Aufgrund des Unabdingbarkeitsgrundsatzes in § 13 BUrlGkann der gesetzliche Mindesturlaubi.H.v. 20 Tagen nicht durch eine Tarifnorm ausgeschlossen werden. Zulässig ist es hingegen, den darüber hinausgehenden Mehrurlaub i.H.v. 10 Tagen entsprechend zu kürzen.
Ein vollzeitbeschäftigter Tarifbeschäftigter erkrankt ab August 2018 schwer und ist fortwährend arbeitsunfähig bis zu seinem Ausscheiden im September 2021. Ab dem 1.11.2019 bezieht er eine Rente auf Zeit.
Der Arbeitnehmer erhält in 2018 seinen vollen Jahresurlaub von 30 Tagen. Denn die Erkrankung steht der Entstehung von Urlaubsansprüchen nicht entgegen.
Bis zum 31.10.2019, vor Beginn der Rente auf Zeit, steht dem Arbeitnehmer ein anteiliger Urlaubsanspruch von 10/ 12von 30 Tagen, folglich 25 Tage zu.
Ab November 2019 kann der tarifliche Mehrurlaub, jedoch nicht der gesetzliche anteilige Mindesturlaub gekürzt werden, so dass sich ein anteiliger Urlaub von 2/ 12von 20 Tagen Mindesturlaub = 3,33, gerundet 3 Tage ergibt. Damit steht dem Arbeitnehmer in 2019 ein Urlaub von 28 Tagen zu.
Im Jahr 2020 entsteht ein Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen.
Gleiches gilt für 2021. Indem der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit nicht in der ersten Kalenderjahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, steht ihm nach § 3 BUrlG der volle Mindesturlaub zu.[44]
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Gem. § 28 TVöDkönnen Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlauberhalten.
Während die Rechtsprechung selbstverständlich davon ausgegangen war, während eines Sonderurlaubs Urlaubsansprüche anteilig pro Kalendermonat zu kürzen, machte das BAG eine kurze Kehrtwende.[45] Der Entscheidung lag der Fall einer bei der Charité in Berlin beschäftigten Krankenschwester zugrunde, der Sonderurlaub zur Pflege eines nahen Angehörigen bewilligt worden war. Nach Ablauf des Sonderurlaubs schied die Krankenschwester aus dem Arbeitsverhältnis aus und forderte sodann die Abgeltung von während der Zeit des Sonderurlaubs entstandener Urlaubsansprüche. Während die Charité ihr einen „Urlaub vom Urlaub“ verwehrte, sprach das BAG einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch zu.
Mit neuer Senatsbesetzung hat das BAG nunmehr von dieser Auffassung Abstand genommen und entschieden, dass unbezahlter Sonderurlaub nicht mehr hinsichtlich der Urlaubsberechnung zu berücksichtigen ist.[46] Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu beachten, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels Arbeitspflicht kein Anspruch auf Sonderurlaub zusteht.
Die aktuelle Auffassung des BAG überzeugt auch deshalb, weil zwischenzeitlich mancher Arbeitgeber berechtigten Sonderurlaubsbegehren nicht entsprochen hat, weil er nicht bereit war, für Zeiten nicht erbrachter Arbeitsleistung und bei Verzicht auf die Arbeitskraft gleichwohl Urlaubsansprüche gewähren zu müssen.
Möchte ein Arbeitnehmer nur für einen kurzen Zeitraum Sonderurlaub geltend machen und gleichwohl in den Genuss von Urlaubsansprüchen kommen, muss er einen Antrag auf Sonderurlaub stellen, der zwar monatsübergreifend, jedoch nicht monatsfüllend ist.
Ein Arbeitnehmer beantragt Sonderurlaub vom 2.2.2021 bis 29.3.2021. Da keine vollen Kalendermonate betroffen sind, steht dem Arbeitnehmer gleichwohl der gesamte Jahresurlaubsanspruch zu.
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Um den Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern, wurde das PflegeZG geschaffen.
Zum einen sieht § 2 PflegeZGbei kurzzeitiger Arbeitsverhinderungeinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber vor.
Zum anderen kann ein Beschäftigter eine Pflegezeitin Anspruch nehmen, soweit der Arbeitgeber mehr als 15 Personen beschäftigt, § 3 PflegeZG.
Während die kurzzeitige Arbeitsverhinderung maximal zehn Arbeitstage umfasst und damit Urlaubsansprüchen nicht anspruchsmindernd entgegensteht, umfasst die Pflegezeit bis zu sechs Monate, wie § 4 Abs. 1 PflegeZG zu entnehmen ist. Um Urlaubsansprüche während der Pflegezeit nicht entstehen zu lassen, wurde mit der letzten Reform des PflegeZG in § 4 Abs. 4 PflegeZG die ergänzende Regelung aufgenommen, dass der Arbeitgeber Erholungsurlaub, der dem Beschäftigten für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung um ein Zwölftel kürzen kann. Wie bei der Elternzeit macht hiervon der öffentliche Arbeitgeber Gebrauch.
Eine in einer 4-Tage-Woche tätige Arbeitnehmerin nimmt Pflegezeit vom 15.4.2021 bis zum 28.8.2021 in Anspruch. Damit hat sie drei volle Kalendermonate – Mai bis Juli nicht gearbeitet, so dass der Urlaubsanspruch entsprechend zu kürzen ist. Ihr steht damit ein Anspruch von 9/ 12von 24 Tagen, folglich 18 Tage zu.
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Ruht das Arbeitsverhältnis nicht, entsteht grds. auch ein Monat für Monat fortlaufender Urlaubsanspruch. Allerdings hat auch hierbei die Rechtsprechung Ausnahmen von diesem Grundsatz festgelegt.
Nichtruhende Arbeitsverhältnisse |
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit |
Mutterschutz |
Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation i. S. v. § 9 EFZG |
Freistellungsphase in der Altersteilzeit |
Sabbatical |
Langzeitkonten |
§ 3 EFZG, § 44 SGB V, § 22 TVöD |
§ 3 MuSchG, § 16 MuSchG |
§§ 6, 10 TV FlexAZ |
§ 10 Abs. 6 TVöD |
a)Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit
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Nach der gefestigten Rechtsprechung ruht das Arbeitsverhältnis nicht, soweit ein Beschäftigter krankheitsbedingtseine Arbeit nicht erbringen kann. Nach § 3 EFZGerhält er zunächst bis zur Dauer von sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, ggfs. nachfolgend einen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB Vund ggfs. ergänzt um einen Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach § 22 TVöD.
Während dieser Zeit erwirbt der Arbeitnehmer trotz fehlender Leistung gleichwohl einen Urlaubsanspruch. Selbst wenn der Arbeitnehmer im gesamten Kalenderjahr keinerlei Arbeit krankheitsbedingt erbringen konnte, steht ihm der volle Jahresurlaubsanspruch zu. Das erscheint insoweit befremdlich, als dass der Urlaub dazu gedacht ist, sich von der erbrachten Arbeit zu erholen und Freizeit zu gewähren. Letzteres gelingt stets. Es darf jedoch die Frage aufgeworfen werden, wie sich ein Arbeitnehmer von der Arbeit, die er u.U. über Jahre hinweg nicht erbringen konnte, erholen können soll.
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Um die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit zu schützen, hat das MuSchG einen besonderen Gesundheitsschutz für (werdende) Mütter bestimmt.
Nach § 3 MuSchGerstreckt sich der allgemeine Mutterschutzgrds. auf die Zeit der letzten sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Für Früh- und Mehrlingsgeburten sowie bei Kindern mit einer Behinderung bestehen umfangreichere Schutzpflichten. Darüber hinaus kann ein ärztliches Beschäftigungsverbotfür die schwangere Frau nach § 16 MuSchGerforderlich werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
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