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Neben den nötigen Kompetenzen spielt auch die Freiheit von Interessenkonflikteneine große Rolle für die Akzeptanz des Projektes und seiner Ergebnisse.[11] Werden bspw. im Rahmen der Internal Investigation zusätzlich zu der stets zu prüfenden einfachen Handlungsverantwortung für einen Compliance-Verstoß auch die Führungsverantwortung sowie die Berichts- und Aufsichtsverantwortung auf Ebene der Unternehmensleitung untersucht, ist das Projekt sinnvollerweise von einer davon unabhängigen und neutralen Instanz als für das Projektergebnis Verantwortlicher (sog. Sponsor) zu betreuen. Dies kann in der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat, in einer GmbH oder einer Personengesellschaft der Gesellschafter sein. Die aktienrechtliche Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG)[12] kommt insoweit den Vorstellungen einer unabhängigen und kompetenten Prüfung nahe, auch wenn eine Internal Investigation nicht an diese Vorgaben gebunden ist. Wird ein Wirtschaftsprüfer, der gleichzeitig Abschlussprüfer der Gesellschaft oder des Konzerns ist, mit der Durchführung der Internal Investigation beauftragt, gelten für ihn deutlich restriktivere Anforderungen.[13]
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Die Verantwortung und Haftungfür fachgerechte, nachvollziehbare und willkürfreie Projektergebnisse zählt ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren – besonders dann, wenn Externe beauftragt sind. Zwar ist für Tatsachen, die nicht bekannt, nicht erreichbar oder nicht herausgegeben waren (bspw. infolge von datenschutzrechtlichen Schranken), auch eine Haftungsfreistellung erforderlich. Da aber die Internal Investigation in erheblichem Umfang Ressourcen des Unternehmens in Anspruch nimmt, haben sich Auftraggeber der Untersuchung und Projektmanager regelmäßig verantwortlich Rechenschaft darüber abzulegen, ob und in welchem Verhältnis der jeweilige Projektstatus zum geplanten Budget, den Teilzielen des Projekts und dem voraussichtlichen Ergebnis stehen. Zwar steht dem Unternehmen ein weites Ermessen zu, in welchem Umfang Mittel für die Untersuchung ausgegeben werden. Das interne und externe Projektteam hat aber in eigener Verantwortung nach dem Stand aktueller Gesetzgebung, Rechtsprechung und Fachkunde seine Arbeitsergebnisse zu vertreten. Schon aus eigenem Interesse wird daher das Team in umfangreichen Projekten für eine ausreichende Qualitätssicherung[14] (bspw. gutachterlicher Rat, freiwillige Vorlage der Arbeitsergebnisse bei einem Peer-Review etc.) und eine ausreichende Haftpflichtversicherungsorgen müssen.
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Zuletzt sind auch die rechtzeitige, vorausschauende und angemessene Steuerung von Projektrisiken[15] zu bedenken. Dazu gehören wiederum externe und interne Risiken. Ein erstes internes Risiko ist die Ergebniserwartung selbst. Fördert die Internal Investigation andere Ergebnisse zutage, als dies der Auftraggeber wünscht, ist rechtzeitig auf die Notwendigkeit eines Erwartungsmanagements hinzuwirken. Ein weiteres internes Risiko ist der zu erwartende psychologische Widerstand gegen das Untersuchungsziel und die Durchführung von Untersuchungen überhaupt. Je tiefer Rechtsverletzungen, Verfahrens- und Kompetenzverletzungen aufgedeckt werden sollen, je mehr Kausalitäten und Verantwortlichkeiten personal zugeordnet sowie daraus innerbetriebliche Konsequenzen erwachsen sollen, umso mehr tauchen Widerstände auf, treten Skeptiker, Bremser und Gegner auf den Plan. Solche Situationen, die aus Change Management-Projekten bekannt sind,[16] müssen in die Planungen einbezogen werden. Während der gesamten Internal Investigation hat das Projektteam mit Ängsten der Mitarbeiter zu kämpfen, die durchaus nicht nur mit Angst vor den Konsequenzen einer Strafverfolgung gleichgesetzt werden können. Es bestehen Ängste oder auch Aggressionen wegen einer persönlichen Diskreditierung, einem Reputationsverlust, Angst vor Vermögens- und Arbeitsplatzverlust; all dies kann durchaus auch mit Neid, Eifersucht oder anderen Motiven begleitet oder vermischt sein. Dem so erkennbaren Widerstand muss frühzeitig durch Aufklärung, Motivation und Überzeugung, ggf. aber auch durch disziplinarische Maßnahmen begegnet werden. Da die Internal Investigation in der Regel die thematische Aufdeckung von Fehlverhalten bezweckt, ist es ratsam, rechtzeitig mit den Unterstützern der Untersuchung einen Schulterschluss zu finden, möglichst viel Überzeugungskraft in eine Motivation von passiven oder skeptischen Personen zu investieren. Gerade dann, wenn das Unternehmen in eine kommunikative oder strafrechtliche Krise (durch Ermittlungen von Behörden gegen das Unternehmen) gerät, sind besonderer Einsatz, Wertneutralität, Objektivität und Professionalität gefragt.
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Externe Projektrisikenkönnen bspw. darin liegen, dass die Untersuchung es nicht ermöglicht, dem Bedürfnis nach geeigneter und nachhaltiger Krisenreaktion als Antwort auf die die Krise auslösende oder bestimmende Quelle (Kartellbehörde, Ermittlungsbehörde, Kläger in einem Discovery-Stadium, sonstiger Verfahrensanlass) zügig, in geeigneter Weise und Form sowie dauerhaft zu begegnen. Unabhängig davon, welcher Zweck der Internal Investigation vorgegeben ist (s.o.), muss ständig reflektiert und angepasst werden, wenn zu erwarten sein sollte, dass die Krisenreaktion scheitert oder die Ergebnisse der Internal Investigation eine Krise weiter vertiefen. Daher haben gerade solche äußeren Einflüsse bestimmenden Einfluss auf Art, Umfang und Ergebnisfindung der Internal Investigation.
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Umgekehrt wird der externe Projektteilnehmer bei seinem Auftraggeber eine Haftungsfreistellungvon etwaigen Ansprüchen Dritter erbitten, die gegen den Auftraggeber oder den Projektteilnehmer vorgehen, um die Beauftragung oder die Art und Weise der Internal Investigation als solche versuchen zum Scheitern zu bringen. Auftraggeber und externer Projektteilnehmer sollten sich darüber einig sein, dass der externe Beauftragte nur für eigenes Fehlverhalten haften kann, nicht aber für interne Widerstände, unzureichende Informationen oder konstruktive Fehlentscheidungen des Auftraggebers. In den vertraglichen Grundlagen der Internal Investigation ist daher dem externen Projektteilnehmer eine entsprechende Haftungsfreistellungsklausel grundsätzlich zu empfehlen.
c) Information und Kommunikation
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Unabhängig von Art, Umfang, Dauer und Erfolg von unternehmensinternen Aufklärungen sind in einem Projekt dieser Art interne und externe Information und Kommunikationzu bedenken. Unter interner Information wird der Austausch von projektrelevanten Informationen sowohl zwischen den Teammitgliedern als auch zwischen Projektleiter (der sog. „owner“) und dem zuständigen Mitglied des Leitungsgremiums (der sog. „sponsor“) verstanden. Unter externer Information und Kommunikation ist grob gesagt sowohl die Berichterstattung der Geschäftsleitung, evtl. der Kontrollgremien, als auch die Information mit externen Behörden (bspw. Kartellbehörde, Staatsanwaltschaft, BaFin, BAFA, Gewerbeaufsichtsbehörden, Steuerbehörden, Datenschutzbeauftragte etc.) zu verstehen. Die Einzelheiten dazu werden in Rn. 122 ff. weiter erläutert.
2. Ausgangssituation und Projektziele
a) Steuern und planen vom Ziel her – Was soll erreicht werden?
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In einem Projekt müssen die verschiedensten Aufgaben miteinander in eine rationale Beziehung gebracht, ein klarer Ergebnis- und Zielbezughergestellt, Beginn und Ende des Projektes definiert, Handlungsabläufe, der Einsatz von Methoden und Techniken koordiniert und risiko- wie auch qualitätssichernde Elemente gemeinsam organisiert werden. Daher sind Projektorganisation, Projektplanung, Projektsteuerung und Reporting unverzichtbare Elemente. Hieran können wesentliche Erfolgsfaktoren gemessen werden, die Projektergebnisse können nachvollzogen, auf Willkürfreiheit und Fehleranfälligkeit getestet werden. In den Rn. 33 ff. und 87 ff.werden die wichtigsten Detailfragen hierzu erläutert.
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