Wenn man die Chaosmagie versucht einzuengen, wird sie ihre Wirksamkeit verlieren. Wenn man sich mit wilden Titeln schmücken will, kann man dies machen, doch es wird zu einer kontroversen und zerstörerischen Dynamik führen, sodass man irgendwann seine eigene magische Entwicklung aus den Augen verlieren wird, da man sich permanent rechtfertigen will, rechtfertigen muss. Die Chaosmagie muss einfach als eine Art der Magie verstanden werden, bei der bewusst alle Verwendungen aller anderen magischen Disziplinen möglich sind, sodass man seine eigenen Ziele, seine eigenen Transformationen, seine eigene Evolution, seine eigene Transzendenz voll und ganz erreichen kann.
Durch diesen Prozess wird man selbst zu einem Schöpfer. Interessant ist hier, dass gigantisch viele Schöpfungsmythen eben im Chaos beginnen, und hier dann eine besondere Ordnung entwickeln. Ob es jetzt Chaos, Abgrund, Finsternis, Abyss oder etwas anderes ist, ist hier relativ irrelevant, denn auch eine formlose Masse, ein ungeordnetes Ganzes, eine gigantische Tiefe (wozu letztlich aber auch dann eben die Schöpfungsmythen zählen, die sich auf das Meer, auf den Ozean beziehen), kann man ohne weiteres mit dem Begriff „Chaos“ gleichsetzen. Es geht also ganz einfach darum, dass eine unbekannte Region, die sich dem menschlichen Denken, aber auch dem menschlichen Paradigma, entzieht, einem Schöpfungsaspekt gleichgesetzt wird, da man hier auch wieder sagen kann, dass die Schöpfung unendlich und unbegreiflich ist. Und wenn man sich die verschiedenen Wissenschaften anschaut, dann kann man ohne weiteres sagen, dass sich aus dem Chaos heraus definitiv ein Kosmos gebildet hat, egal, ob es jetzt die Entstehung des Sonnensystems ist, oder die direkte Entstehung und Evolution der Erde. So ist das Chaos auf der Erde erst einmal eine gestaltlose und extreme Tatsache, die jedoch Stück für Stück Gestalt annimmt, sodass man hier eben den Ursprung aus einem Urgrund erkennen kann. Wenn man so will, wird der Ursprung im Urgrund geschaffen, geboren, und muss sich seinen eigenen Weg im Chaos, aus dem Chaos selbst erkämpfen. Manchmal existieren aber auch die Ideen, dass es hier einen Ellipsoiden gibt, ein Weltenei, da der Ellipsoide / das Ei, auch sehr gerne mit dem fünften Element, mit dem Element Äther gleichgesetzt wird. Das Element Äther beinhaltet all die anderen Elemente, also die Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser, wobei es hier im Grunde keine Wertigkeit gibt, auch wenn dies gerne in magischen Büchern propagiert wird. Alle Elemente besitzen den gleichen Wert, den gleichen Nutzen, und bedingen sich untereinander, wobei dann natürlich der Äther, der Geist, die Quintessenz hier doch herausragend ist.
Aus diesem Weltenei, aus dieser „Prima Materia“, aus dieser ersten Materie, aus diesem kosmisch-alchemistischen Urlabor stammt die energetische Idee des Kosmos, sodass durch die Ursubstanz, durch die „erste Materie / prima Materia“, aus dem Chaos, sich eine Energie emporkämpft, um hier einen Kosmos, eine Ordnung zu erschaffen. So erhält die Materie bestimmte Formen, wobei diese Formen aber dann auch im energetischen Kontext verstanden werden müssen, als die klassischen Archetypen die es gibt. Die klassischen Archetypen tauchen selbstverständlich in der Psychologie auf, sodass Carl Gustav Jung hier klar und deutlich zu nennen ist, wobei man in diesem Kontext aber gerne den energetischen Aspekt vergisst, und auch den Umstand, dass diese Archetypen einen bestimmten Kosmos bedingen, und gerade in der Chaosmagie KEINEN Platz einnehmen, da in der Chaosmagie ganz bewusst gesagt wird, dass die Archetypen hier eine begrenzende Energie darstellen. Nun, dies stimmt natürlich, dennoch ist es wichtig, dass man diese Archetypen kennt, denn wenn man sie einfach nur missachtet, übergeht und missinterpretiert, werden sie sich definitiv verselbstständigen, was dann in der Praxis der Chaosmagie mehr als nur kontraproduktiv sein wird. Die Archetypen existieren im kosmischen Grundgefüge des menschlichen Seins, sodass diese immer vorhanden sind. Man kann versuchen sie zu umgehen, man kann aber auch versuchen sie so weit umzustrukturieren, dass man mit ihnen ohne weiteres chaosmagisch und freiheitlich arbeiten kann. Die Chaosmagie ist hier so ähnlich wie ein Tauchgang in den Tiefen des Ozeans. Ein Tauchgang? Na ja, die Archetypen könnten hier ohne weiteres als Sauerstoff verstanden werden, als Sauerstoff, der benötigt wird, damit der Mensch atmen kann. Braucht man Sauerstoff? Ja, den braucht man, um langfristig zu überleben. Doch man kann für eine gewisse Zeit auf Sauerstoff verzichten. Dennoch ist es wichtig, dass man weiß und begreift, dass der Sauerstoff überlebenswichtig ist, und dass man hier andere Klimmzüge machen muss, um dieses Paradigma, dieses Muster, diese Vorgabe zu umgehen. Genauso ist es auch mit den Archetypen! Doch welche Archetypen gibt es? Wie äußern sich diese in der Magie? Welche anderen Aspekte gibt es hier, die man mit der Magie kreuzen und auch erklären kann? Nun, die verschiedenen Archetypen kann man hervorragend auf die Planeten unseres Sonnensystems anwenden, wobei es auch hier wieder wichtig ist, dass es nicht um irgendeinen Gasriesen oder um irgendwelche Gesteinsbrocken geht, sondern um die jeweiligen energetischen Archetypen. Wenn es also um Jupiter geht, und hier nur der Name „Jupiter“ fällt, dann ist hier die archetypische Energie, die archetypische Schwingung gemeint und nicht der Gasriese. So will ich im Folgenden einmal die verschiedenen Archetypen wiedergeben, wobei ich hier sofort erwähnen will, dass die Aufzählung keine Wertigkeit impliziert.
So will ich hier immer die primären Aspekte der Planeten mit einknüpfen, genauso wie die Betitelungen der Planeten, gleichzeitig aber auch einzelne Götter und Göttinnen. Dies läuft bewusst der klassischen Chaosmagie entgegen. Die Chaosmagie arbeitet nur dann mit spezifischen Göttern und Göttinnen, wenn dies der Protagonist ausdrücklich will. Da dieses Buch aber für Anfänger konzipiert ist, und die archetypischen Energien wichtig sind, gerade dann, wenn man sie eben aussparen will, will ich diese betiteln:
Der liebevolle Vater:
Primärer Aspekt der Sonne, des Planeten Jupiter und des Neptuns. Großzügiger Patriarch, der eher Gnade vor Recht ergehen lässt und die Barmherzigkeit der Weisheit spiegelt. Klassisch wären hier die Gestalten der Vatergottheiten zu wählen, wie z. B. Jupiter, Zeus, Dagda, Odin oder auch Osiris.
Die liebevolle Mutter
Primärer Aspekt des Mondes und sekundärer der Venus. Nachsichtige, liebende und fürsorgliche Matriarchin, die mögliche Verfehlungen ihrer „Sprösslinge“ schnell verzeihen kann. In diesem Fall auch Ansprechperson für alle Probleme, Sorgen, Nöte etc. Klassisch wären hier die Gestalten der Muttergottheiten zu wählen, wie z. B. Demeter, Dana, Gaia, Nerthus und Hathor.
Das Ungeheuer:
Sekundärer Aspekt des Mars, Saturn und Pluto. Symbolisiert die irrationalen, emotional geladenen Negativhandlungen, die im Jähzorn oder aus der ethischen Hemmungslosigkeit heraus, geführt werden. Klassisch wäre hier die Gestalt des „Monsters“, des wahnsinnigen Widersachers, zu wählen. Göttliche Prinzipien wären hier Apophis, der Fenriswolf, Minotaurus, Medusa etc.
Die destruktive Mutter
Primärer Aspekt der Lilith, sekundär Venus und Mond, aber auch Uranus. Hier ist die Furie das Wort der Wahl, die zerstört, sich nicht an Regeln hält, rebelliert und alte Muster vernichten will. Gleichzeitig aber auch die „Übermutter“, die ihre Zöglinge aus Angst und Sorge „erstickt“ und an der individuellen Evolution hindert. Klassisch wären hier Gestalten der „dunklen Göttinnen“ zu wählen, wobei man im Einzelnen große Unterschiede zwischen, Lilith, Morrigan, Nemesis, Nix, Ereschkigal, Kali etc. finden würde.
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