Sie atmete gleichmäßig und schien noch zu schlafen, doch als er sich bewegte, flüsterte sie sanft:
„Bist du wach“?
„Ja, Cara. Ich dachte du schläfst noch“.
„Wie könnte ich, bei diesem Ausblick“.
Sie hatte sich so positioniert, dass sie die aufgehende Sonne, hinter den Bergen im Osten, genau im Blickfeld hatte.
Mit seiner Hand strich er über ihr Haar und ihre nackte Schulter und drehte sie mit sanftem Druck auf den Rücken. Jetzt blickte er direkt in ihre Augen und küsste sie zärtlich auf die Lippen.
„Konntest du schlafen“?
„Wie ein Murmeltier“, sagte sie, und machte ein Geräusch, das so klingen sollte, jedoch hatte sie noch nie eines gehört, und somit auch keine Ahnung, wie sich ein Murmeltier anhörte.
„Brrrrrr“.
Tom konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Erschrocken wich er zurück, riss beide Hände in die Höhe und mimte den Ängstlichen.
„Ich ergebe mich“.
Gianna zwickte ihn lachend in die Seite.
„Was hältst du davon, wenn wir vor dem Frühstück noch ein paar Runden im Pool drehen“?
Sie musterte ihn mit fragendem Blick.
„Ist das dein Ernst“?
„Na klar, der Pool ist beheizt“.
Während er das sagte, stieg er aus dem Bett und ging ins Badezimmer.
Zwei Minuten später kam er zurück und ging, nackt wie er war, direkt zur Terrassentür, schob sie auf und ließ die morgendliche Frische herein. Auf dem Weg hinaus, drehte er sich nochmals um und versuchte sie zu motivieren es ihm gleich zu tun.
„Komm schon, du Murmeltier. Kannst wohl nicht schwimmen, oder“?
Er ging direkt zur Dachkante, von wo aus er, mit einem eleganten Kopfsprung in den Pool eintauchte.
Gianna hörte das Plätschern und sprang sogleich aus dem Bett. Kurz zögerte sie, während sie überlegte, ob sie sich etwas anziehen sollte. Dann fiel ihr ein, dass sie ja gar nichts dabei hatte, das zum Schwimmen geeignet gewesen wäre. Also ging sie, etwas schüchtern, durch die Schiebetür, hinaus auf die Terrasse und blickte über den Dachrand. Unter ihr zog Tom bereits seine Bahnen. Als er sie erblickte, winkte er und rief:
„Cara, das ist Murmeltierwasser. Komm schnell. Da, seitlich, führt eine Treppe herunter“.
Aber sie ignorierte ihn, holte tief Luft und sprang entschlossen, mit dem Kopf voraus, hinunter. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie überraschte ihn und das gefiel ihm. Mit zwei Zügen hatte sie ihn erreicht und rieb, während dem Auftauchen, ihren Körper an seinem.
„Heiliges Bisschen“, entglitt es seinen Lippen, denn auch damit hatte er nicht gerechnet. Grinsend stieß sie sich von seinen Schultern ab und ließ sich auf dem Rücken treiben. Sprachlos sah er ihr dabei zu. Jede ihrer Bewegungen war grazil und weich. Um sie herum entstanden fast keine Wellen. Die einzigen Wellen die Tom in diesem Moment sah, waren ihre Brüste, die aus dem Wasser ragten.
Plötzlich bemerkte er, dass die Terrassentür zum Wohnbereich und der Küche offen stand. Fast zeitgleich vernahm er, die ihm so bekannte Stimme, die vom Ende des Pooles herrührte.
„Buongiorno, ihr Lieben“.
Gianna erschrak so sehr, dass sie beinahe ertrunken wäre. Sie bekam Wasser in die Nase und hustete.
„Tom, wer ist diese Frau“, schrie sie fast hysterisch.
Kapitel 22 Erinnerungen - Menorca
„Schläfst du Jenny“?
Sie schrak auf und brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass sie auf der Seadream war. Gerade kam Sabine in die Plicht und setzte sich zu ihr.
Jenny streckte sich, rieb sich die Augen und gähnte.
„Oh mein Gott, ich muss eingenickt sein. Wie spät ist es“?
„Es ist gerade ein Uhr. So lange hast du nicht geschlafen“.
Jenny bemerkte, dass Peter und Sylvia nicht mehr da waren. Skip stand noch immer am Steuer und zwinkerte ihr lächelnd zu als er ihren Blick bemerkte.
„Peter und Sylvia sind runter gegangen. Ich denke die wollen für sich sein“. Sabine verdrehte die Augen und lachte.
„Kommst du mit zum Vordeck? Da können wir uns sonnen. Was hältst du davon“?
Sie überlegte nicht lange nahm zwei Strandtücher, die Kim bereitgelegt hatte und breitete diese auf dem Teakholz-Deck vor dem Segelmast aus. Dann legten sie sich nebeneinander und sahen durch ihre Sonnenbrillen hinauf zur Mastspitze. Die Segel standen aufgebläht im Wind und gaben der Jacht einen konstanten Vorschub, während die Sonne, im wolkenlosen Himmel über ihnen, in ihrem Zenit stand.
„Hast du vorhin von Ral geträumt“?
Sabine´s Frage überraschte sie.
Jenny stutzte:
„Nein, eigentlich nicht. Ich hab über meine Vergangenheit nachgedacht“.
„Und? Fehlt sie dir“?
Sabine wusste nichts von Jenny´s bisherigem Leben. Bis vor zwei Tagen waren sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie verstanden sich zwar sehr gut, hatten sich aber bisher keine privaten Dinge erzählt.
Bedingt durch den Auftrag und vermutlich durch die besondere Situation an Bord der Seadream, zusammen in der kleinen Kabine, ansonsten unter Fremden, kamen sie sich automatisch näher.
„Weißt du, das ist eine schwierige Frage und ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich auf diesem Turn darüber nachdenken will. Zuviel ist passiert. Eigentlich wollte ich alles nur vergessen, aber es gibt so viele Situationen die mich daran erinnern“.
„Ich bin eine gute Zuhörerin“, antwortete Sabine.
„Wenn du darüber reden möchtest, bin ich gerne für dich da“.
„Das ist lieb von dir. Ich werde es mir überlegen“.
„Dann geht es um einen Mann“, bohrte Sabine vorsichtig weiter.
„Ja, es geht um meinen langjährigen Freund, Florian“.
Sabine sagte nichts und ließ ihr Zeit.
„Vor etwa zwölf Jahren lernten wir uns kennen. Da war diese Party am Isarufer“.
Sie erzählte die Geschichte von der Bowleschüssel und wie sie Florian mit nach Hause genommen hatte. Natürlich erzählte sie nicht die intimen Details, gab Sabine aber dennoch ein Bild davon, wie der Blitz bei ihnen eingeschlagen hatte. Sie erzählte von Micki, Florian´s bestem Freund und von Vittorios Trattoria, davon, dass Florian´s Eltern ein Haus auf den Klippen von Santanyi bewohnten, beziehungsweise bewohnt hatten, denn beide waren vor fünf Jahren gestorben.
Seine Mutter hatte Knochenkrebs und war, nachdem man ihn diagnostiziert hatte, binnen zwei Monaten, im Alter von siebenundfünzig Jahren gestorben. Florian´s Vater war daran zu Grunde gegangen. Von einem Tag auf den anderen hatte er jeden freundschaftlichen Kontakt auf der Insel abgebrochen, nichts mehr gegessen und zu trinken begonnen.
Zwei Wochen nach dem Tod seiner Mutter, hatte Florian einen Anruf der mallorkinischen Polizei erhalten. Sein Vater war am Abend zuvor, zu den Klippen am Ende seines Grundstückes gegangen, und hatte sich die fünfzig Meter in die Tiefe gestürzt. Da die Klippen am Fuße überstanden, war er dort, auf dem Fels aufgeschlagen und sofort tot gewesen.
Fischer hatten ihn gefunden und die Küstenwache alarmiert. Es war allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich um Selbstmord handelte. Später hatte Florian drei unbeantwortete Anrufe seines Vaters auf dem Anrufbeantworter vorgefunden.
Er musste direkt vor dem Sprung versucht haben ihn noch zu erreichen, und Florian war nicht da gewesen um ihn davon abzuhalten. Ausgerechnet an jenem Abend waren er und Jenny mit Micki und dessen Freundin Melanie zum Essen verabredet gewesen. Jenny erinnerte sich noch genau daran, wie er bereits zu spät und hektisch von der Arbeit nach Hause gekommen war. Er hatte sich kurz geduscht und frische Kleidung angezogen, während sie bereits mit dem Autoschlüssel in der Hand an der Wohnungstür auf ihn gewartet hatte. In der Hektik hatte er sein Handy zu Hause liegen gelassen. Somit waren die verzweifelten Versuche seines Vaters, ihn anzurufen, unbeantwortet geblieben.
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