»Bitte«, presste er hervor.
Ich hob ihn vom Boden und warf ihn in den Barschrank. Glas und Holz splitterten. Ich schwitzte, knurrte durch die Zähne. Jetzt, wo das Adrenalin durch meinen Körper pumpte, bemerkte ich den Schmerz in meinem Arm kaum. Ich verstand es nicht. Ich zitterte. Die ganze Zeit. Ich verlor nie die Beherrschung so wie andere. Deshalb heuerte man mich an. Ich drehte nicht durch. Und jetzt stand ich mitten in Kendalls Wohnzimmer und es sah aus wie das Armageddon. Kendalls Frau hatte sich noch immer nicht bewegt, aber das spielte keine Rolle. Was jedoch eine Rolle spielte, war, dass Kendall bei Bewusstsein bleiben und mit mir reden musste, und ich den Wichser umbringen würde, wenn ich nicht aufpasste.
An der Haustür waren Koffer aufgereiht. Wäre ich nur ein paar Minuten später hier aufgekreuzt, wären Kendall und seine Frau über alle Berge gewesen.
Ich konnte nicht klar denken. Gott, die Schmerzen in meinem Kopf waren schier endlos. Es dröhnte, als würde mir jemand geschmolzenes Blei in den Schädel pumpen. Lichter tanzten vor meinen Augen.
Er bewegte sich, krabbelte aus den Überresten des Schränkchens. Ich stand über ihm, presste meinen Fuß auf seinen Rücken und drückte ihn nach unten.
»Du hast mir eine Falle gestellt.«
»Nein«, murmelte er in den Teppich.
»Du hast gewartet, bis ich nicht zuhause war – sondern mit dir zusammen im Roxie – und dann hast du deine Jungs angerufen und ihnen gesagt, dass sie das Geld bei mir deponieren sollen.«
»Joe, bitte.«
»Sie waren zu langsam – und zu gierig.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Ich hab Dirkin gefunden. Hab ihn getötet. Er war bei Akram, hat dessen Frau verprügelt und sich die Schlüssel zu meiner Wohnung verschafft.«
»Bitte, Joe.«
Ich war klitschnass vom Schweiß, und jedes Mal, wenn der Schmerz in Wellen durch mich hindurchfuhr, brach mir noch mehr kalter Schweiß aus den Poren.
»Aber du hast es vermasselt, Kendall. Sie hatten es schon einmal versucht, aber du wusstest nicht, dass ich umgezogen war, richtig? Hast sie in die falsche Wohnung geschickt.«
Ich legte mehr Gewicht auf mein Bein und drückte ihn stärker gegen den Teppich.
»Ich kann nicht … atmen.«
»Du und Beckett, ihr wolltet mich an Cole verfüttern. War es so? Deshalb war ich bei dem Job dabei, oder? Oder? Mich auf den Job ansetzen und schön aus dem Weg halten, damit ich nicht dabei bin, wenn die anderen mit dem Geld verduften.«
Seine Beine rutschen über den Boden. Seine Arme zappelten herum. Er sah aus wie ein sterbender Fisch.
»Ich … kann nicht …«
»Rede, Kendall, du Mistkerl. Simpson hat man zu Tode geprügelt. Und jeder wusste, dass ich mit meinen Fäusten ganz gut umgehen kann. Hat Beckett ihn umgebracht?«
Ich drückte ihn noch stärker gegen den Boden. Jetzt atmete er nicht mehr. Sein Gesicht war rot, seine Hände tasteten hilfesuchend umher, aber da war nichts, was ihm helfen konnte.
»Joe«, gurgelte er.
»Deshalb hast du Gerüchte bei King und Daley über mich verbreitet und mir den Ellis-Schlamassel in die Schuhe geschoben. Hast den Acker bestellt, oder?«
Jetzt bewegte er sich nicht mehr. Ich hob ihn auf und warf ihn quer durch den Raum. Er krachte zu Boden und rührte sich nicht.
Mein Kopf pulsierte. Ich brauchte Kendall bei Bewusstsein. Ich lief in die Küche und steckte meinen Kopf unter den Hahn mit dem kalten Wasser. Dann füllte ich ein Glas voll Wasser, nahm es mit ins Wohnzimmer und schüttete es über Kendall aus. Er zuckte und stöhnte.
Ich musste nachdenken. Nicht alles passte zusammen. Wenn man mich als einen der Räuber an Cole auslieferte, wäre Beckett deswegen nicht aus dem Schneider. Cole würde weiterhin nach dem Drahtzieher Ausschau halten. Er würde weiterhin nach seiner Million suchen.
Ich kniete mich hin und drehte Kendall auf den Rücken.
»Nicht. Es reicht. Es war Beckett.«
»Weiter.«
Ich hob ihn hoch und lehnte ihn gegen die Wand. Fand etwas Wodka, den ich ihm in den Rachen goss. Er spuckte und hustete und schob den Wodka weg. Er spuckte Blut und Alkohol und krümmte sich hustend. Ich zwang mich zu warten, zuzuschauen und den Drang zu ignorieren, ihn fertigzumachen. Ihn auseinanderzunehmen. Nach ein paar Minuten richtete er sich wieder auf. In seinen Augen schwammen Tränen.
»Sieh mal, Joe …«
»Erzähl mir was über Beckett. Er wusste, dass das Casino Cole gehörte. Warum das Ding dann trotzdem durchziehen?«
»Abgekartet. Die ganze Sache. Cole bot Beckett einen Anteil der Beute, wenn er das Casino ausrauben würde.«
»Cole?«
»Cole.«
»Beckett hatte Insider-Informationen.«
»Ja.«
»Wozu dann Warren?«
»Das war nur Show. Sollte wie der Job von jemand anderem aussehen.«
Und mich wollte man für ein paar Stunden aus dem Weg haben.
»Beckett sollte einen Anteil bekommen? Den Rest Cole zurückgeben?«
»Ja.«
»Aber der Fang war zu gut. Zu gut, um ihn aufzugeben, richtig? Also entschied er, das Geld für sich zu behalten, und brauchte einen Blödmann wie mich. Jemanden, dem man unterschieben konnte, dass er Beckett reingelegt und das Geld für sich behalten hat. Also ist er deswegen zu dir gekommen.«
»Er suchte …«
»Er suchte was? Einen Dummen?«
»Joe, bitte.«
Ich verpasste ihm eine.
»Stimmt das? Er kam zu dir und meinte, er braucht einen Trottel, den er verarschen kann.«
»Ja.«
»Aber ich habe einen guten Ruf, immer schon. Zu gut. Cole wäre vielleicht misstrauisch geworden. Beckett musste es ein wenig hindrehen, also habt ihr euch abgesprochen, das Gerücht zu streuen, ich hätte was damit zu tun, dass sie Tony Ellis Gang hochgenommen haben. Das hat das Wässerchen getrübt und ließ mich schlecht dastehen.«
»Was hätte ich tun sollen?«
»Warum wurde Simpson getötet?«, fragte ich.
Jetzt weinte er. Er hob eine zitternde Hand unter seine Nase und wischte sich den Rotz ab.
»Beckett«, sagte er.
»Was soll das heißen?«
»Das muss Beckett gewesen sein. Mehr weiß ich nicht.«
Er schaute zur Tür hinüber.
»Du würdest es nicht schaffen«, sagte ich.
Er schluckte ein Schluchzen hinunter.
»Geld«, sagte er. »Wie viel?«
Ich nahm meinen Blick nicht von ihm, nagelte Kendall mit meinen Augen fest. Er hob die Hände, so als würde er einen Angriff abwehren.
»Oh, Gott«, sagte er.
Ich schlug seine Hände beiseite.
»Wie viel hat er dir bezahlt?«
»Zehn Mille, auf die Hand. Fünf Prozent der Beute. Gehört dir.«
Er hob wieder seine Hände. Ich denke nicht, dass er wusste, was er tat. Einfach nur der Drang, sich zu verteidigen. Ich schlug wieder nach den Händen.
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