Faszinierend ist auch die Tatsache, dass Golfer mit Handicap 42 behaupten: „Aber putten kann ich super“. Können sie nicht, denn sonst hätten sie nicht Handicap 42. Das Stableford-System, das übrigens ein Herr Stableford 1898 aufgrund der endlosen Zählspielrunden mit seiner Gattin erfunden haben soll, macht es allen Golfern möglich, sich als Sieger zu fühlen. Golf ist einfach toll.
„… is a 180-m-walk to the green, with the putter in your hands“. Das ultimative Glücksgefühl des Profigolfers muss es wohl sein, 180 Meter vor dem Grün, den Putter vom Caddy in die Hand gedrückt zu bekommen, und diese 180 Meter anschließend mit vollem Genuss zum Grün zu schlendern. Zumindest vermitteln die Champs im Fernsehen dieses Gefühl, lassen das Eisen 4 lässig auf die Tasche fallen, nehmen den Putter aus dem Bag, streifen das Häubchen ab und marschieren, ziemlich arrogant, drauf los. Da wir Amateure keinen taschetragenden Caddy bei uns haben, kommen wir auch nicht in den Genuss dieses Glücksgefühls. Naja, vielleicht treffen wir aber auch selten aus 180 Metern das Grün. Aber alleine der Gedanke daran ist toll!
Wie widersprüchlich Golf in sich ist, zeigt uns, dass das eigentlich Schönste an diesem Spiel ist, zu sehen, wie der Ball in einem hohen Bogen zum Ziel fliegt. Unsere Stimmung und unser Glücksgefühl werden aber immer besser, je weniger Schläge wir machen, also je weniger oft wir das sehen und erleben, was uns eigentlich glücklich macht. Macht dies Sinn?
Bei all der Aufregung um das Thema Golf, dem Spaß, dem Ernst, dem Glück, dem Leid, dem Frust und der Genugtuung, darf man eine Sache jedoch nie vergessen: „Golf haben Menschen erfunden, die behaupten, gute Musik kommt aus dem Dudelsack!“. Dieses Spiel ist anders, muss anders sein und treibt uns jedes Mal zum Wahnsinn, im Positiven wie im Negativen.
„Taiger & Wutz“ ist das Ergebnis meiner Erfahrungen vieler Runden mit Bekannten und Unbekannten und ihrem so ungemein wichtigen Handicap (welches sie auf eine Kommastelle genau kennen!!!), das sie verbessert haben, ohne eine einzige Trainerstunde genommen oder wöchentlich den neuesten Driver gekauft zu haben. Wir waren nicht mal auf dem Platz oder der Driving Range. Unsere Gespräche fanden an der Bar, am Telefon oder sonst wo statt.
Denn um Golf zu verstehen, muss man keinen Schläger in der Hand haben. Golf ist eine der wenigen Sportarten, bei dem der Sportler alleine für alles selbst verantwortlich ist. Kein Ball war zu schnell, kein Gegner zu grob. Die Hindernisse auf der Spielbahn, wie Bunker oder Teiche, stehen dort seit vielen Jahren und werden auch morgen noch an derselben Stelle sein. Der einzige, der sie ins Spiel bringen kann, bist Du. Es reduziert sich alles auf Dich allein. Daher macht es Sinn, dass Du verstehst, wie dieses Spiel funktioniert.
Handicap, Ausrüstung und Golflehrer
Bevor wir uns dem eigentlichen Thema von „Taiger & Wutz“ nähern, müssen wir erst einmal ein wenig aufräumen. Aufräumen, was Deine Träume angeht, Dein Bag aufräumen und letztendlich mit Deiner Art zu Trainieren oder Üben aufräumen. Denn diese ist mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit falsch.
In „Taiger & Wutz“ geht es zwar auch darum, was Du tun musst, um besser zu werden, doch es ist mehr als ausreichend, die Dinge, die Du bisher falsch gemacht hast, zu ändern. Du wirst feststellen, dass alleine dies ausreicht, um Dein Handicap zu verbessern. Fakt ist, dass erfolgreiche Golfer nicht unbedingt mehr Dinge richtig machen als andere, aber definitiv weniger falsch.
Das erinnert mich immer an eine Aussage von Pep Guardiola: „Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen“. Also: So lange Du den Ball beim Golf im Spiel hältst, passiert viel weniger. Denn die Striche auf Deiner Score-Karte kommen von Bällen im Wasser, im Aus oder in unspielbaren Lagen.
Golf ist ein tolles Spiel, ein toller Sport fürs Leben, denn Du wirst bis ins hohe Alter golfen können. Vorab macht es jedoch Sinn, Dich zu fragen,
•was Du im Golf erreichen willst,
•wie Deine körperlichen Voraussetzungen dafür sind und
•wie viel Zeit Du für die Erreichung Deines Ziels bereit bist einzusetzen.
Denn sind wir doch mal ehrlich: Zeit hat doch keiner wirklich, und den Einsatz zu bringen, über Monate hinweg zwei mal die Woche auf die Range zu gehen, ist nicht unbedingt das, was man sich vorstellt, nur um sein Handicap um fünf Schläge zu verbessern.
Ich liebe es, vom Pro zu hören, dass es Sinn macht, meinen Schwung umzustellen, nur damit ich von Handicap 28 auf 18 komme. Na dann mal viel Spaß. Das dauert zwei Jahre (wenn man fleißig übt) und man wird keinen großen Spaß dabei haben. Ich selbst habe bei einem Bekannten mit Handicap 1 erlebt, wie er den Pro gewechselt hat, da dieser ihn auf ein neues Niveau bringen könne. Der Schwung wurde umgestellt und der Frust war da. Er hat dann die Saison bereits im Juli beendet, denn der Spaß auf dem Golfplatz war ebenfalls umgestellt – auf „kein Spaß mehr“. Das kann es doch nicht wert sein.
Ohne dieses Wort wäre Golf für uns alle vermutlich viel entspannter, denn wir wären nicht ständig auf der Jagd nach der Verbesserung dieser so seltsamen Zahl. Fast alle Golfer definieren ihr Ziel im Golf nahezu exakt über ihr Handicap, ohne sich über die oben genannten Fragen vorab Gedanken gemacht zu haben. Erst ist es die Platzreife, damit man überhaupt auf die Runde darf. Dann soll es bitte schnell Handicap 36 werden, denn viele tolle Plätze versuchen den Strom an Greenfee-Spielern zu regulieren, in dem sie sagen „bei uns bitte erst ab Handicap X“. Dann werden die Ziele immer höher, denn schlussendlich will man ja einstellig sein. Einstellig beginnt für viele Golfer seit ein paar Jahren übrigens bereits bei 9,9 („Juhuu – endlich einstellig“), auch wenn dies mathematisch eindeutig Handicap 10 entspricht.
Sein Ziel definiert der Golfer schnell, klar und einfach über das Wort „Handicap“. Doch eine Idee, einen Plan, wie er sein Ziel erreichen kann, hat er nicht wirklich. Oft verfällt der Golfer dann in einen sinnlosen Aktionismus, indem er den mehrfach wöchentlichen Gang zum Pro des Clubs sucht, und er den monatlichen Kauf des neuesten Drivers für sinnvoll erachtet. Denn auch mit Handicap 48 wird man doch das Par 5 mit zwei Schlägen gefälligst erreichen können.
Beim Golf ist die Verbesserung Deines Handicaps aber an verschiedene Bedingungen geknüpft, vor allem an die, dass Du das Spiel verstehen sollst. Leg Dir eine sinnvolle Strategie für Deine Golfrunde zurecht und halte Dich an diese. Denn nur dann wird sich auch der dauerhafte Erfolg einstellen. Auch im Golf wird es Glückstage geben, die Dir ein außergewöhnlich gutes Turnier bescheren, doch was bringt Dir Handicap 17,3, wenn Du bei jedem Turnier nur 27 Stableford-Punkte spielst, oder nach jeder Runde mit Deinen Jungs am Ende das Bier zahlen musst? Durch die aktuell so beliebten Neun-Loch-Turniere, bei dem Dir für die nicht gespielten neun Löcher 18 Stableford-Punkte geschenkt werden, oder die Gesamtergebnis-Korrektur durch den CBA, haben sich die Handicaps in den letzten Jahren in eine unrealistische Richtung bewegt. Sei ehrlich zu Dir selbst und stelle anhand Deiner Privat- oder Turnierrunden fest, welches Handicap Du wirklich in der Lage zu spielen bist. Wenn nicht regelmäßig mindestens 31 Stableford-Punkte auf der Score-Karte stehen, dann wird Dein Handicap nicht ganz realistisch sein.
Was haben denn die Profis für ein Handicap?Grundsätzlich haben die Profis natürlich kein Handicap mehr, da es auf der Tour ja keine Netto-Wertung gibt. Doch die PGA Tour macht sich den Spaß und führt bei manchen Spielern ein Handicap (inoffiziell) weiter. So stehen ein Martin Kaymer oder ein Phil Mickelson derzeit bei +5,9. Hierzu sollte man bedenken, dass die beiden derzeit sicherlich nicht in der besten Phase ihrer Karriere sind. Phil Mickelson befindet sich aktuell auf Rang 17 und Martin Kaymer auf Rang 64 in der Weltrangliste (Stand Juni 2016). Zudem sind die Plätze der Tour für den Normalgolfer sicherlich absolut unspielbar (hohes Rough, schnelle Grüns, krasse Pin-Positions) und sehr hoch geratet (Slopes zwischen 140 und 145). Die Handicaps der Tour Professionals, bei den uns bekannten Bedingungen und Plätzen, würden sicherlich bei +10 liegen.
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