Allerdings bekam Klaska auch Informationen über seine Quelle aus dem Landeskriminalamt, kurz: LKA, die ihn an der Ehrlichkeit von Anna ein wenig zweifeln ließen, obwohl er sich schon denken konnte, warum sie ihm diese Dinge nicht erzählt hatte. Aus einem Polizeibericht ging demnach hervor, dass Anna vor vielen Jahren unter erheblichem Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall verschuldet hatte, bei dem glücklicherweise nur sie selbst und die Blechkarosse zu Schaden gekommen waren. Mit einer leichten Kopfverletzung und Prellungen konnte Anna aus ihrem Auto geborgen werden und es folgte, was unabwendbar war: Nach Auswertung einer Blutentnahme musste Anna ihren Führerschein abgeben. Dies bedeutete Einschränkung, auf andere Menschen angewiesen sein, sich nicht mehr dann zu bewegen, zumindest motorisiert, wenn Termine anstehen. Sich einfach mal spontan auf den Weg zu machen, um sich Freiräume zu schaffen, diese Dinge waren nun wohl vorbei, denn aufgrund ihres hohen Alkoholwertes im Blut, der bei 2,34 Promille lag, musste Anna eine medizinisch-psychische Untersuchung über sich ergehen lassen, wollte sie nach gerichtlich festgelegten 18 Monaten Fahrerlaubnisentzug jemals wieder an ihren Führerschein kommen. Dazu musste sie damals 2.600 Euro Geldstrafe zahlen, die Anna auf Antragstellung an eine gemeinnützige Einrichtung überweisen konnte.
Meisterjurist Schweitzer konnte da wenig für Anna tun und in einem internen Vermerk des im Verfahren beteiligten Ermittlers der Polizei fand Klaska den Hinweis, dass hier der Anwalt seinen Job nicht gerade gut gemacht hatte. Sollte er Anna darauf ansprechen, sollte er sie der Peinlichkeit aussetzen darüber zu erzählen? Brauchte er diese Informationen überhaupt für seine Arbeit?
Nein, aber es war gut, auch von Anna nach und nach ein eigenes Bild ihres bisherigen Lebens zu bekommen, und da gehörten diese Geschichten, die neben Anna auch anderen Menschen passieren, mit dazu.
Klaska entschied sich, auch die alte Nachbarschaft der Kiesmanns aufzusuchen, denn der Sorpesee, an dem sie gelebt hatten, sprach dafür, dass hier nicht innerhalb von ein paar Jahren die Mieter wechselten, weil es zum großen Teil Eigentümer waren. Also machte sich Klaska auf den Weg ins Sauerland.
Bereits beim Besuch der unmittelbaren Nachbarn kamen weitere Erkenntnisse hinzu, denn auch Nachbarn sind aufmerksam, beobachten und tratschen. Ermittler Klaska erfuhr, dass Anna im Zustand des übermäßigen Alkoholkonsums an einem Samstagnachmittag den Rasen mähte, während ihr Mann Ernst wieder mal auf Geschäftsreise war oder einer seiner Sekretärinnen noch etwas zu diktieren hatte, so eine ausschweifend erzählende Nachbarin. „Wir wussten hier doch alle, was unser Nachbar für ein Schwerenöter war. Und seine Frau hat dann eben ihr Heil im Alkohol gesucht“, erzählte sie.
Auf jeden Fall soll Anna mit einem so genannten Aufsitzrasenmäher, also praktisch einem kleinen Traktor mit Mähwerk, über eine Natursteineinfassung ihres geliebten Rosenbeetes gefahren sein und gleich so, dass der kleine Traktor festsaß und das gesamte Fahrwerk kaputt war. Anna soll laut geflucht haben und wenige Minuten danach sei einer dieser Notare oder Rechtsanwälte vorgefahren und habe mit ihr im Garten gestanden. Sie hätte sich an seine Schulter gelehnt und geweint. Vorher soll sie telefoniert haben, wie die Nachbarin gesehen haben wollte. Wieder einige Zeit später sei dann ein kleiner Transporter mit Anhänger vorgefahren und zwei Personen in Arbeitskleidung hätten den Traktor aus dem Garten geholt, verladen und abtransportiert.
Tage später hätten genau diese Männer mit demselben Fahrzeug den Mäher bzw. kleinen Gartentraktor zurückgebracht und in die Garage gestellt. Sicher, dass kann jedem passieren, der sich mit Gartenarbeit beschäftigt, aber es zeigt im Fall von Anna, welche Auswirkungen ihr Alkoholmissbrauch auf ihr Leben hatte.
Andere Nachbarn berichteten von lautstarken Auseinandersetzungen mit ihrem Mann Ernst, der danach oft das Haus verlassen habe. Anna habe dann oftmals in der Tür gestanden und gerufen: „Fahr doch zu deinen Huren, was anderes sind diese Weiber doch nicht!“ Einmal habe Ernst sie sogar fast unbeabsichtigt umgefahren, als er seinen Wagen aus der Garage rückwärts setzte und Anna plötzlich dahinterstand. Szenen dieser Art wären fast alltäglich gewesen. Anfangs habe sie peinlich berührt gewirkt, wenn die Nachbarn zufällig vor dem Haus oder in ihren Gärten gewesen sind. Doch irgendwann habe Frau Kiesmann ihr Ansehen gar nicht mehr gestört.
Anna Kiesmann wurde aber unisono von allen aus ihrem direkten Lebensumfeld als freundliche Frau beschrieben, die es einfach nicht geschafft hat, ihren Mann Ernst für sich zu gewinnen. Die Fassade der Unternehmerfamilie sollte irgendwie aufrechterhalten werden, weil man in der Gesellschaft keinen Spießrutenlauf und Getuschel auf Empfängen möglichst vermeiden wollte. Gelungen ist dieses Vorhaben aber ganz eindeutig nicht.
Der Irrsinn einer Vollmacht. Ein kleines, aber sehr wichtiges Kapitel
Was können Vollmachten anrichten, wenn sie zu einem falschen Zeitpunkt mit eben einem Menschen, der sich Freund, Anwalt und Notar nennt anrichten? Eine Menge! Oh ja! Ernst Kiesmann hatte noch zu Lebzeiten aufgrund der immer weiter fortschreitenden Alkoholabhängigkeit seiner Ehefrau, seinem „Freund“ und Notar Erdmann eine Generalvollmacht beurkundet ausgestellt. Anwalt Schweitzer hatte es damals so vorgeschlagen, wahrscheinlich mit weiser Voraussicht für den Fall der Fälle. Wenn Ernst da eine noch so kleine Vorahnung gehabt hätte, welches Spiel zu dem Zeitpunkt bereits Fahrt aufgenommen hatte, wäre das Stück besiegeltes Papier sicher nicht unterzeichnet worden. Dadurch aber, dass es existent war, war Anna jetzt den Machenschaften dieser Männertruppe hilflos ausgeliefert. Die Vollmacht war zudem auch genau auf diese beiden Herren ausgestellt, so dass sie sich nun alle gegenseitig bedienen und gleichzeitig decken konnten.
Dieses Konstrukt wurde Ben Klaska klar, nachdem er lediglich Zeitungsrecherchen betrieben und seine alten Bekannten bei Gericht zum Mittagsessen eingeladen hatte. Geschickt bekam er so heraus, was dort in hinterlegten Dokumenten formuliert war.
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