Annegret Achner
Omas und ihre Enkel
Lebensinhalt oder Pflichterfüllung
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Inhaltsverzeichnis
Titel Annegret Achner Omas und ihre Enkel Lebensinhalt oder Pflichterfüllung Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort
Interview 1
Interview 2
Interview 3
Interview 4
Interview 5
Interview 6
Interview 7
Interview 8
Interview 9
Interview 10
Interview 11
Interview 12
Interview 13
Interview 14
Interview 15
Impressum neobooks
Eine Situation wie im Werbespot: am sorgfältig gedeckten Kaffeetisch gehen Fotos von Hand zu Hand. Nicht «mein Haus, mein Wagen, meine Yacht», sondern «mein ältester Sohn mit Doktorhut, meine Tochter bei der Abiturfeier, mein Jüngster mit seiner Verlobten» sagen die Damen im reiferen Alter zwischen 50 und 60, die stolz Familienbilder herumreichen. Mit bewundernden Ausrufen wird nicht gespart, bis eine aus der Runde plötzlich sagt. «Und wie sieht es bei euch mit Enkelkindern aus? Meine Jessica (Franziska, Annette) ist schwanger.» Neidvoll wird diese Nachricht aufgenommen, enthusiastisch gratulieren die andern Frauen der werdenden Großmutter, oft mit den deprimiert geäußerten Worten: «Meine Tochter will keine Kinder» oder «Mein Sohn will erst Karriere machen» oder «Ich befürchte, ich bekomme nie Enkelkinder!»
Ein paar Jahre sind vergangen, die meisten der damals noch berufstätigen Frauen sind mittlerweile in Altersteilzeit oder Rente. Und nun sind wir fast alle stolze Omas geworden. Nicht mehr die Fotos der Kinder, sondern die der Enkelkinder werden herumgezeigt. «Mein Enkel ist hochbegabt, er kann schon 'Oma' sagen, krabbeln, laufen, ist mit zwei Jahren schon trocken» und, und, und.…
Mit der Geburt der Enkelkinder, die nun breit gestreut im gesamten Bekannten- und Freundeskreis purzeln, ist auch bei einigen von uns die heimliche Angst verschwunden vor der Frage «Was tun, wenn ich nicht mehr berufstätig bin?» Auf einmal sind wir Omas ungeheuer gefragt. Wir brauchen uns nicht als grüne Witwen im Krankenhaus zu bewerben, keine Liedernachmittage im Altenheim zu organisieren, nicht am öffentlichen Mittagstisch mitzuarbeiten, denn wir haben keine Zeit mehr. Wir werden gebraucht, dringend gebraucht.
Züge und Flughäfen sind voll von herumreisenden Großmüttern, die wieder einmal in letzter Minute von ihren oft weit entfernt lebenden Töchtern und Söhnen gebeten werden, in dem plötzlich eingetretenen Notfall einzuspringen, was meinen Sohn zu der trockenen Bemerkung veranlasste: «Warum bleibt ihr nicht alle an eurem Platz und betreut die Kinder der andern? Dann müsst ihr nicht immer quer durch die Republik reisen.» Sehr pragmatisch, typisch Single! Dabei sind es doch die eigenen Enkelkinder, die wir versorgen wollen. Manche lassen sich sogar breitschlagen, den Zwerg regelmäßig ein-, zweimal in der Woche zu übernehmen. Wohnt die Tochter am Ort, fragt sie nach ein paar Monaten an, ob sie das Baby nicht vielleicht jeden Tag für ein paar Stunden zur Oma bringen kann. Die junge Frau möchte oder muss arbeiten. «Du hast doch nichts zu tun, Mama, könntest du nicht…?» Und dabei schaut sie ihre Mutter an, als ob sie der auch noch einen Gefallen tun würde, wenn sie ihr das Kind bringt. Wussten Sie, dass wir Omas einen beträchtlichen Teil des Bruttosozialprodukts erwirtschaften, weil wir den Töchtern ermöglichen, berufstätig zu sein, obwohl die Krippenplätze längst nicht ausreichen?
Aber wenn sich nach den ersten Wochen und Monaten die anfängliche Begeisterung gelegt hat, kommen einige von uns doch ins Grübeln. Sicher, man hat sich sehr auf die Enkelkinder gefreut, aber die Selbstverständlichkeit, mit der wir jetzt bei der Betreuung eingeplant werden, ähnelt der Selbstverständlichkeit, mit der unsere Kinder seit Beginn der Pubertät ihre Ansprüche durchzusetzen versuchten. Aus «Hotel Mama» ist «Pension Oma» geworden. Opa ist sowieso schon lange sauer, weil er zu kurz kommt. Die Freunde beklagen sich auch, dass kein Treffen mehr zustande kommt.
Und sagen lassen wollen sie sich immer noch nichts, die jungen Leute. «Misch dich nicht ein, Mama», sagt die Tochter zur Mutter, die vorschlägt, den Kleinen früher ins Bett zu legen, weil er morgens immer so quengelig ist. Schließlich muss Oma das Genöle aushalten, denn Frau Tochter ist schick gekleidet schon ins Büro entschwebt. Der Krach ist vorprogrammiert.
Dieses Büchlein ist keiner der üblichen «Ratgeber» für Großmütter, denn ich glaube, dass auch Ratschläge «Schläge» sind. Ich möchte nicht andere Frauen beraten und belehren, sondern die Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen. Alle interviewten Frauen sind gestandene Großmütter in völlig verschiedenen Lebenssituationen, die auch ihre Rollen völlig unterschiedlich ausfüllen. Die einen haben lernen müssen, «stopp» zu sagen und sich abzugrenzen, wenn die Belastung zu groß wurde, andere gehen völlig in der Betreuung der Enkelkinder auf, sehen darin einen neuen Lebenssinn. Einige planen ihren Urlaub ganz nach den Bedürfnissen der jüngeren Generation, andere Großeltern stehen nur im Notfall zur Verfügung. Aber auch von existentiellen Problemen ist die Rede, von Krankheit, Scheidung, von alleinerziehenden Töchtern und prekären Verhältnissen.
So wird jede Leserin sich selbst heraussuchen, von welchen Erfahrungen sie profitieren kann. Ein erhobener Zeigefinger und jede Besserwisserei, wie man/frau es richtig macht, ist völlig fehl am Platz.
Viele der interviewten Frauen haben in einem sozialen Beruf gearbeitet oder sich mit pädagogischen Fragen auseinandergesetzt. Aber auch am Rande der Sandkiste - ich bin selbst stolze Oma von drei Enkelkindern - bin ich immer wieder mit Frauen ins Gespräch gekommen bin, die sich in ähnlicher Lage befinden wie ich. Eines Tages habe ich mein Aufnahmegerät mit auf den Spielplatz genommen. Während wir aufpassten, dass die lieben Kleinen keinen Sand aßen, nicht vom Klettergerüst fielen oder einem anderen Kind die Schaufel über den Kopf zogen, haben wir unsere Erfahrungen ausgetauscht. Und die Offenheit, mit denen wir Frauen nach einiger Zeit auch über Probleme und Konflikte reden konnten, hat mich motiviert, dieses kleine Buch zu schreiben.
Maria D. (69) ist ehemalige Englischlehrerin. Sie wohnt in Mainz und ist seit drei Jahren verwitwet. Ihre Tochter Magdalena (33) ist Anwältin und wohnt mit Mann und zwei Söhnen Thorben (3) und Tobias (1) in Stuttgart.
Bitte, beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu den beiden kleinen Jungen.
Zu Thorben habe ich ein ganz anderes Verhältnis als zu Tobias, vielleicht weil er der Ältere ist. Thorben mag mich und ich mag Thorben. Wir kennen uns mittlerweile gut. Ich habe immer viel mit ihm gespielt, wenn ich in Stuttgart war. Und er hat viel Zutrauen gewonnen. Manchmal, wenn ich komme, dann höre ich ihn schon auf der Treppe jauchzen. Dann geht mir schon das Herz auf. Nur wenn er müde ist oder es ihm schlecht geht, dann will er von Papa und Mama ins Bett gebracht werden.
Bei dem kleinen Tobi, da muss ich diese Beziehung erst aufbauen. Seit Dezember fahre ich öfter nach Stuttgart, weil Magdalena eine Ausbildung macht. Tobi erkennt mich jetzt wieder. Er freut sich, wenn ich komme. Wenn ich mit ihm allein bin, beschäftige ich mich ausschließlich mit ihm und lasse alles andere liegen.
Wie viel Zeit investieren Sie in die junge Familie?
Schwierige Frage. Wenn ich komme, dann werde ich ja dringend gebraucht. Magdalena muss arbeiten oder eine Fortbildung machen oder die Kinder sind krank. Dann komm ich natürlich und helfe. Im normalen Alltag ist Thorben von 9 - 15 Uhr im Kindergarten. Ich hole ihn dann ab, spiele mit ihm bis zum Abendbrot. Der Kleine geht noch nicht in den Kindergarten. Den hüte ich den ganzen Tag. Manchmal, wenn Thorben krank ist oder die Kita zu ist, muss ich beide Kinder den ganzen Tag betreuen. Das ist sehr anstrengend.
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