bb) Minderheitenantrag, § 142 Abs. 2 AktG
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Lehnt die Mehrheit der Hauptversammlung den Antrag nach § 142 Abs. 1 AktG ab, und möchte eine Gruppe von Aktionären trotzdem eine Untersuchung durchführen lassen, so bleibt nur die Möglichkeit eines Minderheitenantragsbei Gericht nach § 142 Abs. 2 AktG. Dieser ist nur dann zulässig, wenn der Verdacht besteht, dass bei dem zu untersuchenden Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind, § 142 Abs. 2 S. 1 AktG. Als Unredlichkeitwird – in Anlehnung an § 148 Abs. 1 Nr. 3 AktG – vorwerfbares, sittlich anstößiges Verhalten verstanden.[166] Als Regelfall hierfür sind Treuepflichtverletzungen, wie etwa beim Erstreben persönlicher Vorteile zum Nachteil der AG zu nennen.[167] Eine „grobe“ Verletzungdes Gesetzes oder der Satzung liegt nur dann vor, wenn der Grad des Verschuldens oder die Höhe des Schadens außergewöhnlich sind.[168] Bei unternehmensinternen Untersuchungen geht es ja gerade um die Aufdeckung von Gesetzesverletzungen oder groben Verstößen gegen interne Richtlinien, sodass dieses Kriterium zumeist erfüllt sein wird. Erforderlich ist jedoch stets eine Beurteilung im Einzelfall.
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Der Antrag muss von Aktionären, deren Anteile bei Antragsstellung zusammen den hundertsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 100 000 EUR erreichen, gestellt werden. Über den Antrag entscheidet dann das zuständige Gericht. Dieses verfügt über keinen Ermessensspielraum. Liegen die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 AktG vor, so muss es einen Sonderprüfer bestellen.[169] Der Prüfungszeitraum ist auf Vorgänge beschränkt, die nicht länger als fünf Jahre zurück liegen, § 142 Abs. 2 S. 1 AktG.
cc) § 131 Abs. 1 AktG: Auskunftsrecht
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Finden sich nicht genug Aktionäre zusammen, um eine Sonderprüfung einzuleiten oder sind die Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten noch zu wage, so kann ein einzelner Aktionär nach § 131 Abs. 1 AktG vom Vorstand in der Hauptversammlung Auskunft verlangen. Ein Auskunftsverlangenist allerdings nur zulässig, soweit dies zur „sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist.“ Eigenes Fehlverhalten wird der Vorstand in der Praxis wohl nur selten zum Gegenstand der Tagesordnung machen, sodass dieses Recht den Aktionären kaum Vorteile bringen dürfte.
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Unternehmensinterne Untersuchungen spielen auch bei der GmbH eine große Rolle. Die für die AG gefundenen Ergebnisse lassen sich weitgehend auch auf die GmbH übertragen. Unterschiede ergeben sich z.B. daraus, dass nicht jede GmbH einen Aufsichtsrat hat und der Aufsichtsrat in der GmbH rein fakultativ ist. Die Aufgabe der Überwachung kommt bei der GmbH prinzipiell den Gesellschaftern zu. Diese verfügen daher über ein stärkeres Handlungsinstrumentarium als die Aktionäre der AG. Zudem ist bei der GmbH zu beachten, dass im Gegensatz zur AG weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten in der Satzung bestehen.
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Wie in der AG ist auch bei der GmbH die Leitungsmacht Teil der Geschäftsführung.[170] Sie obliegt in der GmbH den Geschäftsführern,[171] §§ 35 ff. und 45, 46 GmbHG (e contrario).[172]
aa) § 43 Abs. 1 GmbH-Gesetz: Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer
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Bei der AG kann am schlüssigsten ein Pflichtrecht zu unternehmensinternen Untersuchungen aus der Leitungsmacht in Verbindung mit der Leitungssorgfaltspflicht hergeleitet werden ( Rn. 7 f.). Gleiches hat für die GmbH zu gelten. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG, der nicht nur Verschuldensmaßstab, sondern auch Pflichtenquelle ist,[173] haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Hier wird ders. Maßstab angelegt, wie bei der Sorgfalt des Vorstands einer AG. Somit sind bei jeder einzelnen Handlung die Grundsätze der Ordnungsgemäßheit, Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten.[174] Der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG entspricht nach allgemeiner Meinung dem des § 93 Abs. 1 AktG.[175] Die Geschäftsführung hat somit unverzüglich den Sachverhalt vollständig aufzuklären, sofern ausreichende Verdachtsmomente für Gesetzes- oder Richtlinienverstöße vorliegen.[176] Auch hier ist die Business Judgement Rule bei der Frage nach dem „Ob“ der Einleitung einer gebotenen Untersuchung nicht anwendbar. Der Geschäftsführung kommt daher auch bei der GmbH insoweit kein Ermessen zu ( Rn. 9).
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Auch bzgl. der vertikalen und horizontalen Pflichtendelegationgilt das zur AG Gesagte.[177]
bb) Analoge Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 AktG
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Soweit man mit Teilen der Literatur ( Rn. 14) § 91 Abs. 2 AktG als Grundlage für die Einleitung von unternehmensinternen Untersuchungen bei der AG ansieht, so ist auch eine analoge Anwendung dieser Regelung für die GmbH denkbar.[178] In der Literatur wird hierfür insbesondere unter Verweis auf die Gesetzesbegründung[179] und der vergleichbaren Problematik plädiert.[180] Wie schon oben dargestellt, bietet die Vorschrift bereits bei der AG keine ausreichende Grundlage für eine Pflicht zur Durchführung einer Untersuchung. Zudem fehlt es für eine solche Analogie bereits an einer Regelungslücke. Zwar gibt es für die GmbH-Geschäftsführung keine dem § 91 Abs. 2 AktG entsprechende gesetzliche Regelung. Jedoch resultieren bereits aus den Organisations- und Überwachungspflichten nach § 43 Abs. 1 GmbHG die gleichen Pflichten wie für den Vorstand der AG, da die Sorgfaltsmaßstäbe von § 93 Abs. 1 AktG und § 43 Abs. 1 GmbHG weitgehend übereinstimmen.[181]
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Bei der AG wird das Recht und die Pflicht zur Durchführung von unternehmensinternen Untersuchungen auch aus dem § 130 OWiG und der darin niedergelegten Aufsichtspflicht hergeleitet.[182] Da auch die Geschäftsführung der GmbH gem. § 130 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG dieser Aufsichtspflicht unterliegt, hat für sie das Gleiche zu gelten. Die gesellschaftsrechtliche Pflicht ergibt sich wiederum erst im Zusammenspiel mit den Regelungen zur Leitungsverantwortung.
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Eine GmbH muss im Allgemeinen nicht über einen Aufsichtsrat verfügen. Es steht den Gesellschaftern jedoch frei, im Gesellschaftsvertrag die Bestellung eines Aufsichtsrats vorzusehen, § 52 Abs. 1 1. HS GmbHG. Daher hat sich die Bezeichnung als fakultativerAufsichtsrat oder Beirat, in Abgrenzung zum Aufsichtsrat der AG eingebürgert. Neben der Bestellung selbst können auch die Befugnisse des fakultativen Aufsichtsrats weitgehend frei in der Satzung geregelt werden, § 52 Abs. 1 letzter HS GmbHG. Für den Fall, dass die Satzung diesbezüglich nichts vorsieht, verweist § 52 GmbHG auf die aktienrechtlichen Regelungen zum Aufsichtsrat. Insbesondere verweist § 52 Abs. 1 GmbHG auf die für die internen Untersuchungen relevanten §§ 90 Abs. 3 und 111 Abs. 1 und Abs. 2 AktG i.V.m. § 93 Abs. 1 AktG. Ist also bei der GmbH ein Aufsichtsrat eingerichtet und nicht bereits durch die Satzung mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, so obliegt ihm wie bei der AG die Überwachung des Vorstands und er verfügt auch über die gleichen Mittel zur Durchsetzung wie der Aufsichtsrat der AG.[183]
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Natürlich steht es auch dem Aufsichtsrat der GmbH frei, einen Prüfungsausschusseinzurichten. Bei der „gewöhnlichen“ GmbH ist der Prüfungsausschuss rein fakultativ. Handelt es sich jedoch um eine kapitalmarktorientierte GmbH[184] i.S.d. § 264d HGB, so besteht, wenn sie über keinen Aufsichtsrat verfügt, der die Anforderungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllt, nach § 324 HGB die Pflicht, einen solchen Ausschuss einzurichten. Eines der Ausschussmitglieder muss dann die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllen. Nach § 100 Abs. 5 AktG muss mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses unabhängig sein und über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen. Der Prüfungsausschuss selbst verfügt dann über die gleichen Rechte wie bei der AG.[185]
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