Im Folgenden sollen in Kürze noch einige weitere Beispiele die fragwürdige Praxis der Jobcenter illustrieren. Am 19.12.2006 unterzeichnete ich einen Arbeitsvertrag. Am 21.12.06, dem nächstmöglichen Termin, meldete ich mich vom Jobcenter ab bzw. hinterließ dort eine Kopie meines Arbeitsvertrages und eine ausgefüllte Veränderungsmitteilung. Damit hatte ich nun wirklich alles Menschenmögliche getan, meiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Von sämtlichen Dokumenten hatte ich Kopien und Belege ihres Eingangs. Mit Schreiben vom 18.01.2007 forderte das Jobcenter zu meiner Verwunderung erneut eine Kopie meines Arbeitsvertrages an, die ich umgehend mit dem Hinweis zusandte, bereits am 21.12.06 eine Kopie von meinem Arbeitsvertrag im Jobcenter abgegeben zu haben. Nur wenig später, mit Schreiben vom 26.01.07 erhielt ich ein Schreiben vom Jobcenter worin bemerkt wurde, ich hätte in meiner Beschäftigung ALG II bezogen, das überzahlt worden wäre, weil ich seit meiner Arbeitsaufnahme nicht mehr bedürftig war. Dies gipfelte in folgendem Satz: „Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie in grob fahrlässiger Weise die Überzahlung verursacht, da Sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in Ihren Verhältnissen verspätet angezeigt haben.“ Bis dahin hatte ich noch nicht bemerken können, dass das ALG II weiter gezahlt wurde, da mir die entsprechenden Kontoauszüge noch nicht vorlagen. Ferner wurde zudem grotesker Weise ein Überzahlungszeitraum in der Zukunft, im Februar moniert, obwohl das Jobcenter inzwischen über die Überzahlung im Bilde war. Ich wurde aufgefordert umgehend über ein sonderbares sog. Anhörungsformular, das mir bedauerlicherweise nicht mehr vorliegt, Stellung zu nehmen, dessen eigenartige und z. T. wahrhaftig geistlose Fragen ich kaum beantworten konnte und wollte. Ansonsten verwies ich mit beigefügten Kopien auf meine o. g. Eingangsbestätigungen, womit dieses furchtbare Theater endlich sein Ende fand.
Das war jedoch längst nicht der letzte Fall dieser Art, den ich erleben musste. Das Ganze ist schon ärgerlich genug. Schlimm ist aber vor allem, dass auch solche leider alltäglichen Fälle gern als Leistungsmissbrauch mitgezählt und in der Öffentlichkeit angeprangert werden. Womöglich sollen sogar so erst „Leistungsmissbräuche“ kreiert bzw. fingiert werden.
Ein anderer späterer Fall. Wieder standen eine Beschäftigung und eine Abmeldung aus dem Leistungsbezug an. Nach entsprechend langem Anstehen bei der Anmeldung im Jobcenter wurde mir am Schalter gesagt, ich müsse jede einzelne Seite meines Arbeitsvertrages als Kopie abgeben, die Kopien, die ich davon gemacht habe würden nicht ausreichen (obwohl sie in dieser Form bis dahin ausreichten), die müsse ich dann noch nachreichen. Die Kopien, die ich zunächst vorweisen konnte, gaben Auskunft über Beginn, Ende und Art der Beschäftigung, alle erforderlichen Informationen die das Jobcenter zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigte. Die übrigen Seiten des Arbeitsvertrages behandelten lediglich betriebsinterne und arbeitsrechtliche Angelegenheiten, die völlig irrelevant waren, zumal es sich um eine vom Jobcenter selbst eingeleitete Arbeitsgelegenheit handelte. Auf meine Frage weshalb das Jobcenter nicht einfach die restlichen Kopien machen könne antworte man mir schlicht, das Jobcenter würde für diese Zwecke keine Kopien mehr machen. So wurde ich genötigt mich mit den angeforderten Kopien einen Tag später noch einmal anzustellen um eine Eingangsbestätigung für diese zu erhalten, was ich der unwillig und selbstgefällig erscheinenden Sachbearbeiterin am Schalter, die bemerkte: „Hier geht nie etwas verloren“, erst noch lang und breit auseinandersetzen musste.
Ein Jahr später, nach dem Ende dieser befristeten Beschäftigung, reihte ich mich wieder in die Warteschlange beim Jobcenter ein um das Ende der Beschäftigung mit den entsprechenden Kopien bekannt zu geben und ALG II zu beantragen. Auf meine vorsorgliche Frage, ob das Jobcenter noch einmal eine vollständige Kopie von meinem Arbeitsvertrag haben möchte, die ich nun komplett dabei hatte, antwortete der Sachbearbeiter am Schalter mit Blick in seinen PC das wäre bereits alles vorhanden und damit nicht mehr notwendig. Eigentlich durfte auch ich davon ausgehen, dass diese Unterlagen, um die es ja den o. g. Wirbel gab, im Jobcenter vorhanden sein müssen; aber man kann ja bei dieser schrägen Institution nie genau wissen woran man mit ihr ist, sagte ich mir nach allen Erfahrungen. Auf der anderen Seite erschien mir mein Verhalten doch etwas übervorsichtig und musste selbst ein wenig darüber schmunzeln. Unter „normalen“ Bedingungen wäre dieses Verhalten vielleicht tatsächlich ein wenig zu belächeln, aber nur wenige Tage später wusste ich wie sehr Misstrauen gegenüber dem Jobcenter gerechtfertigt ist. Unfassbar aber leider wahr erhielt ich vom Jobcenter eine „Aufforderung zur Mitwirkung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts“ worin wiederum Kopien meines Arbeitsvertrages angefordert wurden, die spätestens in zwei Wochen an einer bestimmten Stelle eingereicht werden sollten. Und weiter: „Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 69, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie keine Leistungen erhalten.“
Sollte Sie solch eine Aufforderung zur „Mitwirkung“ aus irgendeinem Grunde nicht oder zu spät erreichen, sei es wegen eines Urlaubes außerhalb des Wohnortes, sofern Sie noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sei es wegen eines Bewerbungsgespräches andernorts oder wegen eines Krankenhausaufenthaltes o. ä. können die Folgen verheerend sein. U. a. besteht dann keine Krankenversicherung, erhalten Sie kein ALG usw.
Was ist das, grenzenlose Schlamperei oder Schikane? Würde ein Betrieb in der freien Wirtschaft so „arbeiten“, würde er wirklich so viele „Fehler“ machen und Missgeschicke verursachen, was eigentlich schier unvorstellbar ist, wäre er von heute zu morgen mit Sicherheit weg vom Fenster, wie man so sagt. Offenbar kann man sich nicht auf Zusagen des Jobcenters verlassen, sondern allenfalls auf seine stete Unzuverlässigkeit. Jobcenter sind ein Synonym für Probleme. Daher wäre eigentlich ein Name wie „Agentur für Probleme“ oder „Agentur zur Schaffung von Problemen“ neben „Agentur zur Förderung prekärer Beschäftigung und Altersarmut“ wohl die punktgenaueste Umschreibung für diese Behörde. Geht man einer Vollzeitbeschäftigung oder einer geringfügigen Beschäftigung nach, von der man allein nicht leben kann und ist man deshalb auf Transferleistungen angewiesen, so sind ständige Querelen u. a. bei der Verrechnung des Einkommens vorprogrammiert, es sei denn, man lässt das Jobcenter schalten und walten wie es ihm beliebt bzw. sich betrügen, was allerdings viele mit sich machen lassen, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht.
Tatsächlich kommt es infolge der i. d. Tat verbreiteten Inkompetenz aber auch mal vor, dass sich das Jobcenter zugunsten seiner sog. Kunden irrt, wenngleich mir dies nur ein einziges Mal in all den Jahren widerfuhr, neben einer kaum überschaubaren Fülle von fehler(?)haften Bescheiden und Entscheidungen, die zu meinen Lasten gingen. In jenem Fall beantragte ich die Übernahme einer Mieterhöhung, wobei die Miete vom Jobcenter versehentlich um rund 25 Euro höher berechnet wurde als sie tatsächlich war. Dies meldete ich umgehend dem Jobcenter. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass solche Überzahlungen früher oder später ohnehin bekannt werden, womit dies dann vor allem im letzteren Fall ein gefundenes Fressen für das Jobcenter wäre, entsprechende Sanktionen verhängen zu können, bis hin zur Stellung von Strafanzeigen. Denn offensichtlicher und vorsätzlicher Sozialbetrug kann ziemlich teuer zu stehen kommen. So erscheint es nach allem nicht mehr so völlig abwegig hinter solchen eventuellen Fehlern eine Fallenstellung für möglich zu halten. Der Spruch kommt schließlich nicht von ungefähr: Wer einmal lügt dem glaubt man nicht mehr.
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