CLAUDIO. Kommt, Schließer; wir gehn.
Alle ab.
Ein Kloster.
Es treten auf der Herzog und Pater Thomas.
HERZOG.
Nein, heil'ger Vater! Fort mit dem Gedanken!
Glaubt nicht, der Liebe leichter Pfeil durchbohre
Des echten Mannes Brust. Daß ich dich bat
Um ein geheim Asyl, hat ernsten Zweck,
Gereifteren, als Ziel und Wünsche sind
Der glüh'nden Jugend.
MÖNCH.
Könnt Ihr mir vertraun?
HERZOG.
Mein frommer Freund, Ihr selber wißt am besten,
Wie sehr ich stets die Einsamkeit geliebt,
Geringe Freude fand am eitlen Schwarm,
Wo Jugend herrscht und Gold und sinnlos Prunken.
Dem Grafen Angelo hab' ich vertraut
(Als einem Mann von strenger Zucht und Keuschheit)
Mein unumschränktes Ansehn hier in Wien;
Und dieser wähnt, ich sei verreist nach Polen,
Denn also hab' ich's ausgesprengt im Volk,
Und also glaubt man's. Nun, mein heil'ger Freund,
Fragt Ihr mich wohl, weshalb ich dies getan?
MÖNCH.
So fragt' ich gern.
HERZOG.
Hier gilt ein scharf Gesetz, ein starres Recht,
Als Kappzaum und Gebiß halsstarr'gen Pferden,
Das wir seit vierzehn Jahren ließen schlafen,
Gleich einem alten Löwen in der Höhle,
Der nicht mehr raubt. Nun, wie ein schwacher Vater,
Der wohl die Birkenreiser drohend bindet
Und hängt sie auf zur Schau vor seinen Kindern,
Zum Schreck, nicht zum Gebrauch: bald wird die Rute
Verhöhnt mehr, als gescheut: so unsre Satzung,
Tot für die Straf', ist für sich selbst auch tot,
Und Frechheit zieht den Richter an der Nase;
Der Säugling schlägt die Amm', und ganz verloren
Geht aller Anstand.
MÖNCH.
Euch, mein Fürst, lag ob,
Die Fesseln des gebundnen Rechts zu lösen;
Und dies erschien von Euch noch schrecklicher
Als von Lord Angelo.
HERZOG.
Zu schrecklich, fürcht' ich.
Da meine Säumnis Freiheit ließ dem Volk,
Wär's Tyrannei, wollt' ich mit Härte strafen,
Was ich erlaubt. Denn der erteilt Erlaubnis,
Der freien Lauf der bösen Lust gewährt,
Anstatt der Strafe. Drum, verehrter Vater,
Hab' ich auf Angelo dies Amt gelegt:
Der, hinter meines Namens Schutz, mag treffen,
Derweil ich selbst vom Kampfe fern mich halte
Und frei vom Tadel bleibe. Sein Verfahren
Zu prüfen, will ich als ein Ordensbruder
Besuchen Fürst und Volk; drum bitt' ich Euch,
Schafft mir ein klösterlich Gewand, belehrt mich,
Wie ich in aller äußern Form erscheine
Als wahrer Mönch. Mehr Gründe für dies Tun
Will ich bei beßrer Muße Euch enthüllen.
Nur dies: – Lord Angelo ist scharf und streng,
Vor Läst'rung auf der Hut, gesteht sich kaum,
Blut fließ' in seinen Adern, und sein Hunger
Sei mehr nach Brot als Stein. Bald wird sich's zeigen,
Ob Macht ihn lockt, ob echte Treu' ihm eigen.
Gehn ab.
Ein Nonnenkloster.
Es treten auf Isabella und Franziska.
ISABELLA.
Und habt ihr Nonnen keine Freiheit sonst?
FRANZISKA.
Scheint diese dir zu klein? –
ISABELLA.
O nein! Ich sprach's nicht, als begehrt' ich mehr;
Im Gegenteil, ich wünschte strengre Zucht
Sankt Klarens Schwesterschaft und ihrem Orden.
LUCIO draußen.
He! Friede diesem Ort! –
ISABELLA.
Wer ruft denn da? –
FRANZISKA.
Es ist ein Mann. O liebe Isabella,
Schließt Ihr ihm auf und fragt, was sein Begehr.
Ihr könnt es tun, ich nicht: Ihr schwurt noch nicht:
Doch eingekleidet sprecht Ihr nie mit Männern,
Als nur in der Äbtissin Gegenwart,
Und wenn Ihr sprecht, bleibt Eu'r Gesicht verhüllt;
Entschleiert Ihr das Antlitz, müßt Ihr schweigen.
Er ruft noch einmal: bitt' Euch, gebt ihm Antwort!
Franziska ab.
ISABELLA.
Frieden und Heil mit Euch! Wer ist's, der ruft? –
Lucio tritt auf.
LUCIO.
Heil, Jungfrau! Daß Ihr's seid, verkündet mir
Die Wangenblüte. Könnt Ihr so mich fördern,
Zum Fräulein Isabella mich zu führen,
Die hier Novize ist; der schönen Schwester
Des unglücksel'gen jungen Claudio?
ISABELLA.
Warum unsel'gen Claudio? Frag' ich Euch,
Und um so mehr, weil ich Euch melden muß,
Ich selbst bin Isabella, seine Schwester.
LUCIO.
Holdsel'ge Schöne, Euer Bruder grüßt Euch,
Doch daß ich's kürzlich meld': er ist im Kerker.
ISABELLA.
Weh' mir! Für was? –
LUCIO.
Um das, wofür, wenn ich sein Richter wär',
Er seine Straf' empfangen sollt' in Dank:
Er half zu einem Kinde seiner Freundin.
ISABELLA.
Herr, macht mich nicht zu Euerm Scherz!
LUCIO.
's ist wahr;
Ich möchte nicht, ist's gleich mein alter Fehl,
Mit Mädchen Kiebitz spielen, weit vom Herzen
Die Zunge, – so mit allen Jungfrau'n tändeln:
Ihr seid mir ein verklärter Himmelsgast
Und durch Enthaltsamkeit unkörperlich;
Drum muß das Wort mit Euch wahrhaftig sein,
Als nahte man sich einer Heiligen.
ISABELLA.
Ihr lästert das Erhabne, mich verhöhnend.
LUCIO.
Das glaubt nicht! Kurz und wahr, so steht die Sache:
Eu'r Bruder und sein Liebchen herzten sich;
Und wie die Speise füllt; der blüh'nde Mai
Den dürren Furchen nach der Saat verhilft
Zu schwell'nder Fülle: also zeigt ihr Schoß
Sein fleißiges Bemühn und emsig Tun.
ISABELLA.
Ist jemand von ihm schwanger? Muhme Julia?
LUCIO.
So, ist sie Eure Muhme?
ISABELLA.
Durch Wahl: wie Schülerinnen Namen tauschen
In kindisch treuer Freundschaft.
LUCIO.
Diese ist's.
ISABELLA.
Oh, nehm' er sie zur Frau!
LUCIO.
Das ist der Punkt: –
Der Herzog hat höchst seltsam sich entfernt;
Und manchen Edeln – (mich nebst andern) – foppt er
Mit Hoffnung auf ein Amt; doch hören wir
Von solchen, die den Nerv des Staates kennen,
Was er uns vorgab, sei unendlich weit
Von seiner wahren Absicht. Jetzt regiert
Statt seiner, mit der unbeschränkt'sten Vollmacht,
Lord Angelo, ein Mann, dem statt des Bluts
Schneewasser in den Adern fließt; der nie
Der Sinne muntre Trieb' und Regung kannte;
Der ihren Stachel hemmt und abgestumpft
Mit geist'ger Arbeit, Fasten und Studieren.
Dieser, in Furcht zu setzen Lust und Freiheit,
Die lang' das drohende Gesetz umschwärmt
(Wie Mäus' um Löwen), klaubt den Spruch hervor,
Durch dessen schweren Inhalt Claudios Leben
Verwirkt ist; setzt sogleich ihn in Verhaft
Und folgt genau der Satzung totem Wort
Zu strenger Warnung. Alles ist verloren,
Wenn Euch nicht Gnade wird, durch holdes Flehn
Ihn zu erweichen. Dies nun ist der Kern
Des Auftrags, den mir Euer Bruder gab.
ISABELLA.
So will er seinen Tod?
LUCIO.
Hat die Sentenz
Schon unterschrieben, und der Schließer, hör' ich,
Erhielt Befehl, das Urteil zu vollziehn.
ISABELLA.
Ach, welche arme Fähigkeit besitz' ich,
Ihm noch zu helfen?
LUCIO.
Eure Macht versucht!
ISABELLA.
Weh mir! Ich zweifle –
LUCIO.
Zweifel sind Verräter,
Die oft ein Gut entziehn, das wir erreichten, –
Weil den Versuch wir scheuten. Geht zu Angelo
Und lehrt ihn, daß, wenn Jungfrau'n flehn, die Männer
Wie Götter geben; weinen sie und knien,
Dann wird ihr Wunsch so frei ihr Eigentum,
Als ob sie selber die Gewährung sprächen.
ISABELLA.
Ich will versuchen, was ich kann.
LUCIO.
Nur schnell! –
ISABELLA.
Ich geh' sogleich,
Nicht länger säum' ich; der Äbtissin nur
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