ORANGE: Du bist es also.
SURELY: Ja ich bin es.
ORANGE: Wie ist Dein Name?
SURELY: Errate ihn!
ORANGE: Er muss so klingen wie: die, die durch Herbstblätter geht.
SURELY: Nicht schlecht. Ich brauche aber noch ne niedliche Abkürzung.
ORANGE: Mit S oder C?
SURELY: Sicherlich mit beidem.
ORANGE: Sch…Sch…Sch…
SURELY: Bist nah dran. Jetzt mach noch die Bewegung der Hände beim Wasserschöpfen und die Tropfen, die runterfallen, machen einen hohen, vertikalen Ton.
Orange ist verunsichert. Er hasst dieses Gefühl, wenn es ihn überrascht. Er verstummt plötzlich und schaut Surely mit blöden Augen an. Zuerst lächelt sie. Als Orange das Lächeln nicht erwidert, fragt sie sich, ob sie was Falsches gesagt hat. Sie geht voran, er folgt ihr.
Sie treten aus dem Sepia heraus und setzen sich, ohne ein Wort zu sagen auf eine Verkehrsinsel. Die Stadt schläft. Im flüssigen Licht der Ampel scheinen ihre Gesichter auf. Gelb, Grün, Rot. Orange beobachtet sie. Das Rot schminkt sie verführerisch. Trügerisches Rotlicht.
Orange schaut zum Himmel hinauf, tief in seine doppelte, schwindelerregende Drehbewegung. Um sich an etwas Bekanntes zu halten, zeigt er auf den roten Planeten.
Eine Sternschnuppe fällt genau auf die Stelle, wo er hindeutet.
Es gibt Momente, in denen mit luzider Klarsicht deutlich wird, dass alles miteinander verbunden ist. So erhält der nichtigste Zufall eine schicksalhafte Bedeutung. Nur ein solcher Moment reicht aus, das ganze Leben auszufüllen, und Wunsch und Willen zu nähren, ihn wieder und wieder zu erleben. Da vereinen sich Leben und Kunst.
ORANGE: Solche Momente sind zum Sterben gemacht.
SURELY: Oder zum Leben.
Orange schließt die Augen. Er ist verwirrt von dieser Selbstverständlichkeit, mit der ihn Surely versteht. Dass sie nicht im Geringsten von seinen Worten erstaunt oder verängstigt ist, ist ihm unheimlich. Plötzlich fühlt er sich nicht mehr allein, umso mehr jedoch in seiner Einsamkeit bedroht.
Er spricht:
„Der blaue Blutfleck in der Schwärze. Der Fremde anheimgefallen. Das Weinglas am Abgrund. Auf Steinen ein Schimmern. Alles so flüchtig, um nicht durch die unsterbliche Liebe selbst tödlich zu verwunden. – Im Luxus der Liebe verkümmert das Genie.“
Während er den letzten Satz ausspricht, erhebt er sich, um Surely allein zurück zu lassen. Er spürt ihren traurigen, aber fordernden Blick im Rücken. Er dreht sich um. In ihrem jetzt grünen Gesicht ist diese Frage deutlich lesbar: Willst Du mich nicht wiedersehen?
ORANGE: Es ist doch viel schöner, wenn das der Zufall bestimmt… Oder?!
Hochmütiges Lachen, Orange geht.
https://soundcloud.com/subjekt-noah/liebhaberdesfeuers
Herz auf der Flucht
huscht enttäuscht
von Zeit zu Zeit
Moment vergeht
den man verdrängt
Moment vergeht
ungesehen
ganz entblößt
sind wir so schön
so wunderschön
so wunder…
Liebhaber des Feuers
So flüchtig wir auch sind
Die doppelte Sonne
macht uns schneeblind
Moment vergeht
unbelebt
Moment vergeht
der niemals lügt
Moment vergeht
ich hab´s gesehen
ganz entblößt
sind wir so schön
so wunderschön
so wunder…
Liebhaber des Feuers
So flüchtig wir auch sind
die doppelte Sonne
macht uns schneeblind
schneeblind
schnee
sch
Schlafen, vergessen, ins dunkle Wasser sinken, wieder unschuldig werden.
Ein Bild braucht er noch, ein schönes Erlebnis, einen beiläufigen Moment, der ihn über die Schwelle begleiten soll.
Es fällt ihm zu wie eine unbedeutende Sache: Er sitzt auf einer Bank am Ufer. Sonniger Winternachmittag. Ein Schwanenpaar im Landeanflug auf den Kanal. Unzertrennliche, immer außerhalb der Zeit.
Irgendwas in ihm lacht über diesen idyllischen Kitsch, den sein Gedächtnis mit so herrischer Willkür in Szene setzt.
Das Lachen verzerrt sich wie heißes Plastik, das reißt. Die Hände verschwimmen im Licht eines Kellerfensters, ertasteter Widerschein eines unendlichen Saals, fern die reizvolle Strenge, Widerstand reicht nicht hinein, nur noch eine expandierende erhabene Gelassenheit…
Einige Gedichte nötigen noch dazu, gesagt zu sein. Er kann nicht mehr sprechen. Glieder und Stimme versinken in Fühllosigkeit. Signalsterne um eine schwarze Sonne sich drehen. Fremde Stimmen zupfen an den Linien des Notenschlüssels:
- Ungetrunkene Milch. Das befruchtete Ei gleicht einem fremden Universum.
- Dreh Dich nicht um, die Python hat Zähne und schnellt aus der Schwärze.
- Dreh Dich um, die Chimären sind zu verstohlen. Man muss ihnen trauen.
- Pik- und Herzdame sind dieselben. Sirenen singen, Glöckchen des Wahnsinns. Die Wildnis trommelt in der Brust.
Das Herz sehnt sich so zart nach der Sonne, nach der Blühenden, Verblutenden… - Königin.
Die Grenzen der Entrückung ausloten. Wie der Schatten sein, Antlitz mit den glühenden Augen, traumverziert. Ein ernst gemeintes Lächeln in den verspiegelten Räumen lässt die Spiegel leer. Leere Spiegel platzen vor Neid.
Der Wahnsinn darf nicht das System der Sprache verlieren, sonst fällt der Geist von der Welt.
Halt!
In Flammen schlägt diese Nacht aus: auf zur nächsten Nacht! Nein, schlafe nicht, solang das Herz noch schlägt. Hier muss leben zu finden sein.
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