oder gar zerstört hätten, sind offene Fragen. Sicher ist, dass sie zunächst ledig blieb, weil eine Ehe trotz einiger aussichtsreicher Bewerber nicht zustande kam. Dass sie aber wohl nicht ohne Liebe geheiratet hätte, muss man ihren Romanen entnehmen, in denen die Heirat ohne echte Bindung der Partner immer wieder als eine schreckliche Aussicht dargestellt wird. Auch ihrer Nichte Fanny Knight, die ihre Tante in Liebesangelegenheiten um Rat fragte, gestand sie, dass nichts dem Elend gleiche, ohne Zuneigung an einen Mann gebunden zu sein (30. November 1814). Gerade aber weil es sich hier um einen Punkt handelt, an dem das Literarische und das Biographische in engster Beziehung zueinander stehen, ist es schade, dass der Mangel an sicheren Informationen uns nicht erlaubt, eine solche Verbindung weiter zu verfolgen und dadurch auch die Romane weiter zu erhellen. Es lässt sich aus Andeutungen in ihren Briefen entnehmen, dass Jane die Entscheidung, nicht geheiratet zu haben, später nicht bereut hat.
(3) Die engste Verbindung in der Nachbarschaft bestand zu den Töchtern des Pastors von Deane, Mr. Lloyd, der 1789 starb. Seine Witwe blieb noch einige Jahre im dortigen Pfarrhaus wohnen und zog dann mit ihren unverheirateten Töchtern Mary und Martha – Eliza war schon mit Fulwar Craven Fowle, dem Bruder von Cassandra Austens Verlobtem, verheiratet – nach Ibthrop, nur 18 Meilen von Steventon entfernt, so dass der freundschaftliche Verkehr aufrechterhalten werden konnte. Mrs. Lloyd war eine Tochter der schönen und berüchtigten Lady Craven, die bei ihrem eleganten Leben ihre Kinder auf skandalöse Weise vernachlässigt und misshandelt hatte und die manche Forscher für das Vorbild von Jane Austens Lady Susan in dem gleichnamigen Romanfragment halten. Mary Lloyd heiratete 1797 den verwitweten James Austen, aber Martha blieb noch Jahrzehnte unverheiratet und zog 1805 nach dem Tod ihrer Mutter zu den Austens.
Zu den großen Vergnügungen der Mädchen gehörten vor allem die Bälle, die in den stattlichen Privathäusern der Umgebung oder monatlich einmal öffentlich in Basingstoke stattfanden. Sie nehmen in den frühen Briefen Jane Austens viel Raum ein. Ausführlich wird diskutiert, wer anwesend war, mit wem man getanzt und was man getragen habe, und für die Freundinnen boten diese Feste immer wieder Anlass zu gegenseitigen Besuchen.
Der Bildungsgrad dieser gemischten ländlichen Gesellschaft war dabei wohl nicht durchweg so hoch wie im Haus Austen. Die Ungebildetheit des englischen »Country Squire« ist schließlich schon eine satirische Zielscheibe des Romans im 18. Jahrhundert. Einmal wurde Mr. Austen von einem Grundbesitzer gefragt, ob nun eigentlich Paris in Frankreich oder Frankreich in Paris liege, er habe sich mit seiner Frau darüber gestritten. Es lässt sich schon aus dieser einen kleinen Anekdote ablesen, welche Fundgrube für die kritisch ihre Umwelt taxierende Schriftstellerin Jane Austen, zu deren besonderem Talent die ironische Darstellung leicht grotesker Mitmenschen gehörte, solche Zusammenkünfte gewesen sein müssen. Irgendwo ist sie immer wieder einem betulichen Umstandskrämer wie Mr. Woodhouse, einer geschwätzignaiven alten Jungfer wie Miss Bates, einer gewöhnlichen Neureichen wie Mrs. Cole oder einer sich hochvornehm gebenden Pfarrersfrau wie Mrs. Elton (alle aus Emma ) begegnet und hat schmunzelnd oder bitter ihre charakteristischen Züge und vor allem ihre Art, sich auszudrücken, beobachtet, analysiert und in der literarischen Vorratskammer ihres Gedächtnisses gespeichert.
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