Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
Saphir im Stahl
Märchen Sagen und Legenden
e-book 086
Erscheinungstermin 01.01.2021
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Paul Schondorff
Lektorat Peter Heller
Vertrieb neobook
Nordische Heldensagen
Mit Federzeichnungen von Paul Schondorff (nicht im e-book)
Hermann Schaffstein Verlag in Köln
Achtunddreißigstes der Blauen Bändchen
Druck von Emil Herrmann sen., Leipzig
Inhalt
Herausgeber Erik Schreiber
Vorbemerkung
Wieland der Schmied
Helge, Jorwarts Sohn
Helge der Hundingstöter
Siegfried der Fafnirstöter
Der Nibelungen Ende
Beowulf
Zum Geleit
Der vorliegende Text „Nordische Sagen“ erschien etwa 1900 im Verlag Hermann Schaffstein. Für mich ist es eine Ergänzung zum Buch „Die Nibelungen“. Dies Buch erschien im Verlag Saphir im Stahl ebenfalls als Nachdruck. Denn die hier versammelten Sagen sind ein Ausgangspunkt für die Nibelungensage.
Die alte Schriftsprache wurde beibehalten, was einen besonderen Reiz dieser Publikation ausmacht. Die aktuelle Rechtschreibung wurde angewendet. Jedoch mit der Vorgabe, bestimmte Worteigenschaften beizubehalten.
Erik Schreiber
Vorbemerkung
Die „Nordischen Heldensagen“ bilden den 2. Teil unserer „Eddasagen“ (8. der Blauen Bändchen). Alle Sagen mit Ausnahme der Letzten sind der sog. älteren Edda entnommen. Bei ihrer Wiedergabe in Erzählform sind wir der vortrefflichen Übertragung durch die Brüder Grimm (Berlin 1815, neu herausgegeben im Insel-Verlag, Leipzig) gefolgt. Da aber leider nur der 1. Teil ihrer „Lieder der alten Edda“ erschienen ist, so waren wir genöthigt, die Sage von „Der Nibelungen Ende“ selbständig zu gestalten. Die Beowulfsage wurde unter Anlehnung an die Übertragung von Wolzogen (Reclam, Leipzig) und einige gute Prosadarstellungen (Bäßler, Dahn, Genthe u.a.) wiedergegeben. Hoffentlich ist es uns gelungen, das Ganze einheitlich und dem kindlichen Geiste gemäß zu gestalten, ohne auf die Schönheit des knappen Grimmschen Sagenstils zu verzichten.
Wieland der Schmied
In Schweden herrschte ein König namens Nidud; der hatte zwei Söhne und eine Tochter, die Bodwild genannt war.
Zu derselben Zeit lebten drei Brüder, Söhne eines Finnenkönigs, wovon der älteste Slagfid, der zweite Egil und der dritte Wieland hieß. Sie pflegten auf Schneeschuhen zu laufen und das Wild zu erjagen. Als sie einst wieder auf die Jagd auszogen, kamen sie in die Wolfstale, wo sie blieben und sich Häuser bauten. In der Nähe war ein Gewässer, der Wolfsee genannt. Eines Morgens in der Frühe trafen sie dort am Ufer des Sees drei Jungfrauen, die saßen da und spannen Flachs. Neben ihnen aber lagen ihre abgestreiften Schwanenhemden; denn es waren Walküren. Zwei von Ihnen waren Töchter des Königs Ludwig: Ladgund, die Schwanenweiße, und Herwara, die Allweise; die Dritte aber hieß Alrune und war die Tochter Kiars von Walland. Die drei Brüder führten nun die drei Jungfrauen heim in ihre Häuser, und sie wurden ihre Weiber; Egil nahm die Alrune, Slagfid die Ladgund und Wieland Herwara, die Allweise. So lebten sie sieben Jahre zusammen. Als aber das Achte kam, da hatten die Frauen ein heimliches Sehnen und Trachten, und im Neunten, da flogen sie fort, zu wählen in der Schlacht, welche da fallen sollten, und kamen nicht wieder.
Als die wegmüden Schützen abends von der Jagd heimkamen, da fanden sie ihre Häuser öd‘ und verlassen. Sie gingen ein, sie gingen aus, sie schauten sich um; aber fort waren ihre Frauen. Da zog Egil des Weges nach Osten, Alrunen aufzusuchen, und Slagfid gen Süden, Schwanweiß wiederzufinden. Wieland blieb allein zurück in den Wolfstalen, saß und arbeitete kunstreiches Geschmeide; Edelsteine faßte er in rotes Gold und zog Ringe auf Bastschnüre: So wartete er auf seine schöne Frau, ob sie vielleicht wiederkäme.
Als aber Nidud, der Niarenfürst, hörte, daß Wieland einsam in den Wolfstalen saß, da fuhren seine Männer in der Nacht gegen ihn aus; wohlbeschlagen waren ihre Panzer, und ihre Schilde blinkten im Scheine der Mondsichel. Sie schwangen sich vom Sattel, sie stiegen hinauf in den Saal; da sahen sie die Ringe auf Schnüre gezogen: siebenhundert waren’s in allem, so viel hatte Wieland geschmiedet. Sie zogen sie ab, sie schnürten sie wieder ein, bis auf einen einzigen, den nahmen sie mit zum Wahrzeichen.
Da kam Wieland heim von der Jagd, gar wegmüd; denn weit war er umhergezogen. Zum Feuer ging er, einer Bärin Fleisch zu braten; hoch loderte vor ihm das Reisig einer winddürren Tanne. Er setzte sich auf die Bärenhaut nieder zur Glut, nahm seine Ringe und zählte sie: einer war fort! Da sprach er im Herzen: „Wäre die junge Allweis wiedergekommen und hätte ihn abgezogen?“ So saß er lange nachsinnend, bis er einschlief.
Als er aufwachte war er freudlos: Schwere Bande fühlt‘ er an seinen Händen, in Fesseln seine Füße gespannte. „Wer“, rief er, „hat einem Königssohn Fesseln angelegt und ihn schimpflich gebunden?“ Nidud, der Niarenfürst, stand vor ihm und sprach: „Wie gewannst du meine Schätze in den Wolfstalen?“ Wieland antwortete: „Nicht Gold fand ich hier in deinen windkalten Bergen, und fern dünkt mich, ist dies Land dem Hort des Rheins. Wir besaßen wahrlich köstlichere Schätze, als unser Geschlecht noch unzerstreut in der Heimat war.“
König Nidud gab seiner Tochter Bodwild den Goldring, den er in Wielands Hause von der Bastschnur abgezogen; er selbst aber trug Wielands Schwert. Da sprach die Königin zu ihrem Gemahl: „Der Mund wird im wässern, wenn er bei dir das geraubte Schwert sieht und den Ring an Bodwild erkennt; denn gierig und scharf sind seine Augen wie die des schimmernden Lindwurms. Darum zerschneide man seine starken Sehnen und bringe ihn nach Seestadt!“
Und so geschah’s: man durchschnitt ihm die Sehnen in den Kniekehlen und setzte ihn auf eine Insel, die nicht weit vom Lande entfernt lag und Seestadt hieß. Dort schmiedete er dem König Kleinode mancherlei Art, und niemand durfte zu ihm gehen, als dieser allein.
Sprach Wieland: „Jetzt schimmert dem Nidud das Schwert am Gürtel, das ich so kunstreich schärfte und so wunderbar härtete; fern ist mir der glänzende Stahl, und nimmermehr wird er in meine Schmiede gebracht. Bodwild aber trägt meiner Frau goldenen Ring; nimmer wird mir das gebüßt!“
Aber nicht saß er und schlief; nein, er schlug mit dem Hammer und sann auf Rache. Wie bald tat er dem Nidud großes Leid an! Zuvor aber schmiedete er sich ein Flügelkleid, um entfliehen zu können, wenn er sich gerächt.
Die zwei jungen Knaben Niduds liefen nach Seestadt zu seiner Tür, ihm zuzusehen, wie er schmiedete. Sie gingen zu seiner Kiste und verlangten die Schlüssel dazu. Wie lachte ihr Herz, da sie hineinschauten! Da lagen Halsbänder in Menge, die schienen den Knaben rotes Gold und Kleinode zu sein. „Kommt morgen wieder, ihr beiden“, sprach Wieland; „aber kommt ganz allein! Dann schenk ich euch alles Gold, das ihr da seht. Sagt’s aber ja den Mägden nicht, auch nicht den Hausleuten; sagt’s ja keinem Menschen, dass ihr bei mir wart!“
Frühmorgens rief schon der eine Knabe dem andern zu: Komm, lass uns die Goldringe sehen!“ Sie liefen hin, sie gingen zur Kiste und verlangten von Wieland die Schlüssel. Aufgetan war die Verderbliche, als sie hineinschauten: Ab schlug er mit fallendem Deckel die Häupter der Kinder. Und unter den Herd warf er ihre Füße; aber von ihren Schädeln zog er ab die Haare, umschmiedete sie mit Silber und schickte sie als Becher dem Nidud. Aus den Augen machte er köstliche Edelsteine, die schickte er Niduds bösem Weibe. Und aus den Zähnen machte er Brustringe und schickte sie der Bodwild.
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