Peter Gasser
Lerne lieber gehirngerecht!
Wie man neuronale Potenziale nutzen und erweitern kann
ISBN 978-3-03905-751-1
ISBN E-Book: 978-3-03905-910-2
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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1. Auflage 2011
Alle Rechte vorbehalten
© 2011 hep verlag ag, Bern
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Gutenbergstrasse 31
CH-3011 Bern
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Einleitung EINLEITUNG Diese Lernanleitung beruht auf meinem Buch «Gehirngerecht lernen» (hep: Bern 2010) und gibt 40 Lerntipps. Sie sollen das Lernen interessanter, lustvoller und erfolgreicher machen. Man kann beispielsweise die folgende 42-stellige Binärziffernfolge immer wieder lesen – und trotzdem nicht behalten, weil das Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnis hoffnungslos überfordert ist. Es gibt allerdings auch eine Methode, mit der man die Ziffernfolge innert etwa fünf Minuten mühelos speichern und abrufen kann (vgl. dazu den Lerntipp Nr. 15). «Gehirngerecht» heisst hier, von den Fähigkeiten des Gehirns optimalen Gebrauch zu machen. Dies schliesst zwar Mnemotechniken ein, geht aber weit darüber hinaus – und greift ins alltägliche Schul- und Berufslernen ein. Wer gut lernen will, muss gehirngerecht lernen: Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Gehirngerechtes Lernen besteht darin, das Lernen den Funktionen des Gehirns anzupassen und die vorhandenen Potenziale zu nutzen und auszubauen. Das Gehirn lernt so, wie es zu lernen gelernt hat, es ist das Protokoll und Potenzial seiner Benützung. Das Gehirn ist keine fixe Grösse, sondern flexibel und formbar – trotz schlechter Lerngewohnheiten. Wenn wir uns und unser Gehirn daran gewöhnt haben, alles x-mal aufzuschieben, nur unter Druck zu lernen und eine Prüfung erst am Vortag vorzubereiten, nutzen wir das Gehirn zwar auch, aber nicht optimal. Wie man es besser macht, zeigen die 40 Lernideen. Jede dieser Ideen verknüpft Lernhandlungen mit Inhalten, mit mentalen Prozessen und Gehirnaktivitäten. Lernen findet zwar im Kopf statt, aber auch mit Augen, Ohren, Mund und Händen: Lernen ist Handeln. Wer gut lernen will, muss wissen, was er tun und lassen soll. Gehirngerecht lernen ist ein Optimierungsprozess. Dies ist kein Buch zum Lesen, sondern eine Anleitung, die man Schritt für Schritt allein, mit einer Lernpartnerin, mit einer Lerngruppe oder einer Schulklasse ausprobieren kann. Muss Lernen immer Spass machen? Nicht immer, aber meistens – und darüber hinaus kann es Freude und Lust bereiten, Neugier und Interesse wecken! Und von allem Anfang an führt es zu ERFOLG!
1Lernen kann Freude machen! 1 LERNEN KANN FREUDE MACHEN! Lernen ist oft reine Lust – und manchmal totaler Frust. Das ist normal. Wer Skifahren, Snowboarden, Mathematik, Englisch oder Klavierspielen lernt, macht Fehler, erlebt Niederlagen und Rückschläge: Der Weg zum Erfolg ist meistens anstrengend. Oft erleben wir Angst, Fehler zu machen – wir lernen mit Angst. Angstsignale aktivieren das Angstzentrum des Hirns (Amygdala) und stellen uns auf Abwehr, Vermeiden und Flucht (z. B. Spicken, Schwänzen) ein. Das braucht viel Energie. Wir spüren das, wenn wir beim Klettern Angst aushalten und überwinden: Wer Belastungen aushalten lernt, überwindet die Angst. Das ist manchmal nötig. Niemand kommt auf die Idee, Snowboarden und Surfen liessen sich ohne Sturz lernen! Schule ist auch ein Angstbewältigungs-Programm. Meistens ist es besser, auf der Erfolgsspur zu lernen, das heisst mit Lernfreude und Erfolgserwartung. Wir aktivieren dabei das gehirneigene Erfolgssystem. Dabei wird Dopamin produziert, das Lustzentrum (Nucleus accumbens, cingulärer Cortex) aktiviert, und es werden körpereigene Endorphine ins Stirnhirn ausgeschüttet. Lernen macht zufrieden und im Erfolgsfall auch glücklich. Man kann sich Folgendes vornehmen: Ich will in einer Sache jeden Tag etwas besser werden, ich will nach einer Stunde die Rolle rückwärts beherrschen, ich will nach einer Lernsequenz ein Rechenverfahren verstehen. Lernen geht selten von null auf hundert, sondern kommt Schritt für Schritt voran. Man muss sich selber Zeit nehmen und Zeit geben, mit sich selber geduldig sein. Lerntipps: Reduziere die Schwierigkeit, die dir Angst macht. Löse zuerst leichte/einfache Aufgaben! Beginne und beende das Lernen mit einer Sache, die du gerne machst, die du gut kannst! Merke: Lerne schritt- und abschnittweise. Dies entspricht der begrenzten Kapazität des Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnisses (im engeren Sinne des «Einspeicherers» namens Hippocampus).
2Stelle dich aufs Lernen ein! 2 STELLE DICH AUFS LERNEN EIN! Während einer Schulstunde oder während wir Hausaufgaben erledigen, gehen uns Tausende von Gedanken durch den Kopf: Wir denken an Ruths schöne Augen, an den Hockeymatch am Samstagabend, an die SMS von Reto oder an den Mathe-Test in der nächsten Stunde. Gedanken stürmen auf uns ein. Lernen kann aber nur effizient sein, wenn wir uns auf den Lerninhalt einlassen und auf eine Aufgabe konzentrieren, wenn wir aufmerksam mitdenken und das im Unterricht Gehörte mitschreiben, skizzieren, ordnen und kritisch befragen. Wie ist dies möglich? Wie kann man sich auf das Lernen einstellen? Lerntipps: Lüfte den Raum und atme tief durch! Entspanne dich! Das Lockern der Muskelspannung versetzt Körper und Geist in eine gewisse Empfangsbereitschaft. Reduziere ablenkende Reize, schliesse die Augen, rufe mental ein positives Bild hervor! Fokussiere eine Aufgabe, indem du sie halblaut oder leise liest, die Schlüsselbegriffe unterstreichst, die Kernfrage umrandest, die Problemlage skizzierst, eine Frage in Teilfragen unterteilst, einen Bildtext abdeckst und bloss das Bild betrachtest! Wir fokussieren, indem wir (wie ein Chirurg oder eine Chirurgin) das Problemfeld eingrenzen oder reduzieren, indem wir fragen: Worum geht es? Was ist gegeben, was ist gesucht? Was kommt mir bekannt vor? Woran erinnert mich das? Was kann man probieren? » Gewöhne dich an ein gewisses Lernritual! Das Gehirn reagiert auf Lernsignale. Merke: Bringe dich in Lernstimmung – pflege ein Lernritual! Vermeide Ausweichen, Ablenken, Verschieben, Verzetteln ...
3Du kannst überall lernen! 3 DU KANNST ÜBERALL LERNEN! Manche Arbeits- und Lernprozesse sind an Räume (Bibliothek, Labor usw.) oder an Geräte (Drucker, Kopiergerät) gebunden. Lesen, schreiben und reden kann man hingegen fast überall – im Zugabteil, auf dem Crosstrainer, im Tearoom oder auf dem Schiff. Lernen (einprägen, memorieren, wiederholen, trainieren, abrufen und festigen) kann man (fast) überall. Es ist allerdings ideal, einen Arbeitsplatz fix mit Tisch/Pult, Stuhl, Stehpult, Beleuchtung, Bücherregal, Ablageflächen, PC usw. einzurichten (Bildcollage auf der linken Seite). Der englische Gedächtnispsychologe A. Baddeley hat vor 35 Jahren ein Unterwasser-Lernexperiment gemacht: Er liess Taucher Wortlisten unter und über Wasser lernen und reproduzieren. Das Ergebnis: Die unter Wasser gelernten Wortlisten liessen sich auch unter Wasser besser erinnern; was über Wasser gelernt worden war, führte auch über Wasser zu besseren Erinnerungsleistungen. Was bedeutet dies? Offenkundig lernt man nicht nur Inhalte (z.B. Wörter), sondern auch Hinweisreize und sogenannte Kontextinformationen mit, die das Erinnern anregen und erleichtern können. Lerntipps: Wähle für anspruchsvolles und hoch konzentriertes Lernen möglichst gleichbleibende Orte, Lernzeiten und Methoden aus! Probiere verschiedene Lernorte und Körperhaltungen (stehen, gehen, sitzen, liegen) aus! Nutze beim Erinnern die mit den Lernorten verbundenen Hinweisreize («Ich sehe das Plakat an der Wand neben meinem Pult ...»)! Merke: Schaffe selber eine Lernumgebung mit Hinweisreizen (z.B. Zettelwand, Merkhilfen, Lernsignale)!
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