Theo Loge:Ich verstehe Sie ja. Mir gefällt das auch nicht so recht. Aber Sie werden sehen, bald brauchen wir zur Abwehr der Terrorgefahr eine Genehmigung für Gottesdienste. Da kann man sich auch gleich im Internet treffen. Das spart Kosten und erleichtert dem Staat auch die Überwachung!
Moderatorin:Aber so richtig mit Erntedank, den Gaben auf dem Tisch und dem Anblick so vieler leckerer Sachen hat das auch nichts mehr zu tun, oder?
Theo Loge:Leckere Sachen? Ich vermute, auch die Landwirte und Kleingärtner werden sich den neuen Gegebenheiten stellen müssen…
Moderatorin:Wie das?
Theo Loge:Sehen Sie, selbst der ökologische Anbau schädigt die Umwelt. Die Tierhaltung erzeugt Methan, die Pflanzenproduktion wiederum bewirkt jede Menge Feinstaub. Es wird daher nicht mehr lange dauern, da gibt es vielleicht eine Steuer auf Bio-Produkte.
Moderatorin:Malen Sie da nicht ein bisschen zu schwarz? Irgendwie müssen Lebensmittel ja angebaut werden!
Theo Loge:Nach Ansicht einiger Naturschützer ist es viel sinnvoller, Nahrung im Labor zu züchten. Die berühmte Tomate aus dem Reagenzglas also. In Form und Farbe optimiert! Dadurch wird die Natur geschont, und es gibt keine Verluste durch Schädlinge. So sagen es zumindest diese Umwelt-Leute…
Moderatorin:Aber ist dann ein Erntedankfest nicht sinnlos geworden? Wir würden uns dann nicht mehr auf Gott verlassen, treffen uns nur noch im Internet und essen Sachen aus dem Labor! Wofür dann noch danken?
Theo Loge:Das weiß ich auch nicht so richtig. Ich weiß nur, dass ich heute sehr dankbar bin!
Moderatorin:Wofür denn zum Beispiel?
Theo Loge:Ich bin dankbar, dass die von mir befürchteten Zustände noch keine Realität sind.
(Applaus-Schild)
Der Kaktus auf dem Erntedanktisch
Auf dem Erntedanktisch herrschte wieder einmal großes Gedränge. Sattgelbe Bananen, kräftig rote Kirschen, reife Tomaten und tiefgrüne Gurken tummelten sich neben prallen Pflaumen, prächtigen Weintrauben und imposanten Kartoffeln. Mittendrin in dem Durcheinander tummelte sich sogar ein knusprig braunes Brot. Auch ein dicker Kürbis war gekommen. Gemeinsam mit seiner Cousine, der Melone, saß er, erschöpft vom weiten Weg, ganz hinten auf dem Erntedanktisch und lehnte sich an eine Wand.
Alle waren sie gekommen, um Gott zu loben und für das gute Ernteergebnis zu danken. Der Herr hatte sie vor Frost, Hagelschlag und Sturm bewahrt. Er hatte zur rechten Zeit Sonne und Regen gesandt und Wühlmäuse, Schnecken, Stare sowie Insekten gerade einmal so viel naschen lassen, dass auch diese satt werden konnten.
Nun lagen, standen und saßen sie also da, die Früchte des Feldes, der Gärten und Haine. Sie freuten sich und übertrafen sich gegenseitig im Gotteslob.
Okay, ein bisschen Eitelkeit war auch dabei. Wer war der oder die Schönste? Und wen liebte Gott wohl am meisten?
Den schlanken, eleganten Spargel etwa, die zarten Getreidehalme oder doch eher die kleinen, knubbeligen Pilze?
Das feurige Orange der Möhren wetteiferte mit dem leuchtend gelben Mais um die Aufmerksamkeit des Schöpfers, während die kleinen Erdbeeren vor Verlegenheit erröteten und sich schüchtern hinter einem Korb voller Äpfel versteckten.
Auf diese Weise bemerkte zunächst niemand, dass sich soeben noch ein Gast einfand. Ein kleiner, grüner Kaktus stellte sich bescheiden an den Rand der Szenerie und wollte Gott ebenfalls loben. Er wäre vielleicht gar nicht weiter aufgefallen, hätte sich eine aufgeregt zappelnde Aubergine nicht zufällig an ihm gestochen.
„Iiihhh!“, kreischte die Aubergine erschrocken. Und weil sie aus Frankreich kam rief sie weiter: „Käßke sä!?“, was so viel bedeutet wie: „Was ist das denn!?“
„Ich bin ein Kaktus“, flüsterte der kleine, stachlige Geselle und nahm gleich eine noch grünere Farbe an. Denn wenn Kakteen erröten, werden sie tiefgrün.
Die anderen Früchte wurden jetzt ganz aufgeregt, denn einen echten Kaktus hatten die meisten von ihnen noch nie getroffen. Vorsichtig und neugierig zugleich beäugten sie den Neuankömmling. Jeder machte sich so seine Gedanken über den grünen Kameraden.
‚Ob er wohl besser schmeckt als wir?‘, fragten sich beispielsweise die Weintrauben. Doch wie sollte man so einen stachligen Kerl verletzungsfrei essen?
Äpfel und Birnen wiederum versuchten abzuschätzen, ob dieses komische Gewächs vielleicht eine ernsthafte Konkurrenz darstellte. Immerhin wollte ja jeder von ihnen bei Gott einen besonders guten Eindruck hinterlassen. Sie kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass dieser kleine Stacheltyp mit Sicherheit weit unterhalb ihrer Liga spielte.
Ein nachdenklicher Blumenkohl (er sah nicht umsonst aus wie ein Gehirn) fragte schließlich ganz unverblümt: „Und dich kann man essen? Wie machen die Menschen das, und wie schmeckst du eigentlich?“
Doch bevor der eingeschüchterte Kaktus antworten konnte, erklang von ganz hinten eine volltönende Stimme:
„Nein!“, rief die Melone. „Das ist doch nur ein gewöhnlicher Kaktus. Diese Typen stehen die ganze Zeit nur in der Gegend rum und stechen alle unvorsichtigen Leute. Eine echte Landplage!“
„Genau!“, bestätigten die Bananen im lauten Chor. „Kein Wunder, dass Gott die Kakteen in die Wüste verbannt hat!“
Daraufhin lachten die Früchte alle laut im Chor und begannen erneut, sich für den Erntedankgottesdienst herauszuputzen.
Jetzt reichte es dem kleinen Kaktus aber endgültig. Er verlor alle Scheu und wurde sogar ein bisschen ärgerlich.
„Ihr eingebildetes Junggemüse“, platzte es aus ihm heraus, obwohl ja auch Obst anwesend war. „Wir sind hier, um Gott zu loben, weil er alles so herrlich gemacht hat. Der Eine schmeckt gut, die nächste sieht toll aus und wiederum andere sind echte Vitaminbomben. Jeder hat seine Gabe. Aber er hat sie vom Schöpfer. Jeder von uns ist genau so, wie Gott ihn haben will. Euer Wettbewerb ist deshalb ziemlich dumm!“
„Da könnte er recht haben“, grübelte der gehirnförmige Blumenkohl leise vor sich hin. Doch der Kaktus hörte das in seiner Empörung gar nicht und dozierte weiter:
„Kakteen zum Beispiel kann man durchaus essen. Wir sind außen stachlig, aber innen süß. Doch wir dienen nur im Notfall als Nahrung. Wir selbst brauchen nur wenig Wasser, können Erschöpften aber das Leben retten. Deshalb hat uns Gott auch in die Wüste gestellt. Denn dort sind wir ein Zeichen der Hoffnung. Egal wie öde und wüst das Land ist, Gott wirkt überall!“
Der kleine, grüne Kaktus hatte sich in Rage geredet. Dieser Adrenalinschub bewirkte, dass sich eine wunderschöne Blüte durch sein Stachelkleid schob, obwohl es ja gar nicht Frühling war. Die Blüte entfaltete sich und entlockte wegen ihrer Schönheit dem dicken Kürbis ein erstauntes „AAAHHH“.
Die anderen Früchte aber schwiegen betroffen, denn der Kaktus hatte ihnen eine Wahrheit gepredigt, die sie während ihres Wettstreites vergessen hatten:
Gott liebt alle Geschöpfe, unabhängig von ihrem Aussehen oder ihrer Leistung. Das wussten die Früchte jetzt. Ob sie es den Menschen weitersagen werden?
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