Der Mann hat sich ein wenig beruhigt.
„Buna zi, guten Tag“, antwortet er. „Du weißt nicht, was das ist? Woher kommst du?“
Er betrachtet Corvo neugierig und schnippt gegen den Bommel seiner Mütze.
Corvo hüpft empört beiseite.
„Ich schreibe über Weihnachten“, sagt er. „Aber hier gibt es ja wohl nichts für mich.“
Er will sich schon aus dem Fenster schwingen, da hält der Mann ihn auf. Seine Stimme wird wieder lauter.
„Was glaubst du, was ich hier mache? Ich arbeite für Weihnachten. Dieser Stern wird den Anfang der Bukarester Weihnachtsprozession bilden. Der wichtigsten Prozession im ganzen Land, schließlich ist Bukarest die Hauptstadt Rumäniens. Mit der Prozession feiern wir die Ankunft des Herrn wie sonst niemand auf der Welt.“
Nun ist Corvo aber doch beeindruckt. Er sieht sich den Stern genauer an. Jetzt entdeckt er weitere Szenen aus der Bibel. Vorsichtig kratzt er mit seinem Schnabel über den Farbklecks, den er verursacht hat. Wenig später ist der Klecks verschwunden.
Dankbar winkt der Mann Corvo nach, als er aus dem Fenster fliegt.
„Crãciun fericit“, ruft der Mann Corvo nach. „Frohe Weihnachten!“
3. Dezember: Corvo begegnet Père Noël (Frankreich)
„Autsch, das piekt! Hilfe!“ Corvo hüpft gleich wieder hoch, nachdem er auf einem hohen Turm gelandet ist. Er sieht herunter und stellt fest, dass der ganze Turm aus einem Fachwerk aus Metall besteht. Die Spitze hat ihn gepiekst. Er flattert heftig mit den Flügeln, weil er beinahe abgestürzt wäre, und fängt sich noch rechtzeitig.
„Hier ist es wenigstens nicht so kalt“, krächzt Corvo zufrieden und sieht sich um.
Auf einem der Dächer sieht er einen Mann mit einem langen roten Gewand und einer Zipfelmütze. Er trägt ein komisches Gestell auf dem Rücken, aus dem Päckchen ragen, viele bunte Päckchen. Rasch fliegt Corvo zu dem Dach, auf dem er den Mann entdeckt hat.
„Guten Tag“, krächzt Corvo und setzt sich neben den Mann.
„Bonjour“, antwortet der Mann und sieht Corvo überrascht an.
„Qui êtes vous? Wer bist du?“, fragt der Mann.
Corvos Krächzen hört sich nach einem Lachen an. Er hat nämlich im gleichen Moment gefragt: „Wer sind Sie?“
Auch der Mann muss lachen, weil sie beide gleichzeitig gesprochen haben. Als er lacht, weht sein langes, rotes Gewand lustig um ihn herum und der Bommel an der Zipfelmütze fliegt um seinen Kopf. Corvo ist froh, dass er nicht auf der Schulter des merkwürdigen Mannes gelandet ist.
Zuerst sagt keiner etwas, dann fangen sie wieder gleichzeitig an zu sprechen.
„Ich bin Reporter und möchte etwas über Weihnachten schreiben“, krächzt Corvo.
Wieder lacht der Mann.
„Na, da bist du bei mir genau richtig. Ich bin nämlich Père Noël und bringe den Kindern zu Weihnachten die Geschenke.“
„Etwa mit diesem komischen Ding?“, will Corvo wissen und zeigt mit dem Schnabel auf das Gestell, dass Père Noël inzwischen vom Rücken genommen hat.
Père Noël lacht. „Genau, in meine hotte passen unendlich viele Geschenke.“
Corvo kennt zwar das Wort hotte nicht, er denkt sich aber, dass es Korb heißen soll, denn, wenn er genau hinsieht, ist das Gestell so etwas wie ein Korbrucksack.
„Bist du denn nicht etwas zu früh unterwegs?“
Corvo weiß schließlich, dass bis Heiligabend noch drei ganze Wochen sind.
Père Noël schüttelt den Kopf.
„Hier in Frankreich gehen die Uhren in manchen Familien anders, manche haben schon am 6. Dezember die große Bescherung. Ich suche gerade das richtige Haus.“ Da will Corvo nicht länger stören. Er muss ja seinen Artikel noch schreiben.
„Frohe Weihnachten“, krächzt er und ist schon in der Luft, als Père Noël „Joyeux Noël“ ruft.
4. Dezember: Corvo landet in Kirschenzweigen (Slowakei)
„Jetzt brauche ich aber endlich eine Pause“, krächzt Corvo und sucht unter sich nach einem Landeplatz.
Er entdeckt einen großen Baum und fliegt darauf zu. Kaum ist er gelandet, da kommen schon mehrere Mädchen auf den Baum zu.
„Nirgends hat man seine Ruhe!“
Corvos Krächzen klingt wie ein ärgerliches Brummen.
„Seht nur, ein Rabe“, ruft eines der Mädchen und zeigt auf Corvo.
Ein anderes kichert. „Ein Weihnachtsrabe“, sagt es und zeigt auf Corvos Mütze.
„Ahoj raven, hallo Rabe“, rufen nun alle Mädchen und winken Corvo zu.
Corvo beschließt, die Mädchen zu fragen, wohin er als nächstes fliegen könnte.
„Guten Tag“, krächzt er und fliegt auf einen Ast weiter unten, um die Mädchen zu betrachten.
„Čo tu robíš? Was machst du hier?“, wollen die Mädchen wissen.
Sie kichern und schauen Corvo von allen Seiten an. Corvo erklärt, dass er Reporter-Lehrling ist und einen Artikel über Weihnachten schreiben muss.
„Was macht ihr denn hier?“, erkundigt er sich.
Die Mädchen schneiden Äste von dem Baum ab, auf dem er gerade sitzt. Nur seinen Ast haben sie nicht angerührt.
„Wir schneiden Barbarazweige“, erklärt eines der Mädchen und kichert.
Corvo findet, dass diese Mädchen viel zu viel kichern und dumm sind sie anscheinend auch. „Barbara? Das ist doch ein Name und keine Baumart“, krächzt er.
Wieder kichern die Mädchen.
„Wieso sollte Barbara eine Baumart sein?“, fragt ein Mädchen.
Corvo ist froh, dass es nicht schon wieder kichert.
„Tannenzweige schneidet man von der Tanne, Kiefernzweige von der Kiefer“, sagt er und sieht, dass das Mädchen ihn verstanden hat.
Es kichert nicht, sondern erklärt ihm freundlich: „Barbarazweige heißen so, weil sie am Barbaratag, am 4. Dezember also, gepflückt werden.“
„Und wenn sie Heiligabend blühen, treffe ich im nächsten Jahr den Mann meines Lebens“, mischt sich ein anderes Mädchen ein.
Wieder kichern ein paar Mädchen.
„Bei uns in der Slowakei sagt man, wenn Mädchen am Barbaratag Zweige von einem Kirschenbaum ins Wasser stellen, bringt das im nächsten Jahr Glück in der Liebe.“
Zum Glück ist es das Mädchen, das nicht ständig kichert, das Corvo den Brauch erklärt. Die Idee gefällt ihm und er weiß, was er als nächstes schreiben wird.
„Dann wünsche ich euch frohe Weihnachten und viel Glück in der Liebe“, sagt er zum Abschied.
Kichernd rufen ihm die Mädchen nach: „Veselé Vianoce! Frohe Weihnachten!“
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