Sie stärken damit das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung fremdsprachlichen und kulturellen Lernens. Das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung muss gerade angesichts der Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, als Leitprinzip pädagogischen Handelns gelten; es bestimmt die Auswahl der Lerngegenstände und hat Auswirkungen auf Motivation und Involviertheit der Lernenden (vgl. Kramsch 2014). Denn von der Grundschule bis zum fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht in der Gymnasialen Oberstufe bilden für Lernende bedeutungsvolle und relevante Themen die Referenzfolie für die gemeinsame Spracharbeit. Ohne sie und ohne ein vertieftes Verständnis ihrer Bedeutung in kulturellen Zusammenhängen wird es Lehrkräften nicht gelingen, Prozesse anzustoßen und zu strukturieren, die dabei helfen, multilinguale Individuen zu erziehen, die sensibel mit sprachlicher und kultureller Diversität umgehen können, die selbstbewusst und mit Respekt gegenüber anderen nach Lösungen suchen, Erklärungen finden und abwägen. Auch die Debatten der letzten Jahre um aufgabenorientierten und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht mit dem Kernkonzept der komplexen Lernaufgabe (Hallet 2011; Müller-Hartmann/Schocker-v. Ditfurth 2013) bestätigen, was eigentlich eine Banalität darstellt, dass es Sprache und Sprechen ohne Inhalte nicht gibt. Damit diese Verknüpfung gelingen kann, sind Lehrkräfte vonnöten, die gelernt haben, kulturelle Zusammenhänge zu durchdringen und zu verstehen, die über Erklärungswissen verfügen, Gattungen, ihre Ausprägungen und Entwicklungen kennen, kurz, die ihr Fach studiert haben mit einem zu erwartenden, doppelten Ertrag: Zum einen verfügen sie über ein breites und vertieftes Fachwissen und zum anderen besitzen sie, da sie im Laufe des Fachstudiums selbst als interkulturell Lernende in vielfältige Diskurse verwickelt waren, reiches Erfahrungswissen. In gleicher Weise bedeutsam für das Handeln der Lehrkräfte sind zweifelsohne die linguistischen Anteile des Faches: Um Reichweite und Funktion von Sprache anderen erklären, um sprachliche Mittel strukturieren, Äußerungen von Lernenden einschätzen und mit angemessenen Strategien weiterentwickeln zu können, um Lernschwierigkeiten und -potentiale zu erkennen, sollten Lehrkräfte über vertieftes Wissen zur Ausgangs- und zur Zielsprache, deren Strukturen und Geschichte verfügen. Unter welchen Bedingungen es gelingt, sprach-, literatur- oder kulturwissenschaftliche Wissenskomponenten in unterrichtliches Handeln zu überführen, gehört zu den bislang kaum erforschten Thematiken der Lehrerausbildung. Die Beiträge von Kirchhoff und Hoinkes/Weigand in diesem Band verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen eine solche Forschung zu rechnen hat. Dass die über Fachtraditionen entwickelten Angebote in den Studienprogrammen dieser Aufgabe gerecht werden, kann jedoch bezweifelt werden. Sie sollen in der Regel polyvalente Funktionen erfüllen, sind also nicht in erster Linie dazu konzipiert, das Professionswissen und -können von Fremdsprachenlehrkräften zu befördern und zu bilden. Wir brauchen daher forschungsbasierte Antworten auf die Frage, wie das Fachwissen in die Lehreraus- und fortbildungsprogramme integriert werden kann, ohne dass man dabei die Belange der Praxis aus den Augen verliert oder aber in Praktizismus verfällt. Exemplarisch lässt sich die Suche nach geeigneten Wegen des Umgangs mit dem Fachwissen an den nationalen und internationalen Diskussionen um die Entwicklung von Schreib- und Lesekompetenz im Englischunterricht der Grundschule zeigen (Frisch 2013). Jöckel legt im Beitrag zu diesem Band dar, wie Lehrkräfte in einer Fortbildungsreihe zu diesem Thema durch die Einführung und das spiralförmige Wiederaufgreifen grundlegender linguistischer Fachinhalte, die in der Ausbildung nicht vermittelt wurden, dafür qualifiziert werden, Gelingensbedingungen für die Anbahnung von Lesen und Schreiben differenziert zu erörtern. Jöckel zeigt, wie über das Bewusstmachen ihrer alltäglichen Handlungspraxis, über das gemeinschaftliche Entwickeln und Analysieren von Übungen bei gleichzeitiger, zyklischer Bearbeitung linguistischen Fachwissens Lehrkräfte ihre Selbstwirksamkeit im eigenen Unterricht erleben, die wesentlich durch die Beiträge der Gruppe bestimmt ist. Weitere Ansatzpunkte für eine enge Verzahnung der fachbezogenen Wissensdimension mit den anderen Dimensionen von Lehrkompetenz werden wir im Abschnitt 3 thematisieren. 2.4 Lehren und Lernen Dass der Fremdsprachenunterricht – wie jede andere Form institutionalisierten Lehrens und Lernens – als ein von den Beteiligten gestalteter sozialer Prozess betrachtet werden muss, gehört heute zu den konstitutiven Leitgedanken der Fremdsprachendidaktik. In Klassenräumen treffen in jeweils besonderen zeitlichen und örtlichen Konstellationen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Prägungen, Charakteren, Interessen, Erwartungen und Werten aufeinander. Sie bilden temporäre Gemeinschaften und erschaffen dabei eine ganz eigene Spielart von Kultur (vgl. Block 2003; Breen 1985). Wirft man den Blick nur wenige Jahrzehnte zurück, so wird deutlich, wie umfassend sich durch diese Erkenntnis Forschung und Lehre veränderten. Die Aufmerksamkeit verschob sich auf die handelnden Individuen, ihre Kompetenzen, ihre Wahrnehmung und ihre Entscheidungen. In dem Maße, wie die Methoden ihre vorherrschende Stellung innerhalb der Fremdsprachendidaktik verloren, gewannen also die Lernenden und die Rolle der Lehrenden an Gewicht. Eine Entwicklung, die sich auch auf die Aus- und Fortbildung auswirken musste. Wir möchten deshalb in diesem Abschnitt die Konsequenzen thematisieren, die sich für die Lehrkompetenzen ergeben, wenn der Fremdsprachenunterricht – so wie Freeman es beschreibt – ernstgenommen wird in seiner sozialen Bedingtheit: The conventional view that content is language with a social dimension needs to be recast. In the language classroom, the content is social processes, which have a language dimension. The social processes are fundamental to the classroom as a classroom; the new language fits into that ecology. (Freeman 2016: 36) Bis in die 1980er Jahre hinein dominierte die Vorstellung, das Erlernen einer Fremdsprache ließe sich kontextunabhängig auf der Grundlage einer wissenschaftlich begründeten Methode organisieren. Deren konkrete Ausgestaltung veränderte sich zwar im Wechsel der akademischen Moden, konstant blieb jedoch die Annahme, Unterricht sollte im Sinne einer „Erzeugungsdidaktik“ (Arnold u.a. 2014) als ein potentiell vorhersehbarer und damit detailliert planbarer Prozess konzipiert werden. Entsprechend eng begrenzt waren die Gestaltungsspielräume, die man Lehrenden zuwies, fiel ihnen doch vor allem die Aufgabe zu, Methoden möglichst maßgerecht umzusetzen. Das wiederum wirkte auf deren Ausbildung zurück: Die Programme konzentrierten sich tendenziell darauf, neben den im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Inhalten vor allem Wissen über bestimmte Unterrichtstechniken und -verfahren zu vermitteln. Im Zuge der Hinwendung zum sozialen Charakter des Lernens setzte sich aber auch in den Fremdsprachendidaktiken die Erkenntnis durch, dass der Unterricht in seinem grundlegenden Charakter verkannt wird, wenn man das pädagogische Handeln im Klassenraum auf das Abarbeiten von Planungsschritten beschränkt. So wie Lehrende die von Methoden formulierten Vorgaben letztlich sehr unterschiedlich interpretieren und umsetzen, nehmen auch Lernende die unterrichtlichen Inhalte und Aktivitäten verschieden war. Ihre Reaktionen auf die pädagogischen Impulse hängen von weit mehr ab als einer gewissenhaften Vorbereitung und Begleitung durch die Lehrperson und können daher nur bedingt im Voraus geplant werden. Zwischen den pädagogischen Intentionen und den Lernergebnissen lassen sich somit keine eindeutig kausalen Beziehungen knüpfen. Unterricht muss vielmehr als eine hochgradig unsichere Unternehmung verstanden werden.
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