Ja, Mika ist immer mehr Johns ‚Ding‘. Seine Vorliebe für „echte“ Kerle wird ausgesprochen befriedigt. Ihm stehen zwei ausgesprochene Prachtexemplare zur Verfügung. Charakterlich unterscheiden sie sich wie Feuer und Wasser. Er gibt es vor Beiden nicht zu, doch deren unterschiedliches Wesen bringt Johns Verlangen zum Kochen.
Kurz vor Mikas geöffneter Zimmertüre bleibt er lauschend im Flur stehen.
Weint er oder holt er sich einen runter? So ganz kann John die bis auf den Gang zu vernehmenden Geräusche nicht einordnen. Ein Blick ins Zimmer reicht. Mika träumt. Er liegt im Bett, die Wangen vom Fieber gerötet, die Haare verschwitzt. Das Shirt hat er sich mal wieder im Schlaf vom Leib gerissen. Leise jammernd strampelt er unter der Bettdecke herum. Und diesmal törnt John Mikas Wimmern überhaupt nicht an. Ein Alptraum hat den Kleinen im Griff. Schnell stellt er das Tablett auf den Boden und setzt sich zu Mika auf die Bettkante. Sachte berührt er dessen nackte Schulter.
„Hey, Kleiner“, spricht er ihn leise an. „Mika! Wach‘ auf! Alles okay, hörst du?“
Zärtlich streicht er dem verschwitzten jungen Mann einige Strähnen aus der Stirn. John weiß, dass sein nun folgendes panisches Erwachen nicht zu verhindern ist. Es ist nie zu verhindern. Nicht seit Edward.
Mikas Oberkörper katapultiert geradezu in die Senkrechte. Die Arme schnellen abwehrend vor. Das Gesicht verzieht sich zu einer schreckerfüllten Fratze. Er reißt Augen und Mund auf, als würde er ertrinken. Und genauso tief holt er Luft. Doch dieses Mal schreit er nicht die üblichen schreckerfüllten Worte. NEIN! NICHT! Diesmal flüstert er panisch.
„Da kommt er! John … Keno … wo seid ihr“, presst er schreckerfüllt hervor. Sein Gesicht schnellt zur Seite, als er Johns ruhige Stimme vernimmt.
„Schsch, alles gut, Kleiner! Ich bin da und du bist zu Hause!“
„John!!“ stößt Mika befreit hervor und greift mit beiden Händen nach den starken Unterarmen. Selbst durch sein Sweat-Shirt spürt John die heißen Handflächen.
„Wo ist Keno? Ist er auch hier? Oder ist er weg?“ Mikas heißer Atem streift Johns Gesicht, als er sich vorbeugt.
„Da war so ein … Troll. Der hat mich verfolgt und dabei hat er gekichert; so … so unglaublich gehässig.“
John löst sich aus dem fiebrig warmen Klammergriff und schiebt sich neben seinen Patienten aufs Bett. Sein linker Arm macht sich einladend hinter Mika breit. Ohne zu zögern drängt sich der Kleine an ihn. Als John seine rechte Hand auf Mikas Brust legt, spürt er dessen rasendes Herz. Erneut fährt er ihm durch die Haare und verteilt kleine Küsse auf dem feuchten Schopf.
„Alles gut, Kleiner“, murmelt er besänftigend. „Du hast geträumt. Doch jetzt bist du wieder sicher in der Wirklichkeit gelandet. Nichts kann dir mehr passieren, okay?“
Mika atmet hörbar erleichtert auf. „John! Es war furchtbar! Ihr beide wart auf einmal weg und ich konnte euch im Dunkeln nicht wiederfinden. Und dann dieses gehässige Lachen.“ Bei den letzten Worten versagt Mika fast die Stimme.
Johns Rechte reibt inzwischen beruhigend über den zitternden Oberkörper. Der Daumen seiner linken Hand streichelt zärtlich Mikas Oberarm.
„Es war nur ein Traum, Mika. Ein dummer Traum. Du hast immer noch Fieber und da träumt man eben solche Dinge. Doch jetzt ist alles vorbei. Hast du denn daran gedacht, deine Medikamente zu nehmen?“ Mit der letzten Frage versucht er Mika endgültig seinem Drama zu entreißen. Es scheint ihm zu gelingen.
Mika nickt wie ein artiger Junge. „Ja, klar. Ich stell‘ mir sogar den Wecker. Denn wenn ich es vergesse, mault Keno so lange mit mir rum, bis ich wieder höllische Kopfschmerzen bekomme.“
John nickt schmunzelnd. „Ja, ja. Cats penetrante Ader kann auch schon mal ihr Gutes haben!“
Mika entfährt ein keuchendes Lachen. „Allerdings. Eigentlich geht’s mir auch schon viel besser. Ich hab‘ heute viel geschlafen. Doch dann …“
Er beißt sich verlegen auf die Unterlippe. „Tut mir leid, wenn ich mich wie ein Baby benommen hab‘.“
John blickt Mika gespielt böse an. „Ja, noch EIN Mal und ich versohl‘ dir den Hintern, du Weichei!“
Jetzt lacht sein blonder Engel und prompt ändert sich die ganze Atmosphäre im Zimmer. Wenn er lacht, geht die Sonne auf , denkt John und drückt den hustenden Kerl fest an sich.
„Ist gut, ist gut!“, brummt er zärtlich, während sein rechter Arm nach der Saftflasche angelt. „Hier! Trink‘ mal einen Schluck.“
Gierig saugt Mika an dem köstlich frischen Inhalt. Atemlos setzt er nach einer Weile ab. „Wo ist Keno?“, presst er hervor und trinkt erneut.
John verzieht ein wenig den Mund. „Ich vermute mal, dass er mit Jackson rumhängt.“
„Er hängt NUR noch mit Jackson rum!“, mault Mika aufbrausend.
Jackson! Wer kennt ihn nicht in Loewenherz? Der Freizeitmusiker und Lebenskünstler mit den blauen Haaren. Durch seine eigenwillige Art und die schrillen Haare ist er bekannt wie ein bunter Hund. Dass ihre ruhelose extrovertierte Art die beiden einmal zusammenführen würde war zu erwarten. Doch dass sie dermaßen aufeinander abfahren … das hätte selbst John nicht geahnt. Jacksons große Liebe – Luca – ist das genaue Gegenteil. Auch hier sieht John gewisse Parallelen zu sich und Mika. Trotzdem mag er nicht in die gleiche Kerbe wie Mika schlagen.
„Na komm! Jetzt sei nicht unfair!“, versucht John ihn zu beruhigen.
„Unfair?“, protestiert Mika hustend. „Das mit seinem Motorrad-Tick geht ja schon eine ganze Weile so. Doch seit er in Jackson einen Seelenverwandten gefunden hat, befürchte ich wirklich Schlimmeres!!“
Beide blicken sich vielsagend in die Augen.
„Ich sag‘ nur …“ setzt Mika an.
„BMW S 1000 RR“, vollendet John gemeinsam mit ihm den Satz.
„Schneller als ein Laserstrahl.“ Geheimnisvoll zitiert John einen von Kenos Lieblingsvergleichen. „Hundertmal besser als die Agusta …“
„… und tausendmal besser als die Hayabusa“, ergänzt Mika eindringlich.
„Damit fick‘ ich Jackson ins Knie!“, führt John ihr kleines Wortgefecht fort.
„Ins Knie und in seinen fetten Arsch!“ Gespielt hämisch zieht Mika die Mundwinkel nach unten. „Denn die S 1000 RR“, betont er ironisch die Motorradmarke, „ist mein schwarzer Panther, mein Feuerball … mein verfickter Bolide“, beendet Mika krächzend ihren Wortwechsel.
„Fans nennen sie auch ‚Srr‘“, frotzelt John weiter. „Weil sie wie eine Nähmaschine surrt.“
Mika lacht keuchend, bevor er erneut an der Saftflasche nuckelt. Anschließend hält er sie mit beiden Händen auf dem Schoß und knibbelt am Etikett.
„Warum tut er das?“, fragt er nachdenklich.
John lehnt sich an das Kopfende des Bettes und verschränkt die Arme im Nacken.
„Das fragst du mich allen Ernstes?“, frotzelt er. Doch auch er kann nicht ganz verbergen, dass ihm die Vorstellung eines Geschwindigkeitsfanatikers wie Keno auf dieser Maschine ein mulmiges Gefühl beschert. Mehr als mulmig.
„Er tut das, was er immer tut.“
„Nämlich?“, fragt Mika obwohl er die Antwort kennt.
John zuckt einmal mit den Schultern. „Er setzt seinen Willen durch. Du kennst ihn doch. Hat er sich einmal was in den Kopf gesetzt, dann …“ Er beendet den Satz mit einer fahrigen Geste seiner Hand.
Mika nickt leicht; seine Stimme zittert. „Ich wünschte, ich könnte ihn davon abhalten. Ich wünschte …“
„Schsch …“ Erneut nimmt er Mika beruhigend in seine Arme. „Lass‘ ihn. Wenn wir es ignorieren, tobt er sich ein wenig aus und dann verstaubt das gute Teil in der Garage. Es nervt ihn nur, wenn du rumnörgelst und er merkt, dass du dir Sorgen machst. Dann reagiert er noch dickköpfiger.“
Mika seufzt und lässt sich schläfrig gegen Johns Brust sacken.
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