„ Goblinzauber“, erklärte er stolz. „Nichts Gefährliches.“
„ Also solch einen Mumpitz habe ich noch nie gesehen“, erklärte Caja. „Wo hast du ihn denn verloren?“
„ Eigentlich nicht verloren. Eigentlich abgeluchst bekommen, abgerungen durch eine hinterhältige List.“
„ Und du bist darauf reingefallen? Ein Goblin?“
Das Anderwesen schaute bösartig. „Was soll das heißen?“
„ Na, ihr stellt doch allen knifflige Rätsel und hinterhältige Fallen, um irgendwas an euch zu bringen.“
Der Goblin sprang auf. „Entendreck! Bipin stellt niemandem hinterlistige Fallen, um etwas an sich zu bringen. Bipin stellt ehrliche Rätsel, und die Teilnahme ist freiwillig!“
„ Schon gut, schon gut“, beschwichtigte ihn Caja sofort und hob die Hände vor sich. „Ich wollte dir nichts Böses.“ Sie beschloss Vertrauen zu schaffen und stellte sich vor: „Ich bin Caja und du bist also Bipin...“
Während Caja lächelte, schlug der Goblin die knöcherne Hand vor den Mund und Caja verging das Lächeln schnell, als sie daran dachte, dass Goblins für ihre Gefühlsschwankungen bekannt waren. Erst gut gelaunt, konnten sie einen im nächsten Moment mit bösen Zaubern belegen, die lebenslang haften blieben. Mit einem mulmigen Gefühl wartete Caja auf die Reaktion des Anderwesens.
„ Was ist?“, fragte sie verunsichert.
„Du schreibst unfair!“, regte sich Bipin auf, und Caja unterbrach abermals das Lesen.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, seufzte sie.
„Wir belegen niemanden mit lebenslangen Flüchen. Das ist doch kein Schabernack, das ist böse!“
„Weiß ich doch!“
„Warum schreibst du es dann?“
„Na, weil ich damals so dachte. Lass mich doch erst einmal lesen. Später können wir es immer noch ändern, wenn es dir nicht passt.“
„Vielleicht sollte ich es besser aufschreiben“, schlug Bipin beleidigt vor.
„Vielleicht sollte ich es dir auch einfach nicht vorlesen.“
Auf einmal packte Bipin die Schreibtischplatte und sprang fröhlich auf und ab. „Pass auf. Du sagst mir, wie ein Oger es schafft, durch ein Nadelöhr zu schlüpfen, und ich lasse es dich schreiben, wie du willst. Wenn du es nicht errätst, schreibst du es so, wie ich will.“
Caja legte den Kopf schief und sah Bipin müde an. „Wie viele Jahre kennen wir uns jetzt, Bipin?“
„Lange!“
„Du weißt doch, dass ich mich auf keines deiner Rätsel mehr einlasse.“
„Goblinversteher!“, fluchte Bipin.
„Lass es mich so weit lesen, wie ich es geschrieben habe, und danach reden wir darüber, versprochen?“
Nur ein Schwall unverständlicher Worte drang aus Bipins Mund.
„Kein Goblisch“, mahnte Caja. „Du weißt genau, dass ich davon kaum etwas verstehe.“
„Na gut! Versprochen“, grummelte Bipin und sah wieder aufmerksam auf das Papier, das vor Caja lag.
„ Was ist?“, fragte Caja verunsichert.
„ Du hast ihn nicht gehört! Hörst du? Nicht gehört!“ Die Worte des Goblins überschlugen sich fast.
Verwirrt sah sich Caja um. „Wen?“
„ Den Namen! Du hast den Namen nicht gehört!“
„ Doch! Bipin.“
Der Kleine führte plötzlich einen wilden Tanz auf, er wedelte mit den Armen, warf den Kopf hin und her und stampfte dabei mit den Füßen. Unwillkürlich zog Caja die Schultern hoch und schlang die Arme um die Knie. Eine halbe Ewigkeit später ließ sich der Goblin erschöpft nieder, und es verging wieder eine lange Zeit, ehe sich Caja zu fragen traute: „Was ist daran denn schlimm?“
„ Das weißt du nicht?“ Bipin zischte die Worte.
Caja schüttelte den Kopf.
„ Dann sagt Bipin es dir auch nicht!“ Mit diesen Worten sprang Bipin auf und schickte sich an davonzulaufen.
„ Bipin! Warte doch!“, rief Caja ihm nach.
Der Goblin wirbelte herum, rannte zurück und fuchtelte aufgebracht mit den Händen. „Wirst du wohl still sein! Niemand darf Bipins Namen hören, niemand!“
„ Aber warum nicht?“
„ Das kann Bipin dir nicht sagen, sonst machst du Bipin zu deinem Sklaven!“
„ Du bist verrückt! Das würde ich nie tun!“
Auf einmal kauerte sich Bipin wieder zusammen und weinte. „So ein schrecklicher Tag, so ein schreckliches Leben“, wimmerte er.
„ Na komm schon, so schlimm ist es sicher auch nicht.“ Sie rückte ein Stück näher und berührte das Anderwesen tröstend an der Schulter.
„ Wer Bipins Namen weiß, hat die Macht, ihn zu seinem Sklaven zu machen.“
„ Nun,“ sie zupfte spielerisch an Bipins Jacke. „Dann solltest du zuallererst mal damit aufhören, dich selbst Bipin zu nennen.“
Vorwurfsvoll sah er auf. „Wie soll Bipin sich denn sonst nennen?“
„ Na: ich, mich, meinen. So was.“
„ Das kann Bipin nicht.“
„ Ich.“
„ Was?“
„ Das kann ich nicht, musst du sagen.“
„ Das hört sich schrecklich an.“
„ Aber du bist doch du!“
„ Nein, ich bin Bipin.“
Caja seufzte.
„ Dann müssen wir dir einen anderen Namen geben, einen, mit dem du stattdessen von dir sprichst.“
Bipin rümpfte die Nase. „Bipin mag seinen Namen.“
„ Aber wenn du es dir nicht abgewöhnen kannst, dich bei deinem eigenen Namen zu nennen, musst du dir einen anderen Namen geben, sonst weiß ihn bald der ganze Wald!“
Gehetzt sah sich Bipin um. „Das wäre schrecklich.“
„ Wie wäre es mit … Arian.“
Bipin gab unschöne Brechgeräusche von sich.
„ Schon gut! Schon gut!“, rief Caja, die befürchtete, sie müsse sich bald selbst übergeben.
„ Haimi, wie wäre es mit Haimi?“
„ So eine Beleidigung!“
„ Symi?“
„ Das bedeutet Popel auf Goblisch“, erklärte Bipin und verschränkte beleidigt die Arme.
„ Entschuldige, kann ich doch nicht wissen. Gaho?“
„ So nennt man vielleicht eine Katze oder ein Pferd, aber doch keinen Goblin!“
Caja streckte die Beine aus und wackelte mit den Füßen. „Nipib? Das ist Bipin rückwärts!“
„ Nipib? Klingt, als hätte Bipin sie nicht mehr alle. Außerdem wäre das ja wohl zu einfach. Da kommt doch jeder drauf!“
„ Mario?“
Bipin verengte die Augen zu kleinen Schlitzen. Caja hob beschwichtigend die Hände.
„ Toro, was hältst du von Toro?“
„ Hm … nicht schlecht“, sagte Bipin anerkennend.
Caja lächelte froh.
„ Aber Bipin ist besser.“
„ Himmel! Meine ganze Familie hat nur halb so lange gebraucht, einen Namen für unseren Hund zu finden.“
„ Wie heißt der denn?“
„ Hundi.“
Bipin hob die Augenbrauen. „Hundi?“, wiederholte er sarkastisch. „Sehr einfallsreich.“ Nun blickte der Goblin nachdenklich. „Hundi klingt aber eigentlich schön!“
„ Du willst nicht wirklich Hundi gerufen werden.“
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