„Du bist also Lia ...“
„Und du East ...“, antworte ich selbstbewusster, als ich mich fühle.
„Du hast Cari gequält mit deinen Briefen … wer meine Gefährtin quält, steht nicht auf meiner Freundesliste.“
„Sie ist meine Schwester, falls du das vergessen hast ...“, sage ich, weil mir in Anbetracht der bedrohlichen Situation kein besseres Argument einfällt.
„Umso schlimmer … “ Easts Worte sind so schneidend, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterläuft.
„East ...“, mischt Cari sich ein, die selbst sichtlich nervös wirkt. „Lass es gut sein … ich habe ihr gesagt, dass ich nicht zur Erde zurückgehe.“
„Ich bin froh, dass du hier bist, Lia ...“, sagt East zu mir, ohne sich von Cari ablenken zu lassen.
„Wirklich?“, frage ich mit einem Hauch von Spott in der Stimme, obwohl jeder natürliche Instinkt mir sagt, dass ich besser die Klappe halten sollte.
„Aber ja … so können wir ein für alle Mal klarstellen, zu wem Cari gehört! Du wirst sie in Ruhe lassen!“
In meine durchaus berechtigte Furcht vor dem riesigen Trooper mischt sich meine natürliche Bissigkeit. Was bildet sich dieser Kampfprolet eigentlich ein?! Ich bin die Tochter eines Senators, er ist ein Krimineller mit Animalationshintergrund … oder wie auch immer man diesen genetischen Unfall mit Tiergenen nennen soll!
„Du hast mir gar nichts zu sagen! Mein Vater ist Senator, und wenn er auch nur ein Wort an Präsident Baker richtet, landest du wieder da, wo du herkommst … in einer Umerziehungsanstalt für genetisch Verkorkste!“
„Oh Shit … halt einfach den Mund, Lia … bitte ...“, sagt Cari leise.
Das Gefühl der Genugtuung kribbelt in meiner Wirbelsäule. Ich habe dem stumpfsinnigen Tier einen verbalen Tritt in die Eier verpasst. Woahhh … du kannst es noch Lia! Mein Professor an der Uni sagte immer, dass meine Worte schärfer als jede Waffe wären … genau deshalb bin ich Journalistin geworden.
„East ...“, höre ich Cari noch rufen, aber der Typ macht einen so schnellen Satz auf mich zu, dass ich gar nicht weiß, wie mir geschieht. Er packt meinen Arm so hart, dass ich sicher bin, morgen seine Fingerabdrücke auf der Haut sehen zu können, falls er mich nicht jetzt und hier einfach umbringt.
Ich kreische erschrocken auf und versuche, mich zu befreien. Natürlich habe ich keine Chance gegen eine riesige Kampfmaschine aus Fleisch und Blut.
„Mein Vater wird dir deinen Trooper-Arsch aufreißen!“, rufe ich.
„Wenn er sich traut, mein Revier zu betreten ...“, knurrt East, während er mich aus der Küche zerrt, Richtung Haustür.
„Du kannst noch so oft die Bäume vor deinem Haus anpinkeln, um dein Revier zu markieren … das hält vielleicht Crawler und Tiere ab, aber nicht die Zivilisation.“ Ich bin sicher, spätestens jetzt wird East mir das Genick brechen.
Stattdessen öffnet er die Haustür, versetzt mir einen Stoß, sodass ich hinausstolpere, und knallt die Tür zu. Ich atme tief durch und drehe mich um … fest entschlossen, mich gegen die Tür zu werfen. Ja, ich möchte scheinbar unbedingt heute sterben …
Ehe ich allerdings dazu komme, meinen Selbstmordplan in die Tat umzusetzen, geht die Tür von alleine auf, und East wirft meinen Trolley auf den Rasen. „Gute Reise und Grüße an die Familie ...“, knurrt er, dann ist die Tür wieder zu.
Zitternd vor Wut schreie ich die geschlossene Haustür an: „In meiner Tasche sind Vicky Varas Schuhe und Kleider von Joki Alcara! Wenn da was dran ist, wirst du mir alles bezahlen … und wenn du dafür den Rest deines Lebens in den Minen auf dem Mars arbeitest … du blöder Köter!“ Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, was für Gene in East stecken, aber irgendeine verlauste Promenadenmischung wird schon dabei sein!
Ich erwarte, dass sich die Tür wieder öffnet, aber es bleibt ruhig. Noch nicht einmal Cari scheint gewillt zu sein, mich wieder ins Haus zu lassen.
Ich warte eine Weile … in der sicheren Überzeugung, dass Cari die Tür öffnen wird. So ist meine Schwester … gutherzig bis zur Schmerzgrenze. Aber die Tür bleibt zu. Langsam wird mir klar, dass ich auf mich allein gestellt bin. Ich war fest davon ausgegangen, bei Cari zu wohnen, solange ich auf Terra Alpha bin. Eigentlich hatte ich einen Monat bleiben wollen, um Cari zu bearbeiten, mit zurück zur Erde zu kommen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht so lange brauchen würde … und jetzt stehe ich obdachlos auf einem wilden Planeten.
„Oh Shit, Lia … das hast du ja super hinbekommen.“
Ich nehme meinen Trolley und schaue nach, ob es meinen geliebten Schuhen und Kleidern gut geht. Besonders die Vicky Varas Schuhe liegen mir am Herzen. Die hübschen Riemchen sind mit Glitzersteinchen besetzt und die Sohle ist aus echtem Leder. Sie haben ein Vermögen gekostet. Es war eine blöde Idee, sie mitzunehmen, wie mir klar ist. Die Erde mag ein stinkender Haufen Müll sein, aber wenigstens kann man dort jeden Ort auf zivilisiert gepflasterten Straßen erreichen! Auf Terra Alpha kann man froh sein, wenn man einen halbwegs befestigen Weg findet. Natürlich habe ich nur High Heels dabei. Wer rechnet denn mit solchen Zuständen?!
„Ok, Lia … du brauchst einen Platz für die Nacht ...“, sage ich mir analytisch und erinnere mich, dass mir zwei Mitreisende im Shuttle erzählt haben, dass es in Sektion A ein Vergnügungsviertel mit Kino, Shops und einer Bar gibt. Das hört sich zumindest nach ein wenig Zivilisation an, und vielleicht gibt es dort ja auch so etwas wie ein Hotel.
Umständlich ziehe ich meine High Heels aus und mache mich barfuß auf den Weg Richtung Vergnügungsviertel. Wenigstens ist es auf diesem schrecklichen Planeten warm. Eigentlich könnte Terra Alpha sogar recht schön sein … wenn es keine Trooper in den Sektionen und keine Crawler außerhalb der Sektionen gebe … und wenn man ein paar ordentliche Straßen bauen würde und Vicky Varas Schuhe importieren … Na ja … ich werde eh nicht lange hier sein. Wenn Dad Cari unbedingt zurückholen will, soll er eben seine Beziehungen spielen lassen. Ich könnte ihm ja sagen, dass East mich angegriffen hat. Mein Blick wandert zum Arm, wo East mich gepackt hat. Ich bin sicher, dass ich morgen ein paar schöne blaue Flecken haben werde. Mein Verstand schmiedet sofort einen Plan … daraus lässt sich doch bestimmt eine Story gegen diesen Bastard, der meine Schwester geschwängert hat, basteln …
Pawn
„Du bist mit Abstand der schlechteste Barkeeper, der mir je untergekommen ist. Ich warte schon seit fünf Minuten auf meinen Drink … Fünf! Minuten!“
Mann …, die Kleine ist hübsch, aber eine furchtbare Zicke. Ich lasse mir deshalb besonders viel Zeit, ihren Cocktail zu mixen und beobachte sie aus dem Augenwinkel. Blonde glatte Haare, die ihr fast bis zum Hintern gehen ... eine Figur mit Kurven an den richtigen Stellen. Sie hat Lippen und Augen geschminkt – allerdings nicht so grell wie die Frauen, die sich auf Terra Alpha für Credits anbieten. Die Kleine hat Klasse … und sie ist nicht von hier. Ich tippe auf ein Senatorentöchterlein von der Erde. Die kommen immer mit jeder Menge teurer Kleider, lackierter Fußnägel und unbequemer Schuhe hier an. Neben ihr steht ein Reisetrolley. Ich frage mich, was dieser verwöhnten Schönheit die Laune verhagelt hat.
„Du bist nicht von hier ...“, stelle ich fest, als ich ihr endlich einen perfekt gemixten Red Trooper vor die Nase stelle. Sie sieht mich an, als wäre ich ein lästiges Insekt, bevor sie misstrauisch einen winzigen Schluck durch den Strohhalm zieht.
„Er ist gut, oder?“, frage ich grinsend, als ich ihren überraschten Gesichtsausdruck sehe.
Sie macht ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen und antwortet: „Zehn! Minuten! Du hast unfassbare zehn Minuten gebraucht, um diesen mittelmäßigen Drink zu mixen!“
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