Meinen kritischen Lesern Warner Burke, Michael Brimm und Dick Beckhard verdanke ich wertvolle Hinweise und ständige Ermunterung. Ein anderer Kollege und Freund, David Coghlan, Professor an der Universität von Dublin, hat den Text ebenfalls gelesen und viele wichtige Anregungen gegeben, die aufgenommen wurden. Er hat eine besondere Rolle bei der Entwicklung meiner Ideen gespielt, nämlich durch seine eigenen fruchtbaren Arbeiten zur Prozessberatung und Organisationsentwicklung (Rashford/Coghlan 1994, Coghlan 1997).
Viele folgenschwere Stunden habe ich im Ringen um den Begriff »Lernen« mit meinem Freund und Kollegen Don Michael seit 50 Jahren verbracht; seine Arbeit über Organisationslernen und die Beziehung zur Planung eröffnete eigentlich erst ein Feld, lange bevor der Rest der Welt bereit war es wahrzunehmen und damit umzugehen (Michael 1973).
Von meinen Klienten habe ich in all den Jahren viel gelernt, und einige von ihnen waren ganz besonders hilfreich für mich: Betty Duval von General Foods, Ken Olson und John Sims von Digital Equipment Corporation, Jurg Leupold von Ciba-Geigy und in der letzten Zeit Peter Lanahan von Con-Edison und Laura Lake von AMOCO. Mit ihnen Erfahrungen zu teilen und zukünftige Lernerfahrungen für ihre Klientensysteme zu entwickeln, war stets eine wichtige Quelle meines eigenen Lernens.
Ein Buch zu schreiben ist immer eine stark beanspruchende und strapaziöse Erfahrung. Am dankbarsten bin ich meiner Frau Mary, dass sie sich damit abfinden konnte, dass ich viele endlose Stunden nur physisch anwesend war, während die Gedanken bei Problemen des Buchs verweilten. Ohne ihre Unterstützung hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können.
Edgar H. Schein, Cambridge, MA

I. TEIL
DEFINITION VON PROZESSBERATUNG
In diesem Teil des Buches wird das grundlegende Konzept der Prozessberatung definiert und mit anderen bedeutenden Beratungskonzepten verglichen. Prozessberatung ist eine Philosophie des Helfens – des Prozesses des Helfens und der hinter der Hilfeleistung für Einzelne, Gruppen, Organisationen und Gemeinschaften stehenden Haltung. Es ist mehr als ein Satz bestimmter Methoden, die sich mit anderen Methoden vergleichen lassen. Prozessberatung ist die entscheidende philosophische Grundlage für Organisationslernen und Organisationsentwicklung, da ein Großteil dessen, was der Berater tut, wenn er einer Organisation hilft, sich auf eine zentrale Annahme zurückführen lässt: Man kann einem menschlichen System nur dabei helfen, sich selbst zu helfen. Der Berater weiß nie genug über die gegebene Situation und Kultur einer Organisation, um dieser bestimmte Maßnahmen zur Behebung ihrer Probleme empfehlen zu können.
Wurde andererseits eine effektive helfende Beziehung mit einem Klientensystem aufgebaut, können Klient und Berater die Situation gemeinsam diagnostizieren und angemessene Gegenmaßnahmen entwickeln. Letztlich ist das Ziel der Prozessberatung also der Aufbau einer effektiven helfenden Beziehung. Was der Helfer/Berater dazu wissen und können sollte, welche Haltung zum Aufbau und Erhalt einer effektiven helfenden Beziehung nötig ist und wie diese Philosophie des Helfens umgesetzt werden kann, ist das zentrale Anliegen dieses Buchs.
Die Fähigkeit, eine helfende Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten, lässt sich in vielen zwischenmenschlichen Situationen einsetzen. Eine Therapie oder eine Beratung sind ohne eine solche Beziehung nicht denkbar. Doch ihr Anwendungsbereich beschränkt sich nicht nur auf jene Situationen, in denen die Hilfeleistung im Vordergrund der Beziehung steht. Die Fähigkeit, effektiv zu helfen, ist auch in der Ehe und Partnerschaft, gegenüber Freunden und Arbeitskollegen, Eltern und Kindern sowie gegenüber Schülern von Nutzen. Manchmal wird ausdrücklich um Hilfe gebeten, manchmal spüren wir ein Bedürfnis nach Hilfe, obwohl dies nicht ausgesprochen wird, und manchmal fühlen wir, dass andere Hilfe brauchen, obwohl ihnen selbst dies verborgen bleibt. Die Fähigkeit, darauf zu reagieren, die Helferrolle anzunehmen, wenn um Hilfe gebeten wird oder wenn sie unserem Empfinden nach angebracht ist, macht einen verantwortungsbewussten Menschen aus. Die Philosophie und Methodologie der Prozessberatung sind daher bedeutsam für sämtliche zwischenmenschlichen Beziehungen, nicht nur für jene, die offiziell unter Helfer-Klienten-Beziehung rangieren.
Bei der Betrachtung der nachfolgenden Konzepte sollte der Leser zur besseren Anschauung seine alltäglichen Lebenssituationen heranziehen. Ich selbst habe festgestellt, dass ich am meisten in familiären Situationen und in Freundschaften über helfende Beziehungen lernte und weniger bei offiziellen Beratungssituationen in Organisationen. Weiter habe ich festgestellt, dass es in einer offiziellen Hilfesituation oft dysfunktional ist, sich zu sehr auf »Technik« oder »Methoden« zu konzentrieren statt auf die zwischenmenschliche Realität, die sich aus der Interaktion von Menschen ergibt, die eine Beziehung aufbauen wollen. So wie der Künstler zuerst lernen muss zu sehen, bevor er etwas schaffen kann, muss der Helfer lernen zu erkennen, was genau bei der Entstehung einer Beziehung vor sich geht, die Hilfe ermöglicht.
In den folgenden Kapiteln möchte ich dem Leser dabei helfen, das Geschehen besser zu sehen, und ihm grundlegende Konzepte und vereinfachende Modelle an die Hand geben, um dieses Geschehen besser erfassen und analysieren zu können. Das erste Kapitel enthält einige grundlegende Definitionen, stellt drei verschiedene Beratungs- bzw. Hilfemodelle vor und beleuchtet, inwiefern diese sich unterscheiden. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Hintergründen und spricht psychodynamische Aspekte an, mit denen sich Helfer und Hilfeempfänger auseinander zu setzen haben. Im dritten Kapitel werden die Auswirkungen dieser psychodynamischen Aspekte im Hinblick auf den Aufbau einer helfenden Beziehung untersucht, und es wird der Begriff des »aktiven Fragens« eingeführt. Das vierte Kapitel beschäftigt sich eingehender mit dem Konzept des »Klienten« und stellt im Zusammenhang mit verschiedenen Beratungssituationen, die sich im Verlauf einer Beratung ergeben (vor allem bei der Beratung einer Organisation oder Gemeinschaft), die einzelnen Kliententypen vor. Im zweiten Teil werden sodann Konzepte und vereinfachende Modelle vorgestellt, die dem Berater beim Verständnis der zwischenmenschlichen Realität helfen, auf die er im Verlauf der Beratung trifft.
Nachdem ich es mit einer Vielzahl verschiedener Situationen zu tun hatte, in denen Hilfe benötigt wurde, gelangte ich zu einigen allgemeinen Prinzipien, die meines Erachtens auf all diese Situationen zutreffen. Diese Prinzipien werden in verschiedenen Kapiteln entwickelt.

1. Kapitel
Was ist Prozessberatung
Dieses Buch beschäftigt sich mit den psychologischen und sozialen Prozessen, die eine Rolle spielen, wenn ein Mensch einem anderen zu helfen versucht. Ob ein Therapeut einem Patienten hilft oder mit einer Gruppe arbeitet, ein Elternteil einem Kind zur Seite steht, ein Freund seinem Freund oder ein Organisationsberater mit Managern arbeitet, um eine Organisation zu verbessern – es handelt sich dabei stets um dieselben grundlegenden Dynamiken. Das, was sich zwischen einem Helfer und dem Menschen, dem geholfen wird, abspielt, ist das, was ich »Prozessberatung« nenne. 1
Die Betonung liegt auf »Prozess«, da es meines Erachtens genauso wichtig oder sogar noch wichtiger ist, wie die Angelegenheiten zwischen Menschen oder Gruppen geregelt werden, als was geregelt wird. Das Wie, oder der »Prozess«, verdeutlicht in der Regel eher als das Gesagte, worum es uns wirklich geht. Allerdings haben wir mit dem Prozess häufig weniger Erfahrung. Wir denken zu wenig »in Prozessen«, richten zu wenig das Augenmerk auf sie und setzen sie kaum zur Erreichung unserer Ziele ein. Es ist eher so, dass wir an Prozessen teilnehmen oder welche in Gang setzen, die sogar unseren Zielen entgegenarbeiten. Daher ist es entscheidend, sich mit interpersonellen Prozessen, Gruppen- und Organisationsprozessen sowie Prozessen in Gemeinden zu beschäftigen, sofern man die Funktionsweise von zwischenmenschlichen Beziehungen, Gruppen und Organisationen verbessern will.
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