1 ...8 9 10 12 13 14 ...30 Ein Handy klingelte.
„Das ist deines“, sagte Tom.
Gianna bückte sich, nahm ihre Handtasche und begann darin zu wühlen.
Es klingelte erneut und die Menschen an den Nachbartischen drehten sich bereits um, um zu sehen, wer der Störenfried war, der die romantische Stille unterbrach.
„Scusa“ sagte Gianna, während ihre Hand weiter suchte. Endlich fand sie das Handy und drückte den Annahmeknopf.
„Si, che Gianna“.
Sie versuchte leise zu reden, aber es schien ihr nicht zu gelingen, also stand sie auf und signalisierte Tom, dass sie eine Runde drehen würde um das Telefonat zu führen. Er nickte, lehnte sich zurück und ließ seinen Blick hinunter zum See wandern, während er den Abend nochmals Revue passieren ließ.
Er war pünktlich bei ihr angekommen. In Ghiffa hatte er noch kurz angehalten, um ihr eine Rose zu kaufen.
Als er dann vor ihrer Haustür gestanden hatte, fühlte er sich ein bisschen wie ein verliebter Schuljunge.
Hatten der Traum und seine anschließenden Gedanken, so viel in ihm bewirkt? Dachte er tatsächlich anders über ihre Beziehung als noch am Morgen?
Er war sich dessen nicht sicher, das neue Gefühl gefiel ihm jedoch, und er genoss den Moment. Als Gianna die Tür geöffnet hatte, war sie ihm sofort um den Hals gefallen und hatte ihn leidenschaftlich geküsst, wie sie es immer tat, wenn sie sich trafen. Das war das Schöne an der Beziehung, die sie führten. Sie trafen sich ja ausschließlich um Spaß zu haben. Sie mussten keine gemeinsamen Sorgen und Ängste bewältigen, es gab keine Eifersüchteleien. Wenn der eine nicht da war, fragte der andere nicht was er tat und umgekehrt genauso.
War das jedoch das, was sie wollte, was er wollte?
Tief in ihm, begann sich ein Gefühl auszubreiten, das ihm sagte: Übernimm Verantwortung, werde erwachsen und entscheide dich.
„Chiao Cara, wie geht es dir“, hatte er gesagt.
„Wie soll es mir gehen, wenn du da bist? Natürlich blendend. Aber komm, lass uns gleich fahren. Ich würde gerne noch kurz mit dir an die Promenade von Pallanza gehen, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen“.
Sie trug ihr Haar offen und hatte einen schwarzen, dünnen Haarreif eingearbeitet, sodass ihre Locken sanft über die dünnen Träger ihres weißen Sommerkleids fielen. Make-up hatte sie keines aufgetragen, da sie von Haus einen schönen Teint hatte. Tom gefiel der Look.
In Pallanza hatte tatsächlich noch die Sonne geschienen und sie setzten sich auf die Steinstufen direkt am Wasser und sahen den Enten und Schwänen zu, die von einem Urlauber mit Brot gefüttert wurden.
Direkt vor Ihnen lag die kleine Isola di San Giovanni.
Mit jeder Woge, die das Wasser über die Steine schob, kräuselte es sich bevor es zurücklief um sich wieder mit dem See zu vereinen.
Es war eine unbeschreiblich angenehme Stimmung und Tom fühlte sich wohl und frei, als er sagte:
„Gianna, Cara, denkst du eigentlich manchmal über Kinder nach“?
Überrascht sah sie ihn an.
„Come“?
„…na über Kinder. Bambini. Kleine junge Menschen“.
„Wie meinst du das? Eigene Kinder“?
„Ja, eigene Kinder. Möchtest du irgendwann einmal eigene Kinder haben“?
„Wie kommst du darauf, mich das zu fragen? Ich denke du wolltest keine Beziehung, also keine, die mit Verantwortung und so weiter, zu tun hat“.
„Ich weiß nicht. Ich frage mich eben, ob das, was wir teilen, für beide Seiten fair ist? Ich meine, für mich war es immer klasse. Du bist eine wunderschöne Frau mit viel Leidenschaft und Grips. Mit dir kann man lachen, aber auch ernste Themen bereden. Das ganze kombiniert mit dem Etikett, „Anruf genügt“…“
Weiter kam er nicht, sie gab ihm einen Ellbogencheck direkt in die Rippen und er schrie auf, sodass beide lachten.
„Nein, ganz im Ernst“, fuhr er fort. „Ich habe mir eben Gedanken dazu gemacht und mich selbst gefragt, was ich eigentlich vom Leben erwarte. Ob ich die nächsten dreißig Jahre so weiter machen möchte wie bisher, oder ob ich mir eine richtige Beziehung vorstellen könnte. Immerhin bin ich jetzt zweiundvierzig Jahre alt“.
Gianna´s Augen begannen zu leuchten. Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn so zärtlich auf den Mund, dass ihm beinahe schwindlig wurde.
Wie ein frisch verliebtes Paar, liefen sie eng umschlungen zum Auto und fuhren durch Verbania, hinauf, Richtung Premeno nach Bee. Während der Fahrt, lehnte sie sich immer wieder zu ihm hinüber und knabberte an seinem Ohrläppchen.
„Wenn du nicht damit aufhörst, fahre ich noch in den Graben“, hatte er lachend gedroht. Er hatte das Richtige getan, das spürte er jetzt. Plötzlich zeigte sie ihm eine Seite an sich, die sie ihm bis dato verheimlicht hatte und diese gefiel ihm sehr gut.
Tom bestellte sich einen Espresso und im selben Moment beendete sie ihr Telefonat.
„Scusi“, sagte sie, während sie sich wieder setzte und ihn anstrahlte.
„Du wirst nicht glauben, was ich dir gleich erzählen werde“.
Kapitel 14 Die Party - München
„Möchte noch jemand ein Ei“?
Kim´s Stimme drang aus der Kombüse in den Salon.
Sie saßen am Frühstückstisch und genossen die aufgetischten Köstlichkeiten. Es gab frische Früchte, warme Croissants, Wurst- u. Käse, Räucherlachs, Säfte, Kaffee, Tee, Joghurt und vieles, vieles mehr.
Jenny konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal, in solch unkomplizierter Runde, so lecker gefrühstückt hatte. Normalerweise beschränkte sich ihr Start in den Tag auf eine Scheibe Brot mit Butter und Marmelade, sowie einer Tasse schwarzem Kaffee, die sie, während sie sich anzog und schminkte, im Stehen zu sich nahm.
In ihrem Haus am Ammersee hätte sie die besten Voraussetzungen dafür gehabt, ein gemütliches, entspanntes Frühstück zu genießen, jedoch hatte sie sich, nach der Trennung von ihrem langjährigen Freund, Florian, in eine Art Arbeitswahn gestürzt, der ihr zwar über den Trennungsschmerz hinweg half, sie jedoch gleichzeitig aller Annehmlichkeiten, die sie einmal gehabt hatte, beraubte.
Sie traf sich nicht mehr mit Freunden, ging nicht mehr zu ihrem Lieblingsitaliener, arbeitete absichtlich bis spät in die Nacht, um zu Hause direkt ins Bett zu fallen und einzuschlafen.
Alles andere hatte sie zunächst ständig an Florian erinnert und diese Gedanken musste sie unbedingt verdrängen.
Sie hatten fast zehn Jahre zusammen verbracht.
Als sie sich kennengelernt hatten, war Jennifer gerade kurz davor gewesen, ihren Master in Photographic Studies, an der Universität in München abzuschließen.
Florian Schneider, der drei Jahre älter war als sie, hatte mit seinen damals sechsundzwanzig Jahren bereits seinen Abschluss in Jura in der Tasche, und arbeitete in einer renommierten Anwaltskanzlei in Augsburg.
Er war groß, schlank und gut erzogen. Bereits damals hatte er lichtes Haar und alles deutete darauf hin, dass die sich abzeichnende helle Stelle an seinem Hinterkopf, mit den Jahren eher noch größer werden würde. Aber das war für Jenny kein Grund gewesen die Beziehung nicht einzugehen. Im Gegenteil. Sie war es leid, auf jeder Party, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Essen in der Mensa, ja sogar beim Joggen im Englischen Garten, von Fremden angebaggert zu werden, so als hätte sie ein Schild umhängen, auf dem „ Ich bin zu haben “ stand.
Florian war das Gegenteil all dieser Typen.
Er war ein einfacher, ehrlicher junger Mann, der weder besonders hübsch, noch hässlich war und dennoch mit beiden Beinen im Leben stand. Er hatte Verstand und lachte gern. Für Jenny wichtige Eigenschaften, denn ihr lag viel daran, mit ihrem Partner, sowohl über Ereignisse des Weltgeschehens zu diskutieren, als auch über dessen Frisur, morgens nach dem Aufstehen, lachen zu können.
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