Heute sah sie sich als Freispielerin. Ja, sie hatte sich von vielem, das sie mitgeschleppt hatte, befreit. Von Mangel, von Illusionen, von Menschen, denen Betrug und Geheimnis wichtiger waren als sie, von Missgünstigen, von Neidern, von Kleingeistern, von Energiezockern, von Schleimern, von Auf-der-Seite-Stehern, von Unterdrückern, von Lügnern, von Alles-Verschließern, von Menschen, die Veränderung und damit das Leben selbst hassten.
Daher hatten ihre konventionellen Beziehungen nie funktioniert, da sie immer – zuerst unbewusst, später bewusst – in höhere Bewusstseinszustände einstieg. Das war zwar für die Männer anfänglich interessant, weil sie spürten, dass es anders war als sie es bislang kannten. Es machte sie mit allen anderen Faktoren höchst attraktiv. Als es jedoch mehr und mehr ums Eingemachte ging und ihr hermetisches Wissen immer mehr in der Vordergrund drängte, wurde sie - aus der Sicht der anderen durchaus verständlich - als anstrengend empfunden. Insbesondere auch, weil sie auf ihrem Weg blieb und das Delta immer größer wurde. Irgendwann fehlte es an Resonanz. Marie ging. Sie ging ihren Weg. Sie war und ist frei.
Ähnliches galt für ihre Arbeit. Sie hatte das tiefe innere Wissen - und es machte ihr große Freude und gab ihr eine Fülle an Perspektiven. Sie war und ist Original, frei von vorhandenen Strukturen. Sie schafft neue, stimmige Strukturen und Inhalte. Sie ist bewusste Schöpferin. Sie ist Freispielerin.
Doch hatte sie all das Alte nicht in die berühmte Tonne getreten, denn sie wusste, dass alles Energie war, und diese konnte sich wandeln. Sie ging jedoch nie verloren. Das war keine akademische Spitzfindigkeit. Für Marie war das ein gelebtes Faktum. Sie hatte immer, auch wenn es ihr noch so schwerfiel, dann doch das Geschenk dahinter erkannt und etwas daraus für sich gemacht. War sie eine Egoistin? Nein, denn ihre Absicht entsprang letztlich immer aus ihrem Herzen.
Sie wusste über Jahrzehnte, wann ihre Zeit gekommen war. Sie wusste auch, dass nichts linear auf diesem Weg war. Nichts war gerade. Es gab keine Autobahnen in ihrem Leben und auch nicht im Leben anderer. Autobahnen waren eine der großen Illusionen, die auch gezielt aufrechterhalten wurden, waren sie doch auch die vielzitierte Komfortzone. Immer schön gerade dahin, nur nicht links und rechts schauen, immer schön gerade dahin. Für Marie war das ein Gräuel, da sie die personifizierte Veränderung war und ist. Die Freispielerin.
Viele von ihren nicht immer als schön zu bewertenden Erfahrungen hatte sie verwunden, mit scheinbaren Umwegen, Höhen und Tiefen, mit viel Erfahrungen, Erkenntnissen und Schlussfolgerungen – vielleicht wie eine Bergstraße. Doch der Ausblick am Gipfel, auf ihrem Gipfel, war unschlagbar. Die innere Gewissheit, wieder eine Etappe gemeistert zu haben, die gehörte Marie ganz allein. Sie ging in der Spirale ihres Lebens, aufwärts, vorwärts, unaufhaltsam und letztlich immer voll Liebe – als Freispielerin in ihrem Sein. Irgendwann klappten die inneren Türen hinter ihr zu. Da wusste sie, ein Zurück ist unmöglich. Sie war in sich angekommen und hatte einen höheren Bewusstseinszustand erreicht. Sie war von einer alten Bibliothek über die empty passage, den Kreuzgang ihres Seins, in ihre eigentliche Bibliothek gewechselt.
Für ihr Außen war der Großteil von Maries Leben oft nicht nachvollziehbar. Doch das Unverständnis war ihr mittlerweile gleichgültig. Sie erklärte sich nicht mehr, weil viele als Schläfer nicht verstanden. Wie auch? Es war nicht ihre Aufgabe, sie zu verstehen. Wer als Original geboren wurde, konnte nie mit der Masse mitschwimmen, so sehr Marie dies viele Jahre gewollt hatte. Sie tat sich viele Jahre schwer, dies zu akzeptieren. Wer nicht dazugehört, gehört eben nicht dazu. Als sie ihr Originalsein als ihr Sein akzeptiert hatte und die Schönheit samt der Aufgabe, die in ihr angelegt war, erkannt hatte, ging es direkt auf ihren Weg. Fast wie von Zauberhand geführt. Alles fiel in eine Linie. Jene, die das nicht verstanden, verschwanden sang- und klanglos. Wo auch immer. Wie auch immer.
Auf diesem, ihrem Weg füllte Marie ihren persönlichen Platz im Sein, im Kosmos mit allem aus, was sie zur Verfügung hatte. Ihr Weg mit all ihren Fähigkeiten, Begabungen und Talenten war ihr in die Hand geschrieben. Sie hatte nach vielen Jahren des Suchens ihr Fundament erkannt, das ihr eine große innere Sicherheit gab. Sie war zu einem Anker in ihr selbst geworden. Es war ihre Struktur, die stabil und gleichzeitig flexibel, wie ein Bambusrohr war. Spielerisch und vielfältig konnte sie alles verbinden und gleichzeitig konkret leben. Mit dem Fluss, mit den Wellen des Lebens gehen … das brachte ihr die Freiheit und gleichzeitig die Stabilität, die sie Jahrzehnte gesucht und nun gefunden hatte. Ihr Faden war klar. So konnte sie Kette und Schuss bestimmen und ihre eigene innere Textur weben. Ausgangs- und Endpunkt sind eins. In ihr. Als Freispielerin wusste sie um das Zusammenspiel und die Zusammenhänge.
Wenn Zweifel auftauchten, sah sie diese als Gedanken und Gefühle, die sie auf etwas in ihr aufmerksam machten. Doch dann ließ sie diese weiterziehen. Warum das füttern, was sie nicht wollte? Wahrnehmen und gehen lassen. Möglichst wenige Anhaftungen haben. Das machte sie leicht. So konnte sie ihren Weg unbeschwert gehen. Klarheit, Einfachheit, Schlichtheit … das waren ihr die besten Wegbegleiter. Die Prinzipien im Geistigen und im Irdischen kennen, sie leben und miteinander verbinden, darum ging es ihr. Dafür brannte sie. Dafür setzte sie sich ein, die Freispielerin.
Wenn es um sie herum toste und das Chaos – als Geburtsbild für Neues – zu turbulent wurde, konnte sie sich in den göttliche Neutralität begeben, in ihren inneren Nullpunkt. Immer wieder und wieder und wieder. Beobachten, wahrnehmen. Nullpunkt. Sie war und ist Leuchtturm. Leuchttürme stehen und geben Orientierung. Sie bewegen sich nicht und haben keine Räder. Sie kommen Menschen auch nicht entgegen und tun etwas. Sie sind da, wo und wie sie sind – aus sich selbst heraus.
Was trieb sie an, ihren Weg mit einer derartigen Passion zu gehen? Wie war es ihr als eine erfahrene Wissenschafterin möglich, Hermetisches so selbstverständlich in ihre Arbeiten integrieren? Warum hatte sie ein derart offenes Herz für Künstlerisch-Poetisches? Und wie passte da das Digitale hinein? Sie gab seit jeher nie etwas auf klassische Trennungen, blickte seit Jahrzehnten neugierig und offen-staunend hinter bekannte Horizonte und verband das scheinbar Unverbindbare mit großer Natürlichkeit – einfach original. Grenzen setzten die anderen. Marie war geistig immer grenzenfrei und kannte ihr Feld. Gleichzeitig waren ihr Fakten wesentlich. Sie sah es als Ausdruck von WeisheitsWissen, als natürliche Verbindung zwischen Verstand und Gefühl, das eines ergab – für die Freispielerin.
Marie hatte sich in den letzten Jahren zur Noetikerin entwickelt. Doch auch das war bloß eine Etikette von vielen. Das Außen brauchte solche Etiketten. Für Marie waren sie irrelevant. Doch für ihr Außen war sie dadurch einordenbar – auch wenn sie sich dieser Einordnung immer wieder geschickt entzog. In der Noetik werden die Erkenntnisse und Grundzüge der Quantenwissenschaften mit jenen des antiken Mystizismus verbunden – und das Digitale wird wie selbstverständlich eingestreut, denn: Trennung gibt es für eine Freispielerin wie sie nicht. Die Noetik gilt mittlerweile das fehlende Glied zwischen moderner Wissenschaft und alten Mythen. Dabei will sie belegen, dass der Mensch über Kräfte verfügt, die weit darüber hinausgehen, was wir uns auch nur im leisesten Ansatz mit uns Bekanntem vorstellen können. Als Marie damit vor gut zehn Jahren zu experimentieren begann, sah man sie scheel an. Sie wurde als Spinnerin abgetan, wohl auch weil sie sich damit in keines der vorhandenen und so argwöhnisch bewachten akademische und wissenschaftliche Schächtelchen mehr stecken ließ. Sie war vielen unangenehm, noch dazu, wo sie Fragen deutlich vor der eigentlichen Zeit erahnte und auch kompromisslos stellte. Die Fragen, sie trieben sie an. Nicht die scheinbar so glatten, vorgefertigten Antworten, die in Schächtelchen einordenbar waren und vielen ihre Budgets sicherten. Antworten interessierten sie nicht, waren sie doch bloß vorläufig … bis zur nächsten Frage. Das ist die gelebte Freispielerin.
Читать дальше