und dann nützen sie nicht einmal
den materiellen Interessen.
Mögen die anderen nur vorwärts
drängen und weiterkommen:
Ich beharre ohne Hast da,
wo der Herr mich hingestellt hat,
und lasse anderen den Weg frei.
Ich möchte mir meinen Frieden bewahren,
denn darin liegt meine Freiheit.
Johannes XXIII .
Ich beginne den Tag mit einer Präsenz-Meditation.
Ich stelle mir einen Raum vor,
an dessen Schwelle ich stehe.
Der Raum ist licht und weit.
Ich spüre, welche Gefühle in mir aufkommen:
Erwartung? Sorge? Aufregung? Freude?
Im Einatmen fließt mir das Heute von Gott her zu,
im Ausatmen drücke ich
meine Bereitschaft und Hingabe aus.
In meiner Vorstellung betrete ich
den Raum des Heute und sage:
„In Gottes Namen!“
Ich beende den Tag mit einer Präsenz-Meditation.
Ich stelle mir denselben Raum vor.
Ich stehe in der Mitte, um mich herum Menschen,
denen ich begegnet bin,
Ereignisse, die mir wie Bilder
an der Wand vorkommen.
Ich gehe durch den Raum,
schaue und verabschiede das Heute.
Ich verlasse den Raum, schließe die Türe zu und sage:
„Gott sei Dank!“
Ich praktiziere immer wieder
das Ritual der Vergegenwärtigung.
Dazu stehe ich auf und atme tief.
Ich öffne meine beiden Hände
und halte sie vor mich hin.
Ich lege die vergangene Zeit –
vielleicht die letzte Stunde
oder auch den gestrigen Tag
oder sogar das vergangene Jahr –
dankbar in die linke Hand und halte sie Gott hin.
Ich lege meine Zukunft –
die nächste Stunde
oder den morgigen Tag
oder das kommende Jahr –
zuversichtlich in die rechte Hand.
Dankbar und zuversichtlich –
ich wiederhole in der Stille einige Male diese Worte.
Dann falte ich die Hände vor der Brust
und versetze mich ganz in die Gegenwart.
Ich gestalte meinen Kalender
zu einem kleinen Kunstwerk
(mit schönem Einband, Fotos von lieben Menschen,
kleinen Gedichten u.Ä.).
Termine, die der Erholung, Kultur
oder Begegnung dienen,
trage ich sorgfältig ein.
Den heutigen Tag kennzeichne ich bewusst
(z. B. durch ein Bändchen oder
einen farbigen Haftstreifen).
Ich achte darauf, heute auch Freiräume für mich,
für Gott und für liebe Menschen zu reservieren.
Ich bezeichne sie mit besonderen Symbolen.
Erstes Gebot der Gelassenheit
Heute, nur heute werde ich mich bemühen, den Tag zu leben, ohne die Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
Ich freue mich, ein Mensch zu sein. Oft schaue ich zurück auf das Vergangene. Manchmal bin ich stolz auf das, was war, manchmal bereue ich es auch. Ich ziehe Konsequenzen, verändere die Situation und hin und wieder kann ich sogar ganz neu anfangen.
Auch das kann ich: vorwärtsblicken. Ich kann Wünsche äußern, Prognosen aufstellen, mir Ziele setzen. Ich kann Strategien überlegen, Vorbereitungen treffen, andere zum Mitmachen einladen. Nein, ich bin nicht ohnmächtig, auch nicht, was die Zukunft angeht.
Nur den heutigen Tag leben? Außer Acht lassen, was gestern war? Was morgen sein wird? Was ich vermeiden sollte? Wofür ich Vorsorge zu treffen habe? – Das fällt mir schwer. Wie gut, dass mich die eigene Vernunft korrigiert – bei aller notwendigen Planung, bei aller Verantwortung über den Augenblick hinaus: Ich lebe jetzt. Ich kann nur das Heute gestalten. Und das genügt.
Wir wissen, wie wichtig nachhaltiges Wirtschaften ist. Wir dürfen nicht in den Tag hinein leben und konsumieren und nur an uns denken. Wir müssen unsere Welt schützen und erhalten. Die Menschen aller Kulturen und Erdteile und ebenso die Generationen nach uns haben ein Recht auf Nahrung, Wasser und Energie. Und auch die Tiere und Pflanzen, ja selbst die Materie – alle Geschöpfe haben eine Würde, die ihnen der Schöpfer gegeben hat.
Was zu tun ist, ist heute zu tun. Heute ist der Tag, an dem wir verpflichtet sind, Versöhnung zu schaffen und am Frieden zu bauen. Heute können und müssen wir mit den Ressourcen der Erde so umgehen, dass sie für alle reichen. Heute ist es unsere Chance, das Gut der Freundschaft miteinander zu teilen. Heute ist es unsere Verantwortung, Mensch zu sein.
Gott des rechten Maßes
Ich bitte Dich
– nur heute –
um das rechte Maß
denn ich bin maßlos geworden
Meine Probleme will ich lösen
und zwar ALLE
und SOFORT
Gib mir Dein Maß:
EIN Tag
HEUTE
ergibt EIN Tagewerk
EIN Schritt
– HEUTE –
ist ein Stück Weg
Hilf mir
– nur heute –
meinen Blick von meinem Weg zu heben
in die Weite zu lenken
das Ganze zu sehen
die Probleme der anderen
und das Wunder des Lebens
an dem ich
– auch heute –
wieder teilhaben darf
Ricarda Moufang
Jakob
In derselben Nacht stand Jakob auf, nahm seine beiden Frauen, seine beiden Mägde sowie seine elf Söhne und durchschritt die Furt des Jabbok. Er nahm sie und ließ sie den Fluss überqueren. Dann schaffte er alles hinüber, was ihm sonst noch gehörte. Als nur noch er allein zurückgeblieben war, rang mit ihm ein Mann, bis die Morgenröte aufstieg. Als der Mann sah, dass er ihm nicht beikommen konnte, schlug er ihn aufs Hüftgelenk. Jakobs Hüftgelenk renkte sich aus, als er mit ihm rang. Der Mann sagte: Lass mich los; denn die Morgenröte ist aufgestiegen. Jakob aber entgegnete: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. Jener fragte: Wie heißt du? Jakob, antwortete er. Da sprach der Mann: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel – Gottesstreiter; denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen. Nun fragte Jakob: Nenne mir doch deinen Namen! Jener entgegnete: Was fragst du mich nach meinem Namen? Dann segnete er ihn dort. Jakob gab dem Ort den Namen Penuël – Gottesgesicht – und sagte: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin doch mit dem Leben davongekommen. Die Sonne schien bereits auf ihn, als er durch Penuël zog; er hinkte an seiner Hüfte (Gen 32, 23–32).
Jakobs Lebensgeschichte ist eine Erfolgsgeschichte. Immer ganz vorne, immer große Pläne, aber oft auch mit ein paar schmutzigen Tricks, um sich durchzusetzen. Schon im Mutterleib hält er seinen Zwillingsbruder Esau an der Ferse fest, er will der Erstgeborene sein. Später erschleicht er bei seinem sterbenden Vater den Segen. Noch viele Geschichten erzählt die Bibel in aller Offenheit, die uns den Ehrgeizling Jakob zeigen.
Aber in dieser Nacht kommt alles ganz anders. Jakob schickt seine Frauen, Mägde und Söhne über den Fluss. Sein Hab und Gut bringt er ans andere Ufer. Dann, als nur noch er ganz allein ist, ringt er um sein Leben. Er kämpft und wird verwundet. Wer ist es, der mit ihm kämpft? Später deutet es Jakob selbst: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen“ (Gen 32, 31).
Jakob wird verletzt und weiß doch, dass ihm dieser Kampf zum Segen wird. „Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest“ (Gen 32, 27b), sagt er zu Gott. Die Verletzung macht ihn zu einem neuen Menschen. Nun geht er seinem Bruder Esau mutig entgegen, er umarmt ihn und weint. Der Kampf mit seinem Schatten, in dem ihm Gott begegnet, hat ihn zu Menschlichkeit und Mitgefühl befähigt.
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